Damit sind endlich alle eines Besseren belehrt, die angenommen haben, Reiten sei „nur“ eine schöne Sportart und Freizeitbeschäftigung, Kutsche fahren darüber hinaus eine ruhige, nostalgische Fortbewegungsart.
Der Landtag hat das grundsätzlich unbeschränkte Reiten und das Kutsche fahren auf Wirtschaftswegen in der freien Feldflur freigegeben. Beschlossen wurde das im neuen Landesnaturschutzgesetz. Das gibt Anlass für die Annahme, dass Reiten und Kutsche fahren als Naturschutz anerkannt ist oder anerkannt werden soll.
Das Landesnaturschutzgesetz ist in einem umfangreichen Meinungsbildungsprozess mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Verbänden der Landwirtschaft und Forstwirtschaft und den Umweltverbänden vorbereitet worden. Von Reiten war dabei nicht die Rede.
Eine Gesetzesfolgenabschätzung für das Landesnaturschutzgesetz wurde durchgeführt. Die Freigabe des Reitens auf Wirtschaftswegen in der Feldflur war dabei weder in Rede noch als Gesetzesfolge erkennbar.
Eine intensive Anhörung zum Landesnaturschutzgesetz – auch für die kommunalen Spitzenverbände – im zuständigen Landtagsausschuss hat stattgefunden. Von der Freigabe des Reitens auf Wirtschaftswegen sagte niemand etwas.
Wenige Tage, wenn nicht Stunden vor der entscheidenden Landtagssitzung fassten die Fraktionen von SPD und FDP den Beschluss, durch das Landesnaturschutzgesetz das Reiten auf Wirtschaftswegen freizugeben. Bei Nacht und Nebel und im stillen Kämmerlein werden so Geschenke auf Kosten der Gemeinden und Städte und ihrer Bürger beschlossen.
So sieht also sachgerechte, offene, im Vorfeld intensiv diskutierte Politik unter Einbeziehung der Betroffenen aus. Es wäre natürlich völlig ungerechtfertigt, von Geheimpolitik oder Politik für eine bestimmte Klientel zu sprechen. Wahrscheinlich wollte nur irgendjemand irgendjemandem einen Gefallen tun, um dafür gewählt zu werden.
Nach zweijähriger Vorbereitung des Landesnaturschutzgesetzes bestand in den letzten Stunden vor der Verabschiedung im Landtag natürlich auch keine Gelegenheit mehr zu prüfen, ob das Konnexitätsprinzip es vielleicht erforderlich macht, den durch die Freigabe des Reitens auf Wirtschaftswegen entstehenden Aufwand durch das Land auszugleichen. Und der Erhaltungsaufwand für Wirtschaftswege wird steigen.
Im Ergebnis ist der Landespolitik weder an einer rechtzeitigen und ausreichenden Beteiligung der Gemeinden und Städte an der Gesetzgebung gelegen, noch an der Beachtung des Konnexitätsprinzips.
Schon beim 1. Versuch eines Gesetzes zum Standardabbau mussten wir die Erfahrung machen, das man „gute Gelegenheiten“ nutzt, um noch schnell etwas in ein Gesetz, das gerade ansteht, hineinzuschreiben, damit man es nicht merkt oder damit man kein offenes, eigenes Gesetzesverfahren durchführen muss. Die Rechtsgrundlage für die Neuregelung der Beförsterungskosten – verbunden mit einer deutlichen Standardverschärfung – wurde damals unter der Überschrift Standardabbau untergebracht. Auch das natürlich nur Zufall und nicht etwa Methode.
Besonders erfreut werden auch die Landwirte sein. Aus ihren Wirtschaftswegebeiträgen oder aus ihrer Jagdpacht wird der Großteil der Unterhaltungskosten für Wirtschaftswege finanziert. Zukünftig dürfen sie auch noch den zusätzlichen Unterhaltungsaufwand, der durch das Reiten auf Wirtschaftswegen entsteht, aufbringen.
Damit erhalten Gedanken zur Einführung einer Reitabgabe oder alternativ einer „Pferdesteuer“ neue Nahrung. Die wird der Landtag dann den Gemeinden als „Bagatellsteuer“ verbieten.
Die bisher mit Reitern, Reitvereinen, Reiterhöfen usw. getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, mit denen über Jahre hinweg vor Ort ein angemessener Ausgleich gefunden wurde, sind alle vom Tisch gefegt. Damit fängt die gleiche Diskussion wieder an, wie sie vor Jahren schon einmal stattfand. Der Landtag hat wirklich ein dringendes Problem des Landes Rheinland-Pfalz aufgegriffen und gelöst. Das war und ist wahrlich kein Ruhmesblatt.
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 09/2005
Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes