Auf der Bundesebene diskutiert man über eine angeblich notwendige Rücknahme von Finanzierungsmitteln durch den Bund, weil die Kommunen einen zu hohen Ausgleich für die Hartz IV-Belastungen erhalten hätten. Tatsächlich gibt es - in Rheinland-Pfalz - wahrscheinlich überhaupt keine Entlastung.
Unglücklicherweise erhielten die Kommunen nämlich als Ausgleich für die Sozialhilfeentlastung die finanzielle Verantwortung für die gesamten Kosten der Unterbringung, auch für die früheren Arbeitslosenhilfeempfänger. Und zufälligerweise ist das - trotz des gleichzeitig übertragenen Wohngeldes - deutlich, nein erheblich mehr als die frühere Sozialhilfe. Dafür gab es dann noch einen weiteren Ausgleich durch das Versprechen des Bundes, 29,1 % der Kosten der Unterbringung zu übernehmen.
Einigermaßen sichere Berechnungen, wie denn jetzt die finanzielle Bilanz dieser Aktionen für die einzelne Stadt oder den einzelnen Landkreis oder wenigstens für das ganze Land Rheinland-Pfalz aussieht, gibt es nicht. Das stört die Bundespolitik, besonders unseren Wirtschaftsminister, aber nicht, eine finanzielle Mehrbelastung der Kommunen schon jetzt für unbedingt nötig zu halten.
Das könnte man jetzt als die üblichen Rituale für die Vorbereitung auf Verhandlungen über Finanzverteilungen abtun, aber da stören doch noch ein paar - inzwischen sichere - Erkenntnisse: Ein Ausgleich für die mit Hartz IV für die Kommunen in Rheinland-Pfalz verbundenen Mehrbelastungen kommt nicht an und wird auch nicht ankommen. Das wird inzwischen auch von Seiten unserer Landesregierung bestätigt. Rheinland-Pfalz gehört - gesicherte Erkenntnis - mit Baden-Württemberg und Bayern zu den Verlierern von Hartz IV. Ganz großer Gewinner soll beispielsweise das Land Bremen sein. Wir haben halt früher zu wenig Sozialhilfe gezahlt - woran immer das gelegen haben mag, worüber man ja auch noch philosophieren könnte.
Da die rheinland-pfälzischen Finanzpolitiker bei der Gestaltung der Ausgleichsregelungen mit federführend tätig waren, kann man wohl als sicher unterstellen, dass sich das Land mit allen gegebenen Möglichkeiten - bis hin zu Bundesratsinitiativen - heftig dagegen wehren wird, dass seine Kommunen bei einem Ausgleich für Hartz IV-Belastungen leer oder fast leer ausgehen - oder?
Hilfreich wäre auch eine offene Ansprache der bestehenden Probleme durch unseren Ministerpräsidenten gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister, dass eine Rücknahme von Hartz IV-Entlastungen nicht in Frage kommen kann. Im Gegenteil erwartet das Land Rheinland-Pfalz doch wohl einen wirklichen Ausgleich für seine Städte, Gemeinden und Landkreise, eine tatsächliche und nicht nur eine versprochene Entlastung.
Besonders absurd wird die Gesamtsituation, wenn man sich jetzt die Umsetzung des TAG – Tagesbetreuungsausbaugesetz - und seine Finanzierung ansieht.
Ziel in Kurzfassung: Öffnung der Kindergärten ab 2 Jahre, verstärktes Angebot an Krippenplätzen für Kinder zwischen 0 und 2 Jahren, beides zur Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten der Mütter. Finanzierung durch Mehreinnahmen der Kommunen aus den Hartz IV-Reformen. Insgesamt sollten diese Mehreinnahmen auf der Bundesebene 2,5 Mrd. € für alle Kommunen ausmachen. Davon waren 1,5 Mrd. € für die Verbesserung der Kinderbetreuung vorgesehen (s.o.).
Das TAG ist inzwischen auf der Bundesebene beschlossen und verkündet. Die kommunalen Körperschaften sind bis 2010 verpflichtet, entsprechende Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Auf der Landesebene laufen zur Zeit die Vorbereitungen für ein Landesausführungsgesetz. Dabei beabsichtigt das Land, einige zusätzliche Maßnahmen über das TAG hinaus („Bildung von Anfang an“), über deren Finanzierung man noch wird sprechen müssen.
Aber bleiben wir beim bloßen TAG, zunächst ohne Landesprogramm: Die Umsetzung dieses Gesetzes - Endstand in 2010 - wird in Rheinland-Pfalz Mehrkosten in Höhe von jährlich 200 Mio. € verursachen. Finanzierung aus den Mehreinnahmen, die die Kommunen im Rahmen von Hartz IV erhalten oder noch erhalten sollen. Gibt es die und wird davon irgendetwas in Rheinland-Pfalz ankommen? Nein, jedenfalls nichts, was sich lohnt zu erwähnen (das ist übrigens nicht meine Privatmeinung, sondern offizielle Lesart).
Wer finanziert also die Mehrkosten zur Umsetzung des TAG? In Rheinland-Pfalz die Kommunen aus ihren bisherigen Mitteln und nicht etwa der Bund aus versprochenen Mehreinnahmen. Es wird keine oder keine wirklich erwähnenswerten Mehreinnahmen vom Bund geben. Von den berühmten 2,5 Mrd. € kommt in Rheinland-Pfalz nichts oder nur sehr wenig an.
Zu einem geringen Anteil sind natürlich auch die Eltern über Elternbeiträge beteiligt, zu einem geringen Teil auch die Kirchen oder die freien Träger. Wenn man allerdings die schon einsetzenden Bestrebungen sieht, die Elternbeiträge möglichst gering zu halten, und wenn man weiß, dass die Kirchen sowieso schon jede Gelegenheit nutzen, ihren Finanzierungsanteil zu verringern, dann kann man durchaus die Aussage rechtfertigen, dass die Finanzierung fast ausschließlich durch die Kommunen - über die Gemeinden und Städte als Einrichtungsträger, über die Kreise als Jugendhilfeträger oder über den kommunalen Finanzausgleich - erfolgen wird.
Das Land hält sich aus alledem heraus. Es formuliert sein weitergehendes Programm, mit dem die Aspekte der frühzeitigen Bildung von Kindern verstärkt werden sollen, es macht sich auch - durchaus anerkennend gemeint - um die Finanzierung dieses Zusatzprogramms wegen des jetzt geltenden Konnexitätsprinzips Gedanken. Die Verhandlungen laufen, deshalb darüber jetzt keine Bewertung.
Aber mit der eigentlichen Finanzierung des TAG werden wir allein gelassen. D.h. es passiert genau das, was wir schon bei den Beratungen über das Stabilisierungsfondsgesetz befürchtet haben: Die kommunale Finanzmasse ist festgeschrieben. Mehr gibt es nicht, eine politische Verantwortung des Landes über 1,6 Mrd. € Finanzausgleichsmasse hinaus wird nicht mehr gesehen, auch nicht bei neuen Aufgaben, z.B. von der Bundesebene.
Weiter schallt uns entgegen, dass das Konnexitätsprinzip nur für die Landesebene gilt. Was der Bund beschließt, gehe das Land finanziell nichts an, sei finanziell Sache der Gemeinden. Dass es keinen Ausgleich vom Bund gibt, weil wir von der Hartz IV-Entlastung und den angeblichen Mehreinnahmen nichts oder fast nichts abbekommen, sei eben Pech der Gemeinden und Städte und Landkreise.
Aber so einfach ist das alles doch wohl nicht: Hat das Land oder ist das Land bereit, seinen Einfluss im Bundesrat geltend zu machen, damit sich an der Finanzmittelverteilung nach Hartz IV und der Verteilung der angeblichen Mehreinnahmen etwas ändert? Vor allem aber müsste das Land bereit sein, auch seinerseits etwas zur Finanzierung des TAG beizutragen, da nur es selbst - verfassungsrechtlich verantwortlich für die kommunalen Finanzen - in der Lage ist, an dieser Misere etwas zu ändern.
Schließlich heißt das zusätzliche Landesprogramm doch auch „Bildung von Anfang an“ und nicht „Erziehung von Anfang an“. Das, was auch dem TAG zu Grunde liegt, ist in erheblichem Umfang frühkindliche Bildung und nicht nur Ermöglichung von Frauenarbeit. Und Bildung ist - auch wenn der Bund es ohne Widerstand der Länder geregelt hat - immer noch Ländersache, auch in der Finanzierung.
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 05/2005
Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes