Ich freue mich auf die neue Aufgabe und will mich – gemeinsam mit Ihnen allen – dafür einsetzen, dass die kommunalen Interessen in der Politik des Landes und des Bundes angemessen Berücksichtigung finden. Je größer der Gestaltungsspielraum der Gemeinden, desto größer ist auch die Bereitschaft der Bürgerschaft, für Gemeinwohl und Staat einzutreten. Eine wichtige Aufgabe des GStB sehe ich darin, dass die Gemeinden rechtlich und finanziell möglichst viel Entscheidungsspielraum erhalten.
Seit 1991 bin ich Bürgermeister der Verbandsgemeinde Prüm. Einer Verbandsgemeinde mit 44 Ortsgemeinden (einschließlich der Stadt Prüm) und einer Flächengröße von über 46.000 ha. Ehrenamt und Bürgernähe sind hier, aber gleichermaßen in ganz Rheinland-Pfalz, Garanten unserer kommunalen Selbstverwaltung.
Ehrenamt
Mit unserer diesjährigen Mitgliederversammlung in Trier wird für mich immer unser Erfolg in der Rentenfrage für Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister verbunden sein. Wir werden auch noch eine langfristige Lösung finden, die das Ehrenamt auf Ortsebene sichern hilft. Dieser Erfolg für das Ehrenamt hat aber auch gezeigt: Landes- und Bundespolitik reagieren dann schnell, wenn Städte und Gemeinden im ländlichen Raum gemeinsam für ihre Interessen eintreten.
Das Ehrenamt wird für lebendige Gemeinwesen immer unverzichtbar sein.
Die Zukunft wird für unsere Städte und Gemeinden geprägt werden durch die Veränderungen der Bevölkerungszahl und -struktur. Wir werden weniger und vor allem älter.
Gerade die Veränderung der Altersstruktur birgt neue Aufgaben und Chancen für die Kommunen mit der zunehmenden Flexibilisierung und Mobilität in der Arbeitswelt. Durch das endgültige Ende der Drei-Generationen-Familie werden insbesondere im Bereich der Kinderbetreuung und damit verbunden der Kindererziehung die Anforderungen an die Gemeinwesen wachsen.
Um Generationen übergreifend positive Werte und Haltungen zu Gemeinwesen und Gemeinschaft nicht nur theoretisch zu vermitteln, müssen wir neue nachbarschaftliche Netzwerke schaffen helfen. Dies ist eine ganzheitliche Aufgabe, die städtebauliche Maßnahmen ebenso erfordert wie sozialpädagogische, also Gemeinwesenarbeit im umfassenden Sinne.
Hier werden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Räte und Verwaltungen in ganz neuer Weise gefordert sein; vor allem gilt es, Menschen für bürgerschaftliches Engagement zu gewinnen: weg von der Fernsehcouch und aktiv werden in der Theatergruppe, der Bürgerversammlung, dem Sport- und Musikverein. Dies alles vor dem Hintergrund zunehmender „Angebote“ der Unterhaltungskomplexe aus Fernsehen, Internet usw.
Die Gemeinden sind aufgefordert, Mut zum Gestalten und zur Selbsthilfe zu entwickeln, denn aktive Gemeinwesen sparen auch „Sozialreparaturkosten“. Bürgerschaftliches Engagement ist nicht bezahlbar.
Bürgernähe
Stuttgart 21 hat die Diskussion der letzten Wochen beherrscht. Da ist viel von mangelnder Bürgerbeteiligung und -information die Rede. Neue Formen der Information und Beteiligung werden eingefordert oder angeregt. Gleichzeitig soll es mehr Planungssicherheit und schnellere Planungsprozesse geben.
Zuweilen kommt einem dies vor, wie die Quadratur des Kreises. Manches sollte uns aber Hinweis gerade in der Diskussion um die Verwaltungs- und Gebietsreform sein. Es gibt im Bereich der Politik nicht nur eine bürokratisch-wirtschaftliche Effizienz. Die Bürgerinnen und Bürger wollen den kommunalen Entscheidungsprozess auch aktiv begleiten können. Dies können sie aber umso besser, je überschaubarer , je näher sie an den Entscheidungsträgern sind. Der beste Weg zu viel Bürgerbeteiligung ist Entscheidungskompetenz möglichst ortsnah anzusiedeln!
Hier sind die Kommunikationswege zwischen Betroffenen und Entscheidungsträgern kurz. Diese kurzen Wege führen dazu, dass sich die Menschen auch nach kontrovers geführten Diskussionen mit den Entscheidungen identifizieren.
Deshalb muss in der Diskussion um die Verwaltungs- und Gebietsreform nicht nur über wirtschaftliche Effizienz, sondern auch über die Frage der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an den Entscheidungsprozessen gesprochen werden. Es gibt keine „per se“ höhere Sach- und Fachkompetenz auf einer höheren, vom Ort der primären Wirkung einer Entscheidung weiter entfernten Ebene.
Es sollte eher ein „prä“ für die ortsnahe Entscheidungs- und Verwaltungsebene geben.
Rheinland-Pfalz sollte die Wege vom Bürger zur Verwaltung kurz halten. Das ist die beste Maßnahme gegen Politik- und Staatsverdrossenheit.
GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 12/2010
Aloysius Söhngen
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes