Europawahl, Kommunalwahlen


Die zu wenig beachtete Europawahl und die insgesamt zu geringe Wahlbeteiligung müssen uns mit Sorge erfüllen. Wir feiern gerade 60 Jahre Bundesrepublik, 60 Jahre Grundgesetz. Wir blicken zurück auf sechs Jahrzehnte ohne Krieg, auf sechs Jahrzehnte in wirtschaftlichem Wohlstand, auf einen starken sozialen Rechtsstaat. Das alles wäre nie möglich gewesen, wenn die europäische Staatengemeinschaft uns Deutsche nicht wieder in ihre Mitte aufgenommen hätte und durch Zusammenschlüsse bis hin zur heutigen Europäischen Union eine Einheit geworden wäre.

Und was tun wir? Wir kehren der EU, schon seit Jahrzehnten, den Rücken, beäugen sie argwöhnisch und kritisch, während andere Mitgliedsstaaten längst die Vorteile erkannt und genutzt haben. Erst langsam (aber noch längst nicht überall) setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir auf der europäischen Ebene nicht nur politisch, sondern auch administrativ und seitens der Verbände mit unseren besten Leute vertreten sein sollten. Logisch, dass die Bevölkerung uns, den politischen Meinungsbildnern, das nachmacht und nicht wählen geht.

Von vielen nicht erwartete (deutliche) Ergebnisse werden den kommunalen Bereich neu sortieren. Das wird an einigen Stellen problemlos geschehen, an anderen Stellen werden sich, vielleicht unter Geburtswehen, neue Mehrheiten finden. Wichtig sollte uns allen sein, dass dabei die Sachüberlegungen im Vordergrund stehen.

Die Gewichtungen der Parteien und Wählergruppen haben sich verschoben, das wird in der Zusammensetzung unserer Verbandsgremien, die sich nun zu konstituieren beginnen, abgebildet werden. Wir nehmen zu Kenntnis, dass die kleineren Parteien und Gruppierungen stärker geworden sind.

Das darf aber nicht zu einer Zersplitterung der Kräfte führen, denn „nach außen“ sind wir ein Interessenverband, der nur dann schlagkräftig ist, wenn er geschlossen auftreten kann.

Zielgruppenarbeit

In diesem Zusammenhang darf ich auf die vom Land in die Diskussion gebrachte Gebietsreform zu sprechen kommen. Der GStB hat in mehreren Veranstaltungen allgemeine Informationen gegeben und Diskussionen durchgeführt. Dabei wurde im Mitgliederbereich ein differenziertes Meinungsbild erkennbar. Darauf müssen und werden wir reagieren. Und zwar in maßgeschneiderten Angeboten für jede Vorgehensweise.

Die Kommunen, die eine Fusion oder Kooperation grundsätzlich ablehnen, werden ebenso die Unterstützung des GStB erhalten, wie andere, die über Kooperationen bzw. Fusionen nachdenken wollen. Wir werden die rechtlichen Möglichkeiten einer Abwehr genau so kommunizieren, wie wir Kooperationsideen, zum Beispiel durch Bekanntmachen bereits heute funktionierender Einheiten, darstellen. Und wenn jemand fusionieren will, können wir ihm die Erfahrungen, Berichte und Gutachten aus Cochem zur Verfügung stellen.

Dennoch wird das alles nur eine Handreichung sein können, denn die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort gestalten sich völlig unterschiedlich. Die politische Entscheidung der jeweils Verantwortlichen können wir weder beeinflussen noch vorweg nehmen.

Daraus wird aber auch klar, dass der Verband sich nicht einseitig auf ein „Wir sind dagegen!“ oder auf ein „Wir machen mit!“ festlegen kann.

Schuldenbremse

„Die Staatsverschuldung ist zu hoch, die laufend zu zahlenden Zinslasten nebst Tilgungen strangulieren unserer Haushalte.“ Das haben wir schon oft gehört. Ob in der großen Politik oder im Gemeinderat, ob am Küchentisch oder am Stammtisch: Alle sind einer Meinung.

Also müsste man meinen, das Problem sei in den Griff zu kriegen. Aber nein, unser Bundestag, der mit eigenem Haushaltshandeln (= echtes Sparen) oder mit einem einfachen Gesetz hier durchaus selbst tätig werden könnte, gibt seine politische Verantwortung an das Grundgesetz (und damit später an das Bundesverfassungsgericht) ab und will die Schuldenbremse in der Verfassung festschreiben. Das ist das eine, nämlich die politische Unfähigkeit zum eigenen, manchmal auch schmerzhaften Tun.

Das andere ist ebenso erschreckend. Auf die Frage, ob es nicht auch Situationen geben könne, die eine Neuverschuldung wirtschaftlich, politisch und psychologisch dringend erfordern (siehe das gerade mit viel Jubel aufgelegte Konjunkturpaket II), bekommt man die Antwort: „Dann können wir ja die Verfassung wieder ändern.“

  1. Die Verfassung ist nicht dazu da, dass man mit ihr aus politischem Tagesgeschäft heraus rumspielt.
  2. Verfassungsändernde Mehrheiten von zwei Dritteln wird es in Zukunft vielleicht gar nicht mehr so leicht geben, wenn der Bundestag sich weiter zersplittert bzw. die kleinen Parteien so stark werden, dass auch eine große Koalition unter 67 % bleibt. Und dann guckt man komisch in die Gegend.



GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 06/2009

Heinz-Joachim Höfer
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes