Bericht des Vorsitzenden Juni 2013


Der Staatsgerichtshof in Wiesbaden stellt seiner Entscheidung vom 21.05.2013 u. a. die folgenden amtlichen Leitsätze voran:

  • Die Gemeinden haben einen aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht abgeleiteten Anspruch gegen das Land Hessen auf angemessene Finanzausstattung.
  • Die Garantie einer angemessenen Finanzausstattung verlangt jedenfalls, dass die Kommunen in der Lage sind, neben Pflichtaufgaben auch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Über diese Mindestausstattung hinaus haben die Kommunen einen von der Finanzkraft des Landes abhängigen weitergehenden Anspruch auf Finanzausstattung.
  • Die Aufgaben der Kommunen bilden den verfassungsrechtlichen Maßstab, der den Umfang der angemessenen Finanzausstattung bestimmt. Der Landesgesetzgeber kann seiner Verpflichtung zu einer aufgabengerechten Finanzausstattung nur nachkommen, wenn er die Höhe der zur kommunalen Aufgabenerfüllung notwendigen Finanzmittel kennt. Dies setzt eine Ermittlung des durch Aufgabenbelastung und Finanzkraft vorgezeichneten Bedarfs der Kommunen voraus. Die Bedarfsermittlung erstreckt sich auch auf den horizontalen Ausgleich, der unterschiedliche Bedarfslagen der kommunalen Gebietskörperschaften zu berücksichtigen hat.

Die Entscheidung besitzt, wie der Hessische Städte- und Gemeindebund zu Recht feststellt, bundesweite Bedeutung. Das Land, gleich ob Hessen, Rheinland-Pfalz oder ein anderes, ist letztverantwortlich für die kommunale Finanzausstattung. Es muss demgemäß die Kommunen in die Lage versetzen, ihre Aufgaben finanzieren zu können. Das gilt auch für Lasten, die Bund und EU zu vertreten haben. Dies ist oberster Maßstab bei der Ausstattung und Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs.

Und in Rheinland-Pfalz?

Der von der Landesregierung beschlossene Gesetzentwurf zur LFAG-Änderung wurde Ende April in den Landtag eingebracht, beraten und in die Ausschüsse verwiesen. Gegenüber dem Referentenentwurf gibt es nur kleine Änderungen. In der zentralen Frage des „spürbaren Beitrags“ des Landes zur Verbesserung der kommunalen Finanzen bleibt es bei einem Betrag von 50 Mio. €.

Der GStB ist, wie auch Landkreistag und Städtetag, der Auffassung, dass damit die Entscheidung des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs vom 14.02.2012 nur unzureichend umgesetzt wird. Wir erhoffen uns eine deutliche Verbesserung im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens.

Vorsorglich haben der Vorstand und der Landesausschuss des GStB die Erstellung eines Rechtsgutachtens zur Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des ab 2014 geltenden LFAG beschlossen. Gerade vor dem Hintergrund der dargestellten Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs, der weitergehende Feststellungen bezüglich der verfassungsgemäßen Anforderungen an eine angemessene kommunale Finanzausstattung trifft, erscheint dies aus unserer Sicht erforderlich. 

Zensus gibt dem Land die Chance zur Korrektur!

Durch die Ergebnisse des Zensus aus 2011 haben sich Verschiebungen unter den Bundesländern u.a. zugunsten von Rheinland-Pfalz ergeben. Dies führt zu Mehreinnahmen des Landes aus dem Länderfinanzausgleich in dreistelliger Millionenhöhe. Spätestens jetzt kann sich das Land nicht mehr um eine stärkere Dotierung des Kommunalen Finanzausgleichs mit originären Landesmitteln herumreden. Und dabei gilt es nun, nachdem bisher der Schwerpunkt der Reform ausschließlich bei den Kreisen und Städten lag, auch den kreisangehörigen Raum, also unsere Mitgliederschaft, deutlich zu stärken.

Keine Umverteilung zu Lasten der kreisangehörigen Gemeinden! 

Die (erforderliche) Entlastung der Träger der Jugend- und Sozialhilfe erfolgt nach dem bisherigen Gesetzentwurf zur LFAG-Änderung weit überwiegend durch Umverteilungen innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs. Wie die Ergebnisse der Berechnungen von Prof. Dr. Junkernheinrich zeigen, geht dies ganz eindeutig zu Lasten der kreisangehörigen Gemeinden. Insbesondere die Ortsgemeinden werden unter Berücksichtigung der im Ergebnis weiter steigenden  Kreis- und Verbandsgemeindeumlagen erheblich belastet.
Aus Sicht des GStB ist dies inakzeptabel und wird dem Auftrag des VGH nicht annähernd gerecht. Die Entlastung der Träger der Jugend- und Sozialhilfe muss vorrangig durch zusätzliche Landesmittel erfolgen und nicht durch eine Umverteilung innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs.

Das Land steht in der Pflicht, auch für die kreisangehörigen Gemeinden eine angemessene Finanzausstattung sicherzustellen und ihnen freie Selbstverwaltungsaufgaben zu ermöglichen. 


2019? Ja, aber aus einem Guss!

Ein Wort noch zu den neuen Entwicklungen bei der Gebietsreform. Dass zumindest bei den Fusionskandidaten, die noch auf dem Weg der Freiwilligkeit sind, unter gewissen Voraussetzungen eine Verschiebung des Zusammenschlusses bis 2019 ermöglicht wird, verstehen wir als Entgegenkommen des Landes gegenüber den betroffenen Kommunen. Und deswegen befürworten wir dieses Angebot. 

Allerdings – und das ist die negative Seite dieses Angebots - werden die Fallkonstellationen noch zahlreicher und ihre Vielfalt noch unüberschaubarer. Und die Kreisgrenzenproblematik ist nach wie vor nicht gelöst.

Deshalb: Um endlich wieder die Möglichkeit der Reform aus einem Guss unter Berücksichtigung aller Ebenen zu haben, fordern wir ein generelles Verschieben der Reform mit Ausnahme freiwilliger Zusammenschlüsse nach 2019. Das wäre konsequent und diente der Klarheit. 

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche uns allen, die wir in unseren Gemeinden, Städten und Verbandsgemeinden tätig sind, erholsame Urlaubstage. Ich freue mich auf unsere weitere Zusammenarbeit nach der Sommerpause.

Herzlich
Ihr Ralph Spiegler


GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 06/2013

Ralph Spiegler
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes