Bei den Beratungen über die Änderung und erneute Befrachtung des kommunalen Finanzausgleichs im Landtag klangen die Worte aus dem Mund der Politik noch blumig und voluminös: Die Kommunen sollen in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich Standards abzubauen und damit Ausgaben oder Kosten zu sparen. Damit sollte die erneute Befrachtung des kommunalen Finanzausgleichs gegenüber den Kommunen begründet, schmackhaft und akzeptabel gemacht werden.
Am Anfang war die Euphorie ja auch groß: Ein erster Entwurf sollte noch vor der Sommerpause bis Ende Juni vorliegen. Bis Ende des Jahres (sicherheitshalber hinzuzufügen: 2002) sollte ein Gesetz auf dem Markt sein und die Gemeinden, Städte und Kreise selbstverantwortlich agieren und reagieren können.
Der Gemeinde- und Städtebund und seine Mitglieder haben in vielfältigen Aktionen Vorschläge gemacht, woran man denn bei Standardabbau denken könnte und müsste. Alle Betroffenen haben heftig aufgeschrien oder protestiert. Standardabbau, der einen selbst trifft, ist immer völlig unmöglich und ausgeschlossen. Der Ministerpräsident persönlich hat sich von Anfang an schützend vor die Kindergärten gestellt.
Und was ist nun herausgekommen?
Außer schönen Worten in einer ersten Anhörung im Ministerium des Innern und für Sport über die Frage, was wir denn wollten - immerhin das durften wir artikulieren - bisher nichts. Kein Entwurf. Keine Ankündigung der Landesregierung. Keine Pressemitteilung der Staatskanzlei. Keine Andeutung. Keine Diskussion über Einzelvorschläge. Keine Ablehnung von Einzelvorschlägen. Schlechthin nichts.
Gerüchteweise verlautet, die Verfassungsjuristen hätten Bedenken gegen diese Form von Standardabbau geltend gemacht. Das ist natürlich nicht so ganz von der Hand zu weisen, denn wenn erst der Gesetzgeber oder die Landesregierung herkommt und durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsvorschrift Standards ausdrücklich setzt und Rechtsansprüche begründet, kann nicht hinterher ein Gemeinderat, Stadtrat oder Kreistag es besser wissen und für seinen Bereich die Weisheiten des Landes außer Kraft setzen, oder? Andererseits fragt man sich natürlich im Rahmen von praktischer Politik, was denn in der Zwischenzeit eigentlich nicht verfassungswidrig sei. Jedenfalls erscheint es auffällig, dass bei allen gesellschaftspolitisch oder systemverändernd auch nur in minimalem Umfang wirksamen Maßnahmen als Erstes immer die Verfassungswidrigkeit und als Zweites die drohenden Schadensansprüche erklärt werden.
Als Resümee nach einem halben Jahr anfänglicher Diskussion, nachfolgender Enttäuschung und abschließender Resignation kann man feststellen: Das war's offensichtlich mal wieder. Aber vielleicht ist das Standardöffnungsgesetz ja auch nur „für die aktuelle Diskussion nicht relevant".
Die Zweifel, ob man Standardabbau so betreiben kann, dass der Gesetzgeber oder das Land sie aufbaut, und dass die Kommunalparlamente und die Gemeinden sie abbauen, hat damit ein kleines bisschen natürlich auch zu dem erwähnten, erwarteten Ergebnis geführt: Derjenige, der Standards eingeführt hat, der muss auch den Mut haben, sie wieder abzuschaffen. Wer die unentgeltliche Nutzung von Sporteinrichtungen auf gesetzlicher Grundlage einführt - bis hin zu Licht, Heizung und warmem Wasser -, der muss in Zeiten enger Finanzmittel auch bereit sein, eine solche gesetzlich verbürgte Nutzungsmöglichkeit zu Gunsten der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Einrichtungsträgers aufzulösen.
Wer Kindergartenstandards vorgibt und sie sowohl durch staatliche Aufsicht als auch durch Förderungssysteme durch- und umsetzt, der muss auch selbst die Kraft haben, davon Abstand zu nehmen. Es soll auch niemand darüber reden, dass solche Punkte alle nur Peanuts seien: Die Personalkostenzuschüsse für Kindergärten im Rahmen eines Kreishaushalts machen z.T rund 10 Prozent der gesamten Personalkosten eines Kreises aus. Gepaart mit der Vorgabe, dass auch die Kommunen nach dem Solidaritätspakt einen Zuwachs des Haushaltsvolumens von nur 1 pro Jahr in den nächsten Jahren erreichen sollen, muss man sehr deutlich formulieren:
Dazu bedarf es der entsprechenden Gestaltungsmöglichkeit. Wenn das Land alles bestimmt und vorgibt, sind auch Beschlüsse der EU oder des Finanzplanungsrats in Berlin schlichte Makulatur.
Oder eine andere Betrachtung: Wir diskutieren derzeit über das Grundsicherungsgesetz oder das Behindertengleichstellungsgesetz. Beide Gesetze mit Inhalten, die nicht nur vertretbar, sondern begründbar, nachvollziehbar und notwendig erscheinen. Nur: Einführung des Grundsicherungsgesetzes, Finanzierung über die kommunalen Haushalte (hoffentlich mit einer ausreichenden Kostenerstattung durch den Bund, wir werden sehen) und dann 1 Prozent Haushaltszuwachsrate im Rahmen des Solidaritätspakts? Wie soll das harmonieren und gehen?
Vorgaben, wie sie Bund und Länder sich jetzt gegenseitig zugesagt haben, um das Defizit in den öffentlichen Haushalten zu beschränken und damit die Vorgaben der EU zu erfüllen, der sog. Solidaritätspakt, sind gut und schön. Kommunalhaushalte sind aber nicht mit pauschalen Haushaltssperren, Kürzungen und solchen Vorgaben aufzustellen, auszugleichen und zu führen. Insbesondere nicht in Zeiten, in denen die Gesetzgebungsmaschine, insbesondere im sozialen Bereich, kräftig dabei ist, weiter Ausgabeverpflichtungen zu begründen, Verwaltungskosten zu produzieren und damit letztlich auch Standards zu setzen. Was in diesem Zusammenhang unter dem Stichwort Zusammenfassung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe noch alles auf den kommunalen Bereich zukommen mag, sei dahingestellt.
Die ersten Kämmerer, die Haushalte vorbereiten, berichten von der Annahme, dass man eine Personalkostensteigerung (linear und strukturell) von 3 einplant. Darüber hinaus wird man von einer Inflationsrate von 1,5 Prozent sicherlich realistisch ausgehen können. Gleichzeitig darf das Haushaltsvolumen nur um 1 Prozent steigen. Wie geht das und wie soll das gehen?
Die kommunalen Finanzen werden so nachhaltig und planmäßig "vor die Wand gefahren". Ist das wirklich beabsichtigt?
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 08/2002
Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes