Angst vor der eigenen Courage


Nachhaltigkeit kennzeichnet dabei – auch auf allen anderen Gebieten, in der sie inzwischen praktiziert wird, beim Naturschutz sicher zutreffend, bei der Politik gelegentlich fraglich - langfristige Konzepte, Selbsterhaltung, sich immer wieder aus sich selbst erneuern.

In der Forstverwaltung ist es damit nun vorbei. Noch bei den Beratungen zum Landeswaldgesetz wurde eine Reform der Forstorganisation als nicht erforderlich, ja undenkbar dargestellt. Das Selbsterhaltungsbestreben der staatlichen Forstorganisation führte zum Argument, die Nachhaltigkeit der Waldwirtschaft wäre bedroht, die ausreichende Betreuung der Waldbesitzer und des Waldes nicht mehr gewährleistet gewesen. So hieß es damals.

Die Gesetzesfolgenabschätzung zum Landeswaldgesetz – die ersten ihrer Art in Rheinland-Pfalz, hoch gelobt und als beispielhafte Form des Politikmanagements gepriesen – brachte alle möglichen Ergebnisse. Von der unmittelbar bevorstehenden, umwälzenden – für die Betroffenen drohenden – Forstorganisationsreform war darin nichts zu lesen.

Im Jahre 2001 war also nicht zu erkennen, dass die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umstände im Jahre 2003 eine radikale Kurskorrektur nötig machen würden. Entweder hat man diese Gesetzesfolge also nicht gesehen oder man hat sie nicht sehen wollen oder nicht sehen dürfen. Dass sich andererseits in 2 Jahren die Welt schlagartig verändert hat, so dass man 2001 die notwendigen radikalen Veränderungen nicht hat sehen oder kennen können, wird wohl niemand ernsthaft behaupten wollen.

Im selben Ministerium läuft derzeit eine Gesetzesfolgenabschätzung zur Novelle zum Landespflegegesetz. Dabei werden solche Probleme natürlich nicht mehr auftreten. Alle Folgen werden exakt erkannt und beschrieben.

Zweifel sind trotzdem deshalb angesagt, weil eigentlich genau das, was der Begriff sagt, nicht erfolgt. In der Gesetzesfolgenabschätzung zum Landespflegegesetz werden nicht die Folgen eines Gesetzes oder Gesetzentwurfs abgeschätzt, vielmehr wird bei den „Betroffenen“ – im Schwerpunkt staatlichen Vertretern der Umweltbehörden des Landes – abgefragt, was sie denn gerne als Gesetz hätten. Also eine Gesetzesformulierungsabfrage findet statt. Gesetze nach dem Motto; Wie hätten sie’s denn gern?

Aber zurück zur Forstorganisation. Nachdem dann - Gesetzesfolgenabschätzung hin oder her – die Landespolitik sich durchrang, die Realitäten der Forstorganisation in Rheinland-Pfalz zu erkennen und die notwendigen Änderungen umzusetzen, konnte man die Hoffnung haben, dass auch für die Waldbesitzer nun Kostenerleichterungen, Personalkosteneinsparungen und Reviervergrößerungen erfolgen könnten.

Die Erfahrungen in den Jahren und Monaten seit dem Erlass des Landeswaldgesetzes hätten eigentlich von Anfang an vom Gegenteil überzeugen müssen, denn schließlich hatten wir ja eine (vergebliche) Diskussion über kommunale Forstämter – theoretisch möglich, praktisch aber durch den Rahmen der Finanzierung verhindert – hinter uns. Auch eine Diskussion über das Forstamt auf der Verbandsgemeindeebene – theoretisch möglich, aber da nicht staatlich gelenkt nicht erwünscht – haben wir hinter uns.

Eine Diskussion über die stärkere Einbindung privater Forstdienstleister in den Revierbetrieb – nicht erwünscht, da die Klientel nicht zahlreich genug war – hinter uns. Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. Die Politik versicherte, man wolle selbstverständlich nach der Halbierung der Zahl der Forstämter auch die Zahl der Forstreviere drastisch verringern. Die Reviergrößen sollten deutlich wachsen, im Durchschnitt 1.300 Hektar für das Revier machte die Runde.

Aber dann kam es doch anders. Plötzlich erkannte das Land, dass es durch die Forstorganisationsreform zu viele Forstbeamte hat. Das Spezialistentum wurde erfunden. Eine Auflistung der Funktionen derjenigen Forstleuten, die aus dem engeren Forstamtsbetrieb freigesetzt wurden, liest sich teilweise schon erstaunlich.

Und dann noch eine Revierreform?

Bei einer solchen Situation muss der Dienstherr der meisten Forstbeamten – das Land - Reaktionen der kommunalen Waldbesitzer die Forderung, doch jetzt ihre Reviere zu vergrößern, fürchten. Was macht das Land dann mit all den Revierbeamten, die nicht mehr in einem Revier eingesetzt werden können?

Folglich gilt für die Vergrößerung der Forstreviere und die Reduzierung ihrer Zahl inzwischen ein anderes Motto. Da sie überwiegend mit staatlichen Revierbeamten besetzt, aber ganz überwiegend kommunal finanziert sind und weil die staatliche Einwirkung auf den Gemeindewald auf dem Spiel steht, muss die flächendeckende Forstorganisation des Landes erhalten werden, um das staatliche Personal weiterhin einzusetzen.

Reviervergrößerungen und Kommunalisierungen werden von den Landesforsten nicht unterstützt, sondern eher zeitlich verzögert. Eigenartigerweise kommt es immer bei der Angliederung von Staatswald an Forstreviere mit kommunalem Revierdienst, die sich vergrößern wollen oder müssen, zu Schwierigkeiten.

Und da gibt es jetzt ja auch noch das sog. TPL-Konzept. TPL steht für Technischer Produktionsleiter. Wenn man diesen Begriff das erste Mal gehört hat, erinnert man sich an den Aufbau in den neuen Bundesländern. Der Begriff hätte uns 1989 und 1990, noch aus früheren Zeiten, in den neuen Bundesländern begegnen können. Der Technische Produktionsleiter soll als Zweiter Mann Frau? dem Forstamt, dem Forstamtsleiter, die Außenarbeit abnehmen. Sinnigerweise setzt die Unterstützung von Landesforsten bei der Vergrößerung von Revieren die flächendeckende Umsetzung des TPL-Konzeptes in einem Forstamt voraus. Schon das macht deutlich: Jetzt ist nicht mehr Strukturreform, Kosteneinsparung, Personalminimierung gefragt. Für den Rest der Veranstaltung gilt es, das vorhandene Personal des Landes weiterhin zu beschäftigen und auf Kosten der Kommunen zu finanzieren.

Was sonst noch zum TPL-Konzept gehört, liest sich zumindest in den Begriffen wie ein planwirtschaftliches System. Ein Technischer Produktionsleiter muss natürlich einen Technischen Produktionsassistenten haben. Das Schönste aber ist, dass er Herr über „teilautonome Gruppen“ – im Klartext Forstwirtschaftsmeister und Forstwirte, die Aufträge zur selbständigen Erledigung erhalten – ist.

Die Antwort auf solche Versuche, Entwicklungen im Kommunalwald einzuschränken und zu beherrschen kann nur sein, alle Chancen und Möglichkeiten der Kommunalisierung der Revierdienste – auch ohne das Land - zu nutzen. Jede Kommunalisierung von Revieren bedeutet derzeit die einzige Chance, frei zu werden von staatlicher Beeinflussung und staatlichen Vorgaben. Jeder kommunale Förster ist umfassend und nicht nur für den Forstbetrieb im engeren Sinne einsetzbar. Das vorhandene Personal ist hervorragend ausgebildet und unproblematisch in der Lage, auch über den kommunalen Revierdienst hinaus, Aufgaben zu übernehmen, wenn denn Bemühungen zur Vergrößerung des Reviers zunächst aussichtslos bleiben.

Solche Entwicklungen hätten im Übrigen einen sehr positiven Nebeneffekt: Mit der Kommunalisierung der Forstrevierbeamten wird teilweise die Option verknüpft, den Holzverkauf künftig in Eigenregie durchzuführen. Hier ein landesweites kommunales oder kommunal bestimmtes Netzwerk aufzubauen, lohnt auf jeden Fall den Aufwand. Die Einwendungen der Kartellbehörden gegen die derzeitige Holzverkaufspraxis über und allein durch das Land nehmen immer mehr zu.

Wenn man sich die Entwicklung in den anderen Ländern mit früher vergleichbarer Forstverwaltungsstruktur, insbesondere einem Gemeinschaftsforstamt oder einem Einheitsforstamt vergleicht, insbesondere also mit Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, fällt heute schon auf, dass Rheinland-Pfalz in absehbarer Zeit das einzige und das letzte Land sein wird, das ein Einheits- oder Gemeinschaftsforstamt immer noch hochhängt. In den anderen Ländern wird es dagegen infolge der angespannten Finanzlage nach und nach aufgegeben. Sollten das Zeichen an der Wand sein?


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 06/2004

Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes