Zu Strukturfragen der kommunalen Selbstverwaltung


Deshalb an dieser Stelle nur so viel: Der Anfang ist gemacht. In Emmelshausen fiel der Startschuss zu einer intensiven und für den GStG bedeutsamen Grundsatzdiskussion zu zentralen Strukturfragen der kommunalen Selbstverwaltung. Ausgangspunkt war die Mitgliederversammlung 2001 und die in der „Oppenheimer Erklärung" erhobene Forderung nach Hauptamtlichkeit von Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeistern in Ortsgemeinden von mehr als 5000 Einwohnern.

Ich gehe davon aus, dass wir mit einem straff geführten Zeitplan und einer zügigen Abfolge weiterer Tagungen in der Mitgliedschaft des Gemeindeund Städtebundes Rheinland-Pfalz in der Lage sein werden, bis Mai 2003 ein Leitbild für die Kommunalstrukturen der Zukunft nicht nur einer Fachöffentlichkeit sondern auch der Politik präsentieren und mit den politisch Verantwortlichen fundiert und auch als Meinung des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz insgesamt erörtern zu können. Auf Grund der dramatischen Zuspitzung der desolaten Finanzlage, die zu einer Bestandsgefährdung der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland eskaliert, habe ich mich vor dem Hintergrund ausführlicher Berichterstattung zur Zukunft der Kommunalstruktur im Mai-Heft von Gemeinde und Stadt dazu entschlossen, zu diesem Thema in dieser Ausgabe ausführlicher zu berichten.

Die Lage der Kommunalfinanzen ist desolat. Und schon jetzt beginnen die Bürgerinnen und Bürger zu merken, was passiert. Plötzlich gibt es nirgendwo mehr Geld für Bäder oder verfallende Schulen, für kulturelle Leistungen oder Drogenberatung. In einzelnen Gemeinden wird gar die Straßenbeleuchtung abgeschaltet oder auf „Sparflamme" umgeschaltet. Dabei hat der Streit um den blauen Brief für Deutschland aus Brüssel deutlich gemacht: Das alte Spiel, Solidität im Bund vorzutäuschen und die Kosten auf untere Ebenen abzuwälzen, lässt sich nicht länger durchhalten.

Die Maastricht-Kriterien beziehen sich auf die Gesamtverschuldung einer Nation und nicht nur auf den Bundeshaushalt. Die Finanzkrise der Gemeinden hat auch verheerende Folgen für die allgemeine Konjunktur. Etwa 70 Prozent der Investitionsausgaben der öffentlichen Hand entfallen auf die Kommunen. Wenn aber kein Geld mehr da ist, wird zunächst bei den Investitionen gespart. Das Fehlen oder Hinausschieben der kommunalen Investitionen aber schlägt sich verheerend bei der Bauindustrie und beim Mittelstand nieder. Was tut der Finanzminister: Er weist darauf hin, dass auch die Kommunen einen strengen Sparkurs fahren müssen, damit Deutschland seine Stabilitätskriterien erfüllen kann. Dies nach nun über 10 Jahren Vorenthaltung von fast 1 Milliarde EUR, die den Kommunen nach meiner Ansicht aus dem kommunalen Finanzausgleich zugestanden hätten. 2002/2003 ist der Höhepunkt erreicht.

Mit einer offensichtlichen Falschinformation aus dem Finanzministerium an das Parlament rechtfertigt die Landesregierung die Verstaatlichung der Grunderwerbsteuer; dies allein führt bekannt zu Einnahmekürzungen in Höhe von 40 Mio. EUR und Jahr! Was tut der Innenminister: Er fordert die Kommunen auf, eine Steuerbefreiung für aus Tierheimen abgegebene „Kampfhunde" in den Hundesteuersatzungen vorzusehen. Was tut der Finanzminister an anderer Stelle: Er lässt den Trägern von Sporteinrichtungen mitteilen, dass schon ein Bruchteil „wirtschaftlicher Nutzung" einer Sporthalle, etwa weil eine Kommune an einen Sportverein die Halle zur Durchführung einer Karnevalsveranstaltung vermietet, zur Umsatzsteuerpflicht des Betriebs der Einrichtung insgesamt führt: Heißt dies nicht auch, dass die Kommunen für die Umsetzung des § 15 Abs. 2 Sportförderungsgesetz, eine nur in Rheinland-Pfalz geltende landespolitische Spezialität, Sportanlagen in öffentlicher Trägerschaft kostenfrei zur Nutzung bereitzustellen, auf der Grundlage „fiktiver Nutzungsentgelte" jetzt auch noch die Umsatzsteuer zahlen müssen? Der Hinweis auf „Vorsteuereinnahmen" aus einer solchen Auslegung des Umsatzsteuergesetzes hilft da nicht, denn wer kann sich heute noch größere Investitionsmaßnahmen erlauben, die nicht nur Arbeitsplätze schaffen und sichern könnten, sondern auch zum Einziehen von Vorsteuern berechtigen würden.

Während Rheinland-Pfalz bei den wichtigsten Kennziffern – z. B. dem Bruttoinlandsprodukt – auf etwa fünf Prozent der Gesamtsumme der Bundesrepublik kommt, hat die Verschuldung der Kommunen durch Überziehungskredite („Kassenkredite") hier einen Spitzenwert der Verschuldung aller Gemeinden erreicht.

Das Volumen der Überziehungskredite, das in ganz Deutschland 1992 nur rund 80 Millionen EUR ausmachte, hat schon vor gut einem Jahr die Summe von rund 2 Milliarden EUR erreicht und steigt immer weiter. Viele Kommunen sind längst gezwungen, die laufenden Ausgaben für Personal und Sozialhilfe per Überziehungskredit zu finanzieren, was eigentlich nicht zulässig ist. Nun soll ein Umschulden in Schulden helfen. Aber, wird nicht dadurch der Hahn für neue Investitionen noch weiter zugedreht? (Stichwort: Freie Finanzspitze, ein Begriff, den man schon lange nicht mehr gehört hat!). Landkreise und Kommunen nehmen wegen der Steuerreform und der Gewerbesteuerumlage (man muss dem Bund statt früher 20 Prozent jetzt 30 Prozent abgeben) erheblich weniger ein. Hinzu kommen zurzeit die Einbrüche wegen des konjunkturellen Niedergangs. Trotzdem werden den Gemeinden ständig neue Aufgaben aufgebürdet.

Allein im Januar regte der Bundespräsident nach der Pisa-Studie an, kostenlos Kindergärtenplätze bereitzustellen, die Bundesfamilienministerin forderte Ganztagskindergärten, Ganztagsschulen sind ein Schwerpunkt der Regierungskoalition für die bis 2006 laufende Wahlperiode. Ein bundesweites „Sofortprogramm zu Stärkung der kommunalen Finanzkraft" hat der Gemeinde- und Städtebund auch mit seinem 10-Punkte-Plan gefordert: Die Gewerbesteuerumlage soll gesenkt, die im Steuersenkungsgesetz vorgesehene Gewerbesteuerfreiheit von Dividenden aus Unternehmensbeteiligungen und aus Veräußerungsgewinnen vollständig ausgesetzt werden.

Der Bund soll künftig für Langzeitarbeitslose aufkommen und die Bedarfszuweisungen an die Not leidenden Kommunen erhöhen, das Land verfassungsrechtlich zur Kostendeckung bei kommunaler Wahrnehmung staatlicher Aufgaben verpflichtet werden (Konnexitätsprinzip). Nur zu oft ist es vorgekommen, dass sich auch im Vermittlungsausschuss Bund und Länder, auch mit dem Votum der Landesregierung, auf Kosten der Kommunen geeinigt haben; s. mein Bericht im Heft Februar 2002. In einem stimme ich Finanzminister Mittler ohne wenn und aber zu, wenn er in einem Interview (Mainzer Rhein-Zeitung am 3. April, S. 7) erklärt: „Wenn etwa in Zukunft die Arbeitslosenhilfe von den Kommunen geleistet werden sollte, müssen sie dafür den vollen Ausgleich erhalten. Denn in Bezug auf die Belastung der Kommunen ist das Ende der Fahnenstange erreicht."


GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 04/2002

Manfred Seefeldt
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes