Wenn auch der Anlass – Überfall auf eine Schülerin mit Vergewaltigung auf einem Schulgelände vor einigen Wochen – schlimm und ernst genug zu nehmen ist, muss man sich doch fragen, ob wir denn solche Verbrechen in Zukunft zum Anlass nehmen wollen, unsere Schulen und damit unsere Kinder einzuzäunen, am Besten gleich einzuschließen? Und was ist dann mit dem Tor zum Schulgelände oder der Tür in die Schule? Zugangskontrolle mit Pförtner?
Immerhin hat uns diese Aktion zur rechten Zeit eine neue Facette der Standarddiskussion beschert. Für alle, die es noch nicht so erlebt haben: So werden Standards gemacht! Es gibt einen schlimmen Einzelfall und schon muss überall etwas getan werden.
Aber nicht nur unsere Kollegen von der staatlichen Seite wissen, wie es geht. Gleichzeitig geistert ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts durch die landes- und kommunalpolitische Landschaft, dass Kindergartenkindertransporte zukünftig nur mit zusätzlicher Begleitung, jedenfalls aber nur mit entsprechender Aufsicht, zulässig sind. Begründung:
Verkehrssieherungspflicht. Und was auf dieser Welt ist wichtiger als Verkehrssicherungspflicht, denken wir doch nur an das in jedem Frühjahr nach der Frostperiode erforderliche Grabsteinrütteln. Wie schnell wird auch jemand vom Grabstein erschlagen oder liegt drunter. Also auch die Richter liegen noch voll im Trend der Standarderhöhung und nicht des Standardabbaus.
Wenn es weiter zu den Trends unserer Zeit gehört, dass öffentliche Entwicklungen in Pendelbewegungen vor sich gehen, dann hat die Aktion zur Befreiung der Kampfhunde und zur Förderung der Kampfhundhaltung demnächst Erfolg. Jedenfalls sieht sich die Geschäftsstelle und die Führung des GStB mit massiven Forderungen konfrontiert. Dabei rede ich nicht von den selbsternannten Tierschutzaposteln, die von „frei erfundenen Rassenlisten", „willkürlicher Diskriminierung", „zwangsinhaftierten Hunden", „skrupellosen Politikern, die den Tieren das Leben nicht gönnen" usw. usw. reden, auch die gibt es. Nein, auch ernsthafte Organisationen wie der Tierschutzbeirat des Landes oder das Innenministerium bemühen sich unter dem Vorzeichen überfüllter Tierheime (zweifellos eine zutreffende Beschreibung) um die Beseitigung der Diskriminierung der Kampfhunde.
Wie sonst wären wohl Vorschläge oder Forderungen zu verstehen, die erhöhte Hundesteuer für Kampfhunde abzuschaffen, um Kampfhunde leichter vermittelbar zu machen? Oder wie sonst sind Vorschläge zu verstehen, die Hundesteuer für alle aus dem Tierheim vermittelten Hunde für eine gewisse Zeit zur Förderung auszusetzen oder zu erlassen?
Bei aller Liebe zum Tier: Sind nicht die Menschen und ihr gedeihliches, sicheres Zusammenleben immer noch wichtiger? Natürlich fangen Probleme der Hundehaltung beim Menschen an. Menschen haben Hunderassen gezüchtet, die potenziell gefährlicher sind als andere, Hunderassen, die auf Beißen, Beißfähigkeit, Furchteinflößen, Angst beim Anderen gezüchtet worden sind. Und deshalb müssen sich alle anderen dem Risiko aussetzen und aussetzen lassen? Nein, bleiben wir lieber dabei: Die Hundesteuer ist seit ihrer Erfindung auf prohibitive Wirkung ausgelegt. Das ist gut so und das wollen wir nicht aufgeben, besonders nicht bei Kampfhunden.
Und die Förderung der Übernahme von Hunden aus Tierheimen? Ich habe einmal gelernt, dass der Großteil der Hunde in Tierheimen deshalb dort gelandet ist, weil ihr Herr- und Frauchen sie nicht mehr haben wollten. Mit einem Beispiel: Während des Urlaubs hat man keine Unterbringungsmöglichkeit für den Hund, also ist das Aussetzen des Weihnachtshundes günstiger. Wenn sie Glück haben, landen sie im Tierheim.
Was liegt also bei der entsprechenden Klientel näher, als das Tier, wenn man es nicht mehr gebrauchen kann auszusetzen und hinterher – nach dem Urlaub – mit kommunaler Förderung (steuerfrei, anders als bei dem normalen Hundebesitzer) wieder abzuholen? Das Problem liegt doch nicht im Tierheim, sondern davor, nämlich beim Kauf oder schon bei der Züchtung. Wie wäre es also mit folgendem Gegenvorschlag: Bei Kauf eines Hundes zieht der Tierzüchter oder -händler die Hundesteuer für die Gemeinde vorweg für drei Jahre ein (gleiches Verfahren wie bei der Kurtaxe). Bei Abholung aus einem Tierheim wird die Steuer – wie bisher – als Jahressteuer erhoben.
Und wenn wir schon bei Trends sind: Verbraucherschutz ist in, sagte sich unsere Verbraucherschutzministerin und legte den Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes vor. Es betrifft, wie sollte es anders sein, auch die Gemeinden, die den Verbrauchern Zugang zu den bei ihnen vorhandenen Informationen über Produkte und Dienstleistungen zu verschaffen haben. Das betrifft dann nicht nur beispielsweise die Wasserversorgung; sie ist schon vom Umweltinformationsgesetz erfasst. Das betrifft neben Produkten auch alle Dienstleistungen, von denen Gefahren und Risiken für die Gesundheit, die Sicherheit und das Vermögen der Verbraucher ausgehen. Die Phantasie reicht bisher kaum aus, um sich vorzustellen, was davon alles erfasst ist. Vieles wird uns noch ins Haus stehen und im Ergebnis wird es uns gehen wie bei der FFH-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie: Erst nach und nach kommen alle Auswirkungen zum Vorschein und dann heißt es, das hättet ihr doch wissen müssen.
Groß im Trend ist Verbraucherschutz in der Diskussion über Mobilfunkstationen. Sechzig Millionen Handy-Besitzer gibt es, teilweise werden bis zu 100.000 Gespräche gleichzeitig geführt. Die Gefährlichkeit solchen Tuns interessiert den einzelnen Menschen aber erst bei dem Standort der Mobilfunkantenne und nicht beim Handy am Ohr. In den Informationsveranstaltungen, die derzeit mit Mobilfunkbetreibern durchgeführt werden, spielen jedenfalls biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder ebenso wie in vielen Veranstaltungen vor Ort die größte Rolle. Es gab aber bisher keine Tendenzen, auch nicht bei den Bedenkenträgern, das Telefonverhalten zu ändern oder einzuschränken.
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 03/2002
Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes