Der „Hype“ Energiewende


Hier sind wir auf der Ebene der Gemeinden und Städte seit langem unter den Aspekten lokale Agenda, Klimaschutz, Energieversorgung und dezentrale Energieerzeugung aktiv. Dies ging von der Planung über die Errichtung und Nutzung bis hin zu Informations-, Beratungs- und Förderangeboten. Wir haben immer darauf geachtet, die aktive Einbindung der Bevölkerung in Planungsprozesse, insbesondere im Bereich der Windkraft, der Biomasse und der Photovoltaik sicherzustellen.

Nun hat die Landesregierung die Vorgabe gemacht, die Erzeugung von Windenergie bis zum Jahre 2020 zu verfünffachen und dabei 2 % der Landesfläche für diese Nutzung zur Verfügung zu stellen. Sie hat gleichzeitig zu einer Erweiterung der Energieerzeugung im Bereich der Solarenergie und Photovoltaik, insbesondere im Hausbereich, aufgerufen und eine Verstärkung der Kraft-Wärme-Koppelung im Rahmen großer Biomasseanlagen angekündigt. Und plötzlich, nach dem Atomausstieg, entdecken alle dieses Thema und versuchen dieses Feld für sich zu beanspruchen. Und ich staune, wie wenig dabei darauf geachtet wird, wem diese Aufgabe eigentlich verfassungsmäßig zugewiesen ist.

Denn all die Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Energieerzeugung erledigt werden sollen, lassen sich nur mit Hilfe derjenigen realisieren, auf deren Flächen beispielweise Wind- oder Solaranlagen gebaut werden können. Und wenn dann auch noch für das wesentlichste Energieerzeugungsinstrument, die Windkraft, der Wald ins Spiel gebracht wird, dann sind in Rheinland-Pfalz die Hälfte aller Flächen, die in Betracht gezogen werden, in gemeindlichem Besitz. Und auch der Ausbau des bisherigen Solarstromanteils und der Ausweitung der Standorte auf Brachflächen und Altlastflächen sowie der Bau von Biogasanlagen ist ohne Rückgriff auf kommunalen Grundbesitz und nur im Rahmen der gemeindlichen Planungshoheit möglich.

Da wundert es mich schon, wenn plötzlich in Rheinland-Pfalz in den unterschiedlichsten Bereichen Kreisenergiegesellschaften gegründet werden sollen. Denn die Aufgabe der Energieerzeugung war bisher den Kreisen nicht zugeordnet und alleine der gemeindlichen Ebene vorbehalten, weil sie Teil der Daseinsvorsorge ist. Und es mutet dann schon als eine besondere Freundlichkeit an, wenn beispielsweise im Landkreis Südwestpfalz gesagt wird, in diese Gesellschaft müssten alle Verbandsgemeinden und die jeweiligen Stadtwerke mit eingebunden werden.

Völlig vergessen wird dabei die untere gemeindliche Ebene mit den Ortsgemeinden. Und die zahlen über ihre Umlagen bisher auch die übergeordnete und in großen Teilen staatliche Auftragsverwaltung der Kreise. Ich frage mich, mit welchem Hintergrund diese Ebene dann bei der Erzielung von Einnahmen in diesem Bereich ausgeschlossen werden soll?

Nur zur Klarstellung: Wir brauchen in diesem Bereich wesentliche Verbesserungen und viele Beteiligte. Aber es kann nicht sein, dass plötzlich eine kommunale Ebene versucht, über die Gründung von Gesellschaften die eigentlich in diesem Geschäft Betroffenen und die bisherigen Zahlmeister von dieser Entwicklung vollständig auszuschließen.

Aus der Kenntnis unseres bisherigen Kampfes nach allen Seiten gegen drängende Windkraftbetreiber, gegenüber genauen Fachbehörden und gegen zentral übersteuernde regionale Planungsgemeinschaften können wir diese Zielvorstellungen nur dann verfolgen und ihr auch Zustimmung zukommen lassen, wenn wir zukünftig bei der Festlegung der Standortflächen, der Pachtkonditionen, der Auswahl der Windenergieanlagen, der Gestaltung fairer, sicherer und wirtschaftlicher Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger, der langfristigen Sicherung der Gewerbesteuereinnahmen und der Herstellung einer großen Akzeptanz in der Bevölkerung wesentlich mehr als bisher eingebunden werden.

Wir sind gerne bereit, dafür ein paar Hebel anders als bisher umzulegen. Wir erwarten aber auch, dass die Aussage, in den Regionalplänen Vorranggebiete für Windkraftanlagen auszuweisen und die übrigen Flächen als Vorbehaltsgebiete anzusehen, über deren Nutzen im Rahmen der Abwägung auf der Ebene der Flächennutzungsplanung entschieden wird, ernsthaft verfolgt wird. Wir verstehen darunter, dass jenseits der Vorranggebiete die bisherige Ausschlusswirkung aufgehoben wird und die Kommunen damit selbst die Windstandorte inklusive der Waldstandorte bestimmen und sonstige Ausschlussgebiete nur durch das Land nach entsprechend klar definierten Kriterien festgelegt werden. Wir brauchen aber mehr:

  • Wir brauchen wesentlich flexiblere Regelungen zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windkraftanlagen als die im gemeinsamen ministeriellen Schreiben vom 30.01.2006 festgelegten.
  • Wir brauchen eine Änderung des Gemeindewirtschaftsrechts – weg vom Eigenbedarf, und eine Öffnung der Beteiligungsregelung sowohl im kommunalen Querverbund als auch bei den Privaten.
  • Wir brauchen in diesem Zusammenhang ein anderes Ausgleichsflächenmanagement, das möglichst interkommunal und regional bezogen gehandelt wird.
  • Wir brauchen eine bessere Beteiligung und schnellere Entscheidungswege zur Umsetzung aller Energieerzeugungsmöglichkeiten und zur vertieften Beteiligung der Bürger in den jeweiligen Gemeinden.
  • Wir brauchen ein Umdenken in den Köpfen von Sonder- und Fachbehörden und eine zeitnahe Erledigung anstehender Entscheidung.
  • Wir brauchen Unterstützung in der Vorbereitung der Rekommunalisierung der Netze, die nichts anderes als die Wiederübernahme auch in diesem Bereich von Verantwortung vor Ort bedeuten. Dabei sollen ausdrücklich die großen Energieversorger nicht bekämpft, sondern mit in die Überlegungen zur gemeinsamen Verantwortung vor Ort eingebunden werden. 

Wir erwarten verstärkte Anstrengungen des Landes zur Nutzung von Windkraft im Wald im Bereich der Staatsforsten. Wir tragen solche Entwicklungen gerne mit, wenn das Land uns bei diesen Überlegungen rechtzeitig einbindet und auch finanziell nicht nur über Gestattungsentgelte für Zuwegungen die Partizipation anbietet.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 09/2011

Winfried Manns
Geschäftsführendes  Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes