Sommernachtsträume


In diesem Jahr sind die Sommernächte zwar gelegentlich warm oder lau, dafür aber - ebenso wie die Tage - grau und häufig regnerisch. Entsprechend fallen dann auch die Träume aus.

Unser Traum war, im RWE-Bereich eine längerfristige, verbindliche Preisregelung durch die 1999 angebotene Treuebonusvereinbarung zu haben. Die meisten Gemeinden und Städte haben sich für eine dreijährige Erstlaufzeit bis Ende 2004 entschieden. Auf bestimmte Zeit angelegte und versprochene Treue hat offensichtlich nach der Liberalisierung des Strommarktes in der Zwischenzeit einen anderen Stellenwert. Jedenfalls versucht das RWE, möglichst schnell - und das heißt Ende dieses Jahres und nicht erst Ende 2004 - aus den Verträgen heraus zu kommen.

Bei vielen Bürgermeistern hat sich darüber Frustration und Enttäuschung breit gemacht. Dies ist sicherlich auch gerechtfertigt, wenn man sich vor Augen hält, dass es das Ziel des RWE war, die Kommunen möglichst lange und intensiv an den Stromlieferanten RWE zu binden. Zwei Jahre später ist das alles nicht mehr wahr und wird unter völlig anderen Gesichtspunkten betrachtet.

Es ist jedenfalls schade, dass eine jahrzehntelange, intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit am Schluss in juristischen Auseinandersetzungen endet.

Was den kommunalen Kunden des RWE an dieser Stelle droht, ist ein neues Preisgefüge. Es wird nicht nur deutlich über dem Preisniveau der Verträge ohne Treuebonus liegen. Allein das macht schon die Notwendigkeit aus, für möglichst lange Laufzeiten zu kämpfen. Zukünftig werden die einzelnen Kommunen individuelle Angebote bekommen.

Damit werden die gerade Anfang dieses Jahres und Ende letzten Jahres häufig geäußerten Befürchtungen, dass die ländlichen Räume bei der Strompreisentwicklung benachteiligt werden, zur bitteren Wahrheit. Der Nordteil des Landes wird - nach Auslaufen der Verträge - die ersten Erfahrungen mit differenzierten Strompreisen haben. Und damit niemand meint, so schlimm würde es schon nicht: Die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, die sich teilweise haben „breit schlagen lassen", die Verträge mit dem RWE zum Ende dieses Jahres zu beenden, haben in der Zwischenzeit neue Angebote erhalten, die von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich (und deutlich teurer als bisher) sind.

Möglichkeiten, an dieser Stelle zu reagieren, wird man nur in gemeinsamen Ausschreibungen (Bündelausschreibungen) der Kommunen sehen können. Eine erste solche Bündelausschreibung konkretisiert sich derzeit im Umfeld von Koblenz und im Westerwald.

Sommernachts(alb)träume kann man auch bekommen, wenn man sich - wie es sich für Urlaubszeiten gehört - nach dem Stand der laufenden Angelegenheiten erkundigt. Wie steht's denn mit dem Abbau von Standards?

Erinnern wir uns: Trostpflaster und Maßnahme gegen die katastrophale Finanzmittelausstattung und -entwicklung der Kommunen war eine in Aussicht gestellte Reduzierung von Standards, allerdings als eigene Möglichkeit der Kommunen, also individuell von jeder Gemeinde mit ihren Bürgern zu diskutieren und umzusetzen.

In der Zwischenzeit sickerte die Nachricht durch, dass dieser Ansatz von den Verfassungsrechtlern als kritisch - ja, wahrscheinlich verfassungswidrig - eingestuft wird.

Damit sind wir dann wieder einmal auf der üblichen Diskussionsbasis für Neuerungen und Veränderungen unseres Gesellschaftssystems und der Leistungserstellung der öffentlichen Hand angekommen:

Erstes Bedenken: Verfassungswidrigkeit,

Zweites Bedenken: Erhebliche Haftungs- und Schadensersatzansprüche.

Es hat dann allerdings ein Gutes: Derjenige, der die Standards gesetzt hat – der Gesetzgeber; sei es der Bundes-, sei es der Landesgesetzgeber –, muss sie auch reduzieren, abschaffen, einschränken oder einzelne Ausnahmen davon zulassen. Ob es dazu allerdings kommt und ob der Leidensdruck der Kommunalpolitik Landes- und Bundespolitiker wirklich ausreichend erreicht, kann man füglich bezweifeln und deswegen wird der Albtraum wohl auch so schnell nicht zu Ende gehen, frühestens: Am Sankt Nimmerleinstag.

Und noch ein anderer Traum zerplatzte in der Sommernacht: In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages wurde das Vorhaben des Ministeriums für Umwelt und Forsten, die Landesforstverwaltung zu einem „Quasi-Landesbetrieb" zu machen, für unzulässig erklärt. Die Juristen fanden, dass es nach Landeshaushaltsrecht entweder einen Landesbetrieb (vergleichbar einem Eigenbetrieb im kommunalen Bereich) oder einen Nichtlandesbetrieb, aber jedenfalls keinen „Quasi-Landesbetrieb" gibt. Schon in Diskussionen mit den kommunalen Waldbesitzern, die ja als größte Kunden für den Landesforstbetrieb zu betrachten sind, wurde uns die Logik eines Quasi-Landesbetriebes so ganz nicht deutlich.

Also wird auch die Landesforstverwaltung sich damit zu einem normalen, haushaltsmäßig und innerorganisatorisch in bestimmtem Umfang verselbständigten Landesbetrieb entwickeln. Eine – wenn man die Leistungsbezogenheit der Landesforstverwaltung betrachtet – richtige und angemessene Entwicklung.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 07/2002

Reimer Steenbock
Geschäftsführendes  Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes