1. Der neue Landtag und die neue Landesregierung haben ihre Arbeit aufgenommen.
Im Mai hat sich der im März neugewählte Landtag konstituiert. Zahlreiche neue Abgeordnete, ja eine ganz neue Fraktion, nehmen an der Gesetzgebungsarbeit in Rheinland-Pfalz verantwortlich teil.
Den verbliebenen wie den neuen Abgeordneten wünschen wir allzeit gute Beratungen und Entscheidungen zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger und bieten als Vertretung der kreisangehörigen Gemeinden und Städte in Rheinland-Pfalz unsere Zusammenarbeit und Unterstützung zum Wohle der rheinland-pfälzischen Kommunen an.
Mit dem neuen Landtag haben wir auch eine neue Landesregierung erhalten. In ihr wirken neu ernannte, wie im Amt bestätigte Minister. Den ausgeschiedenen Ministern danken wir für die langjährige konstruktive Zusammenarbeit.
In den nächsten Wochen und Monaten möchten wir, als Verantwortliche des Gemeinde- und Städtebundes, mit allen Mitgliedern der Landesregierung Gespräche führen, um die Anliegen unserer Gemeinden und Städte für die neue Wahlperiode vorzutragen.
Insbesondere hoffen wir auf eine Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen, die weiterhin desaströs ist, obwohl nach den Steuerschätzungen des Monats Mai auch die Gemeinden in Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren mit deutlichen Steuermehreinnahmen rechnen dürfen, da die wirtschaftliche Entwicklung außerordentlich positiv verläuft.
Entscheidend hierfür ist vor allem der hohe Zuwachs bei der Gewerbesteuer, die wichtigste gemeindliche Steuereinnahmequelle. Durch die sich so verbessernde landesdurchschnittliche Steuerkraft profitieren auch die steuerschwachen Kommunen über die Schlüsselzuweisung A von der günstigen Entwicklung.
Eine gute Nachricht für die Gemeinden und Städte auch in Rheinland-Pfalz ist die Information aus Kreisen der Gemeindefinanzreform-Kommission, dass es bei der Gewerbesteuer in dieser Legislaturperiode des Bundestages keine Veränderung geben wird.
Trotz alledem wird es weiter darauf ankommen, Entlastungen zu erreichen insbesondere auf der Ausgabenseite. Wenn Bund und Länder bestellen, dann sollen sie bitte auch zahlen!
Dies gilt insbesondere für die wichtigste kommunale Investition in den nächsten Jahren, dem Kindertagesstättenausbau. Wenn die Ziele von Bund und Ländern erreicht werden sollen, muss allerorts erheblich investiert werden und hier werden nicht nur Bundesmittel gefordert, sondern auch das Land muss eigene Mittel einsetzen. Der gerade vorgelegte Bericht zum Kindertagesstättenausbau im Bund sieht die ambitionierten Ziele in Rheinland-Pfalz als nicht ausfinanziert an; hier ist Nachbessern gefragt.
2. Die Energiewende im Bund
Endgültig besiegelt wurde im Mai der Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie; 2022 soll der letzte Atommeiler vom Netz gehen.
Die Energieversorgung ohne Kernkraft sicherzustellen bedeutet nicht, Atomstrom aus dem Ausland zu importieren.
Wenn das ambitionierte Programm der Bundesregierung umgesetzt werden soll, ohne den Industriestandort Deutschland zu gefährden, dann erfordert dies gewaltige Anstrengungen - auch in unseren Kommunen. Die Investitionen in erneuerbare Energien und neue Netze sind vor allem Investitionen im ländlichen Raum. Nur dort können aus Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse in nennenswertem Umfang neue Energieerzeuger entstehen. Hier muss Flächenvorsorge getroffen werden. Aber: es sollte nicht gegen die, sondern mit den Kommunen geplant werden. Denn die Konflikte entstehen vor Ort und müssen auch vor Ort gelöst werden können.
Wir in den Kommunen selbst müssen uns aktuell davor hüten, beim Blick auf potentielle Windräder, „Dollar-Zeichen“ in die Augen zu bekommen, denn es muss sorgfältig abgewogen werden, wo die entsprechenden Anlagen entstehen sollen, die in der Tat die Landschaft verändern und häufig Spannungen innerhalb und zwischen den Ortsgemeinden verursachen.
Rein abstrakte Vorgaben sind wenig effizient. Sinnvoll wäre eine Veränderung der rechtlichen Vorgaben bei der Zulässigkeit von Windenergieanlagen dergestalt, dass die kommunalen Handlungsoptionen erheblich erweitert würden. Das betrifft nicht nur die bauplanungsrechtliche Privilegierung der Anlagen nach § 35 BauGB in ihrer heutigen Ausgestaltung, sondern beispielsweise auch eine künftige planerische Zurückhaltung auf der Ebene der Raumordnung mit dem Ziel, dass die Steuerung der Standortgrundstücke in erster Linie vor Ort getroffen wird. Erforderlich sind aber auch die gesetzliche Absicherung einer solidarischen Verteilung der zu erzielenden Einnahmen und erweiterte gemeindewirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten (Gemeinden und Verbandsgemeinden als Betreiber).
Unter solchermaßen geänderten Rahmenbedingungen wäre es dann im Einzelfall auch möglich, dass die Orts- und Verbandsgemeinden ganz gezielt Baugebiete für Windkraftanlagen im Sinne einer Angebotsplanung auswählten (ähnlich wie bei herkömmlichen Wohn- und Gewerbebaugebieten), um auf diese Weise - insbesondere auch - die Einkommenskonflikte auf Ortsebene zu entschärfen. Natürlich müssen auch dabei die naturschutzrechtlichen und sonstigen Aspekte beachtet werden. Über eine solche Angebotsplanung ließen sich wesentlich leichter örtliche Konflikte lösen, als über die rein abstrakte Anwendung des Abwägungsgebotes gemäß dem Baugesetzbuch.
Aber eine solche umfassende Änderung wird kaum zu erwarten sein. Wir müssen in unseren Ortsgemeinden sorgsam und offen mit den Herausforderungen der Energiewende umgehen und dafür sorgen, dass sowohl die Gewinne, als auch mögliche negative Auswirkungen auf die Gemeinden und Grundeigentümer gerecht verteilt werden.
Liebe Leserinnen und Leser, Sie sehen, die Kommunalpolitik bleibt auch in den nächsten Jahren spannend. Wir werden versuchen müssen, Freiräume für unsere Gemeinden und Städte im Dialog mit Landtag und unserer Landesregierung zu erhalten und zu erkämpfen. Auch, indem wir zeigen, dass wir vor Ort die richtigen Antworten auf die Probleme unserer Zeit geben.
GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 06/2011
Aloysius Söhngen
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes