Es ist das zweite Mal, dass ein solcher Vorschlag aus der F.D.P.kommt. Jetzt ist es der Landesvorsitzende. Landesvorsitzende von Parteien sind ernsthafte Menschen. Also meint es die Partei oder der Parteivorsitzende ernst.
Wenn der stellvertretende Landesvorsitzende der F.D.P. und stellvertretende Ministerpräsident das Gleiche vor einem Jahr von sich gegeben hat: Na gut, haben alle Kenner der Szene gedacht, persönliches Erleben über Jahre und Jahrzehnte als Verbandsgemeinderatsmitglied mag frustrierend gewesen sein.
Nun aber das Gleiche als Forderung des F.D.P.-Landesvorsitzenden und als offizielle Forderung und Ankündigung für die nächste Landtagswahl. Also: Ernst gemeint, nicht mehr Spaß, schon gar nicht Gefühl und Wellenschlag. Offizielle (?) Meinung der Partei, die (fast) immer in der Regierung dabei war und – die Grünen mögen mir verzeihen – in Rheinland-Pfalz offensichtlich immer dabei ist (steht das nicht auch in der Verfassung?).
Was denn nun? Also 2006 sitzen – so habe ich mir sagen lassen – 12 Personen – 6 von jeder Seite – in dem berühmten Raum ohne Fenster (um Fluchteffekte zu vermindern) und 6 von den anwesenden zwölf sagen: „Die Verbandsgemeinden werden abgeschafft.“ Dann steht das aller Erfahrung nach am nächsten Morgen in der Koalitionsvereinbarung, also zumindest auf dem Papier. Die SPD und die CDU mögen mir meine Skepsis verzeihen, dass sie in der Lage wären, diesen Satz oder Vorsatz zu verhindern. Also stellen wir uns vor, der Wille der Regierungskoalition 2006 sei, dass die Verbandsgemeinden abgeschafft werden. Was passiert dann?
Erste Alternative: Wir wählen die „Rheinland-Pfalz-Variante“ von Abschaffung.
Diese Methode wurde erfolgreich angewandt bei der Abschaffung, es hieß sogar „Auflösung“, der Bezirksregierungen. Als Ziel wurde das in einer Koalitionsvereinbarung fest vereinbart, und zwar auf Forderung der F.D.P.
Die Auflösung der Bezirksregierung führte dazu, dass vorher
- 3 Behörden an
- 3 Standorten in
- 3 Gebäuden mit
- einem bestimmten Personalbestand
vorhanden waren.
Sie wurden „abgeschafft“ zu
- 3 Behörden an
- 3 Standorten (zufälligerweise in den gleichen Städten) in
- 3 Gebäuden (zufälligerweise den gleichen, die auch vorher in Anspruch genommen wurden) mit
- vergleichbarem Personalbestand.
Am Schluss – ich weiß, dass es den Bemühungen der Beteiligten und auch der Verantwortlichen nicht gerecht wird – war es grob gesprochen ein Auswechseln von Türschildern und von verschiedenen örtlichen Zuständigkeiten. Keine Aufgabenkritik, kein Aufgabenabbau, keine Aufgabenverlagerung von oben nach unten und keine „Abschaffung“ einer staatlichen Verwaltungsebene.
Also das Gleiche noch mal: Abschaffung der Verbandsgemeinden heißt:
Eine Behörde an
- einem Standort in
- einem Gebäude mit
- bestimmtem Personal wird „abgeschafft“ zu
- einer Behörde
- am gleichen Standort
- im gleichen Gebäude mit
- dem gleichen Personal
und anderem Türschild? Aus „Verbandsgemeinde“ wird „Kommune“. Sollte das gemeint sein?
Die zweite Möglichkeit ist, dass nur das „Verbands“ in der Verbandsgemeinde abgeschafft werden soll.
Niemand kann sich so recht vorstellen, dass man die Aufgaben und Zuständigkeiten der Verbandsgemeinden einfach weglassen oder aber auf die Ortsgemeinden übertragen kann. Ortsgemeinden ohne eine gemeinsame Verwaltung und ohne gemeindliche Aufgabenerfüllung oberhalb der Ortsgemeinde sind aber kaum denkbar.
Deshalb nochmals die Frage: Meint Abschaffung der Verbandsgemeinden eigentlich die Verbandsgemeinden? Nein, meint es nicht. Wen meint es denn? Es meint die Ortsgemeinden. Wieso Ortsgemeinden? Weil derjenige, der Verbandsgemeinden abschaffen will, in Wirklichkeit die Ortsgemeinden meint.
Dritte Möglichkeit: Abschaffung der Verbandsgemeinden heißt Abschaffung der Bürgermeister, Beigeordneten und Verbandsgemeinderäte, also der gesamten Kommunalpolitik. Beibehaltung der Verwaltung mit einem Verwaltungsbeamten, nicht mehr zu wählen. Mit anderen Worten die Verbandsgemeinde als das Gespenst von Canterville: Kopf unter dem Arm, nicht auf den Schultern.
Gibt eigentlich auch nicht so viel Sinn: Wer beschließt dann den Flächennutzungsplan? Wer die Vorrangflächen für Windenergie? Wer kümmert sich politisch verantwortlich um die Anliegen der Bürger? Wer setzt die Beschlüsse der Ortsgemeinderäte oder die Entscheidungen der Ortsbürgermeister um? Usw. usw.
Und dass die parteipolitische Bindung von Bürgermeistern abnimmt und manche Parteien dabei leer ausgehen, ist doch Ergebnis der Urwahl. Deswegen kann man doch schlecht die gesamte Kommunalpolitik auf der Verbandsgemeindeebene beseitigen wollen. Und wurde die Urwahl nicht auch auf Grund von Forderungen aus bestimmten Parteien eingeführt?
Wenn man andere F.D.P.-Politiker befragt, heißt es, dass sie schon eine gewisse Problematik in dem Vorschlag, die Verbandsgemeinden abzuschaffen, sehen. Hoffentlich sind Ihrer viele.
Gelegentlich heißt es auf Nachfrage auch: „Irgendwas muss doch passieren, Hauptsache, wir diskutieren erstmal, lassen wir uns doch überraschen, was herauskommt“.
Ja, ja, so ist sie nun mal, unsere Politik, und so lieben unsere Bürger sie. Oder?
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 02/2005
Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes