Der 250. Geburtstag des Freiherrn vom Stein


In einer Veranstaltung am 5. Oktober in Nassau, dem Geburtsort des Freiherrn, ist plötzlich nicht mehr die Rede von einer Verwaltungsreform, sondern von einer Kommunal- und Verwaltungsreform. Und dabei wird deutlich, dass man dem „und“ in diesem Begriff eigentlich keine Bedeutung mehr beimessen will.

Der Ministerpräsident hat unmissverständlich erklärt, dass die Reform der obersten Verwaltungsebene, der Ministerien und der Mittelebene in der jetzigen Konstruktion (ADD/SGD) für ihn als abgeschlossen anzusehen ist. Damit beschränkt sich die ursprünglich einmal als Gesamtreform apostrophierte Veränderung alleine auf die kommunale Ebene. Allenfalls sollen noch Aufgaben der Mittelinstanz auf die kommunale Ebene (Kreise/gfls. Verbandsgemeinden) verlagert werden.

Und hierin liegt eine große Gefahr.

Denn das Land hat zur Vorbereitung dieser Veränderung lediglich eine sog. „33er Liste“ vorgelegt, in denen Veränderungen von Zuständigkeiten dargestellt werden. Untersucht man diese Veränderungen genauer (und ich empfehle allen politisch Interessierten auf der kommunalen Ebene eine ausführliche Lektüre dieser Vorschläge für Änderungen bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben), dann stellt man fest, dass sich etwa ein Drittel der dort genannten Verlagerungen zwischen den Ministerien oder auf der Ebene von Mittelbehörden bewegen, ein noch größerer Anteil mit der Verlagerung von Aufgaben auf die Landkreise und die kreisfreien Städte und lediglich die Ziffern 6, 16, 18, 27 und 28 unmittelbar mit der örtlichen Situation im Verhältnis Ortsgemeinde/Verbandsgemeinde auseinander setzen. Dabei werden mit dem Übergang der Trägerschaft für Kindertagesstätten und für Grundschulen von den Ortsgemeinden auf die Verbandsgemeinden Zuordnungen vorgenommen, die mit unserem Verständnis der gemeindlichen Selbstverwaltung grundsätzlich nicht überein stimmen.

Denn nimmt man die Selbstverwaltungsgarantie des Artikel 28 Abs. 2 des GG wirklich ernst, dann differenziert dieser Verfassungsgrundsatz deutlich, dass Städte und Gemeinden als essentielles und identitätsbestimmendes Merkmal der gemeindlichen Selbstverwaltung das Prinzip der Universalität (Allzuständigkeit) des gemeindlichen Wirkungskreises im Gegensatz zur lediglich speziellen Kompetenz der Gemeindeverbände kraft ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung besitzen.

Deswegen gilt für die Aufgabenabgrenzung zwischen Gemeinden, Verbandsgemeinden und Kreisen ganz klar zugunsten der Gemeinden das Subsidiaritätsprinzip.

Deswegen hat der Gemeinde- und Städtebund sich zunächst einmal für die in den nachfolgenden acht Punkten festgelegte Grundausrichtung einer möglichen Reform ausgesprochen:

  1. Die Ortsgemeinden sind in ihrer Struktur und in ihrem Aufgabenbestand zu erhalten. Die Verbandsgemeinden sind als Träger eigener Aufgaben und als Verwaltungsebene Garant der Selbstständigkeit der Ortsgemeinden.
  2. Die rheinland-pfälzischen Gemeinden und Städte stehen den Bürgern am nächsten. Sie arbeiten bürgernah. Die Aufgaben, die für die Bürger vor Ort erfüllt werden können und die bisher noch auf anderen Ebenen erfüllt werden, sind den Gemeinden und Städten zu übertragen.
  3. Aufgabenzuweisungen müssen umfassend und einheitlich erfolgen. Sach- und Finanzverantwortung gehören in eine Hand.
  4. Doppelzuständigkeiten sind zu beseitigen. Dazu zählen auch Zuständigkeiten in „Briefträgerfunktion“.
  5. Aufgaben der Landkreise sind den kreisangehörigen Städten und Gemeinden in erheblichem Umfang zu übertragen.
  6. Soweit Aufgaben über das Gebiet einer Gemeinde oder Stadt hinausgehen, sind Kooperationen erforderlich. Das betrifft in gleicher Weise die Ortsgemeinde- und die Verbandsgemeindeebene. Eine „Hochzonung“ von Aufgaben ist nur erforderlich, wenn Einzugsgebiete das gesamte Gebiet eines Landkreises oder ein Gebiet darüber hinaus umfassen.
  7. Staatliche Aufgaben müssen in erheblichem Umfang näher an die Bürger herangebracht werden und demgemäß einerseits von Landesbehörden auf die Landkreise, andererseits von den Landkreisen auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden übertragen werden.
  8. Die Mittelstufe der staatlichen Verwaltung ist auf reine Aufsichtsfunktionen zurückzuführen.

Wenn wir wollen, dass unsere Bürger diese Reform mittragen und begreifen, dann müssen die Partizipation und politische Teilnahme der Bürger in überschaubaren und zugänglichen politischen Einheiten auf der Gemeindeebene erhalten bleiben. Wir brauchen die ehrenamtliche politische Gestaltung und die Professionalisierung der Verwaltung in überschaubaren gemeindlichen Situationen. Die bürgernahe Stufe der Verwaltung in Rheinland-Pfalz liegt in den Ortsgemeinden und den Verbandsgemeinden.

Deswegen müssen wir der Gefahr begegnen, dass Aufgaben von der gemeindlichen Ebene einfach deswegen nach oben „gezont“ werden, weil dann nicht mehr die unmittelbar gewählten örtlichen Vertreter hierüber entscheiden können und durch zu große „Bürgerferne“ oder angeblich fehlende Fachkunde die örtlichen Belange weniger beachtet werden müssen.

Wir müssen meines Erachtens über folgende Aufgabenbereiche und ihre Zuordnung (keine abschließende Aufstellung) reden:

  1. Ordnungsverwaltung (umfassend)
  2. Kindergärten und Vorschulerziehung
  3. Schulen
  4. Jugendamt und Jugendhilfe einschl. Förderung
  5. Vollzug des SGB (Sozialverwaltung)
  6. Landwirtschaft und Forsten
  7. Bodenschutz/Naturschutz, Planungs- und Bauordnungsrecht (insgesamt)

Die Zuordnung und Entscheidung in diesen Bereichen vor Ort stärkt die ehrenamtliche Verantwortung und sichert schnelle und bürgernahe Erledigung auf der Gemeindeebene.

Wie sagte schon der Freiherr vom Stein:

„Das zudringliche Eingreifen der Staatsbehörden in Privat- und Gemeindeangelegenheiten muss aufhören und dessen Stelle nimmt die Tätigkeit des Bürgers ein, der nicht in Formen und Papier lebt, sondern kräftig handelt, weil ihn seine Verhältnisse zur Teilnahme am Gewirre menschlicher Angelegenheiten nötigen.“

Wir sollten alle bei den anstehenden Überlegungen für eine Kommunal- und Verwaltungsreform ständig diese Zeilen Stein’s berücksichtigen.

Dann könnte es vielleicht doch was Vernünftiges werden!


GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 10/2007

Winfried Manns Vorsitzender des
Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz,
Bürgermeister der Verbandsgemeinde Konz und der Stadt Konz