Wir machen es einfach – basta!


Die Dreizügigkeit wird in massivem Umfang zu Schulschließungen führen, denn von den 2007 noch bestehenden 164 Hauptschulen und von den 2007 noch bestehenden 83 Regionalen Schulen sind heute schon sehr viele weniger als dreizügig. Im Prinzip ist für jede zweite Schule, die heute weniger als dreizügig ist, damit zu rechnen, dass sie geschlossen wird.

Fragt man sich, warum das mit einer Veränderung der Trägerschaft verbunden sein muss, findet man im Gesetzentwurf der Landesregierung, der zur Verbändeanhörung offiziell versandt und vorgelegt worden ist, zwei Begründungen:

  • Der Ausschluss der kreisangehörigen Körperschaften von der Schulträgerschaft soll die Schulstrukturen „demografiefest“ machen.
  • Weil die Schulentwicklungsplanung bei den Landkreisen liegt, müsse auch die Trägerschaft bei den Landkreisen liegen.

Wieso eine Schule in der Trägerschaft des Landkreises demografiefester ist als eine Schule in der Trägerschaft der Verbandsgemeinde, der verbandsfreien Gemeinde oder der kreisangehörigen Stadt, erschließt sich nicht. Mit einem Landkreis als Schulträger ist immer noch nicht verbunden, dass es mehr Schulkinder gibt. Die Zahl der Schüler ist auch immer noch nicht planbarer. Aber zusammen mit der grundsätzlich dreizügigen Realschule Plus wird die Zielrichtung klar:

Die Welle der Schulschließungen soll nicht der Schulpolitik des Landes angelastet werden. Zuständig sind die Landkreise, und die sind weit genug weg. Örtliche Initiativen, verärgerte Reaktionen, Widerstände sind dort weniger zu befürchten.
Mit sachlichen Gründen für oder gegen eine Schulträgerschaft von Städten, Gemeinden und Verbandsgemeinden hat das alles nichts zu tun. Ebenso wenig hat es etwas mit Engagement von Kommunalpolitik, mit der Identifikation von Gemeinden und Städten mit „ihrer Schule“, mit pädagogischen Gründen, mit Wettbewerb unter Schulen, mit Qualität von Schulen und ihrer Steigerung zu tun.

An dieser Stelle kommt im Theaterstück die beruhigende Aussage des Theaterdirektors: Es könnte ja noch viel schlimmer kommen. Ja. So ist es. Es kommt noch schlimmer:
Der Gesetzentwurf sagt nichts über den Übergang des mit dem Schulvermögen verbundenen Personals. Wie – fragt man sich - ohne das Personal? Und was ist damit?
Also fragt man bei der zuständigen Stelle nach.

Die Bestätigung des Kultusministeriums liegt vor: Das Personal für die Schulen, die Schulsekretärinnen, die Hausmeister, die Reinigungskräfte, auch das Schulverwaltungspersonal in den Gemeinden, Städten und Verbandsgemeinden der Verwaltung, soll nicht auf den Kreis übergehen. Es wurde ausdrücklich von Regierungsseite bestätigt, dass das von der Landesregierung so gewollt ist.

Damit scheidet die erste Vermutung „Hat jemand im Ministerium nur vergessen oder übersehen …“ aus. Die Landkreise machen die überflüssigen Schulen zu, brauchen sich dafür aber nicht um das Personal zu kümmern. Sie bekommen es gar nicht erst. Also kann man festhalten: Es ist Absicht und gewollt, dass das Schulpersonal als überflüssiges Personal bei den Städten, Gemeinden und Verbandsgemeinden bleibt.

Die Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden haben die betriebsbedingten Kündigungen, die ausgesprochen werden müssen, zu übernehmen. Mündliche Aussage des Kultusministeriums: Es wird zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen. Aber sicher - man muss nur sagen: Morgen regnet es nicht, dann regnet es morgen in Rheinland-Pfalz nicht.

Nochmals: Fein ausgeklügelt.

Ebenso sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung den unentgeltlichen Vermögensübergang ohne den Übergang von Belastungen, von Forderungen, von bestehenden Verpflichtungen aus Krediten und dergleichen vor. Das ist ungewöhnlich für einen Aufgabenübergang im öffentlichen Bereich. Normalerweise folgt der Aufgabe das Vermögen und dem Vermögen die Forderungen und Verbindlichkeiten. Beim Übergang eines „Gesamtbetriebes“ folgt übrigens normalerweise auch das Personal (§ 613 a BGB).

Der Entwurf sieht den entschädigungslosen – freundlicher ausgedrückt: den unentgeltlichen – Vermögensübergang vor. Wie – fragt man sich erneut -, ohne die Schulden, einfach nur das Vermögen?

Erste Vermutung: Hat nur jemand im Ministerium übersehen, vergessen, vielleicht neu im Geschäft? Allerdings: Der Entwurf ist in der ersten Runde durchs Kabinett gegangen. Wäre das wirklich vorstellbar? Kein Justizministerium, kein Innenministerium hätte den Fehler bemerkt? Kaum vorstellbar, also war es kein Versehen.

Dann also die zweite Vermutung: Es war Absicht. Bewusst und gewollt. Das ist es, ausdrückliche Bestätigung liegt vor. Natürlich fragt man sich auch hier, warum. Was ist der Sinn, das Ziel oder der Zweck? Eine massive Vermögensverschiebung ist Ziel und Zweck. Die Landkreise erhalten schuldenfreies Vermögen, die Städte, Gemeinden und Verbands-gemeinden behalten die Schulden.

Das ist keine Schulentwicklungspolitik, sondern das ist Schuldenpolitik mit einer künstlichen Erhöhung der anteiligen Verschuldung der Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden per Federstrich.

Zukünftige Entwicklung: Die Landkreise kalkulieren die Abschreibungen aus dem Schulvermögen im Rahmen der Kreisumlage. Damit sanieren sie ihren Haushalt, denn sie haben ja keine Aufwendungen, die zu Ausgaben führen (keine Tilgungen!). Die Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden bezahlen die Tilgungen, finanzieren sie entweder aus Steuermitteln oder aus der Verbandsgemeindeumlage und damit letztlich aus Steuermitteln der Ortsgemeinden. Das ist das Konzept nach dem von der Landesregierung vorgeschlagenen Gesetzentwurf.
Unsere einzige und letzte Hoffnung ist der Landtag und dort die die Landesregierung tragende Mehrheitsfraktion. Hoffen wir zumindest dort auf Einsicht.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 05/2008

Reimer Steenbock
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes