Die angelegten Kriterien seien zwar durchaus nachvollziehbar, aber warum sie im einen Fall angewendet wurden, im anderen Fall nicht, ist eine häufig gestellte Frage der Betroffenen. Mangelnde Information durch das ISM, aber auch durch den eigenen Spitzenverband, wird beklagt. Zu geringer Widerstand des GStB gegen diese Pläne, keine Berücksichtigung des guten Funktionierens auch kleinerer Einheiten, die sich derzeit gut aufgestellt haben und die sich durch Fusionen nur verschlechtern könnten. Bei denen, die (nur) kooperieren sollen, insbesondere wenn der Nachbar eine Kreisfreie Stadt ist, wird schnell der Schluss gezogen, dass die dortigen Strukturen nur bedingt zu solchen Kooperationen einladen.
Auch wird zu Recht kritisiert, dass die „64er-Liste“ mit den veränderten Verwaltungszuständigkeiten immer noch nicht verabschiedet ist, der dritte Schritt (Gebietsreform) also vor dem zweiten Schritt (Aufgabenzuweisung) erfolgt.
Kurzum: Die Diskussionen sind im Mitgliedsbereich des GStB voll angekommen. Und nur dort. Das ist politisch durchaus gerne gesehen. Eine Baustelle genügt, andere sollen später bearbeitet werden. Und innerhalb des GStB ist die Bandbreite – und damit auch das Stimmungsbild – so riesengroß, dass ein einheitliches Aufbäumen des Verbandes nicht zu erwarten ist. Wie schön für „Politik“.
Eigentlich könnte man ja sagen: Es ist doch „nur“ eine Diskussionsgrundlage, die uns erinnern soll, dass die Welt in 15 bis 20 Jahren nicht mehr die heutige sein wird, und dass wir uns bitte schön darauf einzustellen haben. Das tun verantwortungsvolle Räte und Bürgermeisterinnen und Bürgermeister durchaus, und sie tun es ohne Zwang.
Und genau da kommt ein weiterer Kritikpunkt am Vorgehen der Landesregierung ins Spiel: Wer es bis 2012 nicht freiwillig gepackt hat, der wird (zusammen)gepackt. Und das per Gesetzeszwang. Das hat bei sehr vielen großen Unmut hervorgerufen. Manche spekulieren nun auf die dazwischen liegende Landtagswahl 2011.
Die Landesregierung agiert in Richtung Wähler sehr geschickt. Durch die bundesweit einmalige Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Fachkongressen, durch die Einbeziehung der kommunalen Mandatsträger über die Regionalkongresse und die jetzt laufende Bürgerbefragung kann man bei gleichzeitiger Regungslosigkeit im politischen Raum später durchaus Zustimmung für das eigene Vorgehen konstatieren.
Im Vorstand des GStB sind wir uns einig darüber, dass wir in Richtung Landtag und Landesregierung sowie der Presse immer wieder unsere oft und deutlich geäußerten Positionen wiederholen müssen, um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Unseren Mitgliedern lassen wir eine kompetente und ergebnisoffene Beratung zukommen, die auf den Einzelfall abgestimmt ist und die im weiteren Verlauf durch Spezialisten ergänzt und vertieft werden kann. Wir wollen auch weiterhin ein konstruktiv arbeitender Verband sein, dessen Meinung man ernst nimmt, auch wenn man sie nicht teilt. Mit Verweigerungshaltungen kommen wir nicht weiter. Dass wir dabei den Spagat zwischen den unterschiedlichsten Interessen und Erwartungshaltungen unserer Mitglieder machen müssen, macht die Arbeit nicht leichter. Aber dieses Vorgehen ist alternativlos. Im Nachhinein betrachtet, davon bin ich überzeugt, werden wir die Mitgliederinteressen objektiv und gut vertreten haben.
Zukunft der ARGEN
Als vor einigen Jahren die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe verwaltungstechnisch zusammengelegt wurde, sprach man von einem großen Wurf. „Hilfe aus einer Hand“, „Fördern und Fordern“ lauteten die Schlagworte. Die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen machten sich gemeinsam auf einen steinigen Weg. Daneben gab es auch noch 69 Kommunen, die die Aufgabe alleine, also ohne Mitwirkung der BA übernahmen (sog. Optionskommunen) und es gab die (wenigen) Fälle, in denen Kommune und BA jede für sich ihre Klientel betreute und die jeweilige Aufgabe wahrnahm. Der Normalfall aber war die ARGE, also ein Zusammenschluss zweier Behörden unter einem Dach mit einheitlichem Auftreten nach außen gegen über den zu betreuenden Menschen. BA und Kommunen entsandten ihre bisher schon mit der Materie gut vertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die neue ARGE.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es, ein einigermaßen funktionierendes System zu schaffen, dass auch erfolgreich arbeitet. Hiergegen wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen und das Gericht erteilte dieser „Mischverwaltung“ von Bundes- und Kommunalbehörden eine Absage: Verfassungswidrig! Zu ändern bis spätestens Ende 2010!
Im politischen Raum, auf Bundes- und auf Landesebene, war man sich nach langen Diskussionen durchaus einig, mittels einer Grundgesetzänderung diese Mischverwaltung als eigenständigen Verwaltungstyp zu erhalten. Ziemlich überraschend hat die CDU-Bundestagsfraktion, sogar gegen den Willen der unionsregierten Bundesländer, ihre Bereitschaft zur Verfassungsänderung ad acta gelegt. Damit ist die Zukunft äußerst ungewiss.
Unser Appell an die politisch Verantwortlichen lautet: Wenn man schon keine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in einer Behörde hinbekommt, sondern mit zwei Behörden, wenn auch unter einem Dach, weiterarbeiten will, dann muss die Trennungslinie zwischen der Arbeitsvermittlung einerseits (durch die BA) und der Leistungsgewährung andererseits (durch die Kommune) verlaufen. Der alte Zustand, als BA und Kommunen parallel nebeneinander für die Gewährung finanzieller Leistungen zuständig waren, ist verwaltungsmäßig unsinnig und eine unnötige Belastung der Hilfe suchenden Menschen.
Gleichzeitig ist uns bewusst, dass wir als Dienstherren eine große Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben, die sich auf unseren Wunsch hin in der ARGE engagieren, nachdem die Aufgabe in unseren Häusern weggefallen war. Wir werden sie weder einer ungewissen Zukunft aussetzen, noch ihnen die Rückkehr in unsere Verwaltungen verweigern können.
GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 04/2009
Heinz-Joachim Höfer
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes