Ach das könnte schön sein


Mehr als ein erstes Gesetz mit ein paar Kleinigkeiten zur Entbürokratisierung ist ja bei dem bisherigen Verfahren – angelegt auf einen längeren Zeitraum und mit großen Erwartungen verbunden – nicht herausgekommen. Allerdings erinnern wir uns mit einer gewissen Skepsis daran, dass die Gelegenheit eines ersten Entbürokratisierungsversuchs auch damit endete, die Regelung über Betriebskostenbeiträge im Landeswaldgesetz zu Ungunsten der Kommunen zu ändern. Ob uns nicht solche Negativerlebnisse wieder drohen, wenn man jetzt den Fortgang von Entbürokratisierung und Verwaltungserleichterung fordert? Jedenfalls ist immer Skepsis angesagt.

Vielleicht ist ja inzwischen auch alles getan, was man sich zur Entbürokratisierung, zum Standardabbau und zur Verwaltungserleichterung nur vorstellen kann. So war es schon erstaunlich, im Zuge der Verwaltungsreformdiskussion zu hören, dass die SGDs und die ADD für die Landesregierung nicht mehr zur Diskussion stehen. Damit ist allen Vorschlägen zur Reduzierung der Anzahl der Stufen staatlicher Verwaltung der Boden entzogen. Und damit sind weitgehend alle Möglichkeiten zur Entbürokratisierung durch Abschaffung von Doppelzuständigkeiten oder auch Zuständigkeiten, die man herkömmlich unter „Dienstweg“ versteht - bloße Vorlageverpflichtungen oder Weiterleitungsnotwendigkeiten an höhere Behörden – genommen.

In der Diskussion über die Verwaltungsreform hat der Gemeinde- und Städtebund den Vorschlag gemacht, ein Modellkommunen-Gesetz zu erlassen, und hat sich dazu auch prompt die Frage eingefangen, was das denn sein sollte.

In Niedersachsen – gelegentlich ist der Blick über den Gartenzaun erlaubt – gibt es seit dem 1. Januar 2006 ein solches Modellkommunen-Gesetz. Bei näherem Hinsehen ist es ein erneuter Versuch, Entbürokratisierung zu betreiben und die Zahl von Vorschriften zu reduzieren. Für drei Jahre werden für die Gemeinden und Städte in drei Landkreisen zusammen mit ihren Landkreisen sowie zwei kreisfreie Städten bestimmte landesrechtliche Regelungen, die auf den Vorschlägen der teilnehmenden Kommunen basieren, außer Kraft gesetzt oder modifiziert. Das Modellprojekt unter Führung der Staatskanzlei wird von einer Uni und einer Fachhochschule wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse werden ausgewertet. Die Kollegen in Schleswig-Holstein haben sich inzwischen angeschlossen und ebenfalls ein entsprechendes Gesetz für ihr Land gefordert.

Liest man die Kataloge der in Betracht kommenden Vorschriften, gibt es wenig Überraschungen: Überall in Deutschland die gleichen Themen. Da findet sich in anderen Ländern „die Lockerung von Zuständigkeitsregelungen zwischen Landkreisen und ihren kreisangehörigen Gemeinden zur Erhöhung der Flexibilität“. Erinnern wir uns: Im Schreiben unseres Innenministers zum Thema Verwaltungsreform hieß es: Keine weiteren Aufgabenübertragungen im Bereich der Baugenehmigung, also nichts mit Lockerung.

Da findet sich in anderen Ländern die „weitgehende Aussetzung landesplanerischer Beschränkungen für Wohn- und Gewerbeentwicklung bei Vorhandensein nachbarschaftlicher Abstimmung der Kommunen vor Ort“. Erinnern wir uns: Landesentwicklungsprogramm IV mit seinen über 150 verbindlichen Zielen. Es wäre doch schön, wenn die Einigung der betroffenen Kommunen, z.B. des zentralen Orts mit seinem Umland, über Wohn- und Gewerbeentwicklung die Zuständigkeiten der Planungsbehörden ersetzt. Da finden sich in Frage gestellte Standards im Kindertagesstättenbereich, sie sind in Rheinland-Pfalz nicht diskutierbar. Aber ohne eine ungeliebte Diskussion wiederbeleben zu wollen: Müssen wir eigentlich eine so umfangreiche Jugendamts- und sonstige Jugendhilfebürokratie haben, bis hin zum Landesamt für Jugend, Soziales und Versorgung, um einen Rechtsanspruch auf Kindergartenplatz durch- und umzusetzen und dann auch noch das notwendige Geld zu verteilen?

Da finden sich die Gleichstellungsbeauftragten und das Gleichstellungsgesetz, das Informationsfreiheitsgesetz, das Umweltrecht usw. usw. usw. Alles in Rheinland-Pfalz offensichtlich erstklassig und nicht renovierungsbedürftig.

Ein anderes Beispiel aus Rheinland-Pfalz zur Standarderhöhung ist die Einführung des BOS-Digitalfunks. Wer kann, wenn es um die Sicherheit und den Katastrophenschutz geht, die Notwendigkeit hinterfragen? Und damit ist die Diskussion denn auch schon fast zu Ende.

Wenn man die Finanzierung hinterfragt und einmal das Wort Konnexität in den Mund nimmt, schallt einem sogleich entgegen, die Kommunen seien ja nicht verpflichtet, als Träger des Brand- und Katastrophenschutzes den Digitalfunk einzuführen. Deshalb handele es sich bei der Einführung des BOS-Digitalfunks auch nicht um einen Fall der Konnexität: Allerdings müsse man damit rechnen, dass in absehbarer Zeit die für den analogen Funk erforderliche Technik und die notwendigen Frequenzen nicht mehr zur Verfügung stehen. Und wenn man sich dann nicht auf eigene Kosten mit Förderung aus der Feuerschutzsteuer mit der neuen Technik eingedeckt hat, hat man halt Pech gehabt. Eine sehr verkürzte Art der Diskussion.

Die Ausweisung weiterer Vogelschutzgebiete ist wegen entsprechender konkreter Forderungen der EU-Kommission in Rheinland-Pfalz zwingend. Betroffen sind vor allem bisher ausgesparte Gebiete wie der Westerwald und die Pfalz. Diesmal gibt es wieder keine umfassende Information über die geplanten Maßnahmen. Außer Karten und einer Liste mit den insgesamt noch zu meldenden Arten gibt es keine konkreten Informationen über die einzelnen Gebiete.

Das alles lässt sich – dem Himmel sei es geklagt – beliebig fortführen. Deshalb nochmals die Frage: Wo bleibt die Entbürokratisierung, wo bleibt der Standardabbau?


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 07/2007

Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes