Der Verfassungsgerichtshof hat gestern den Beteiligten sein Urteil mit dem Ergebnis übermittelt, dass die neue gesetzliche Bestimmung, wonach die Gemeinden und Städte wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern dürfen, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden kann (sog. Subsidiaritätsklausel), mit der Landesverfassung vereinbar ist.
"Zu diesem Spruch kommt das Verfassungsgericht nach einer Reihe von Interpretationen der durch die Stadt Bad Kreuznach angefochtenen Bestimmungen, die aber insgesamt die kommunalen Positionen deutlich stärken," teilt Bürgermeister Ernst Walter Görisch, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz (GStB), das Ergebnis der Auswertung des Urteils heute mit.
Das Verfassungsgericht erkennt ausdrücklich an, dass die kommunale Selbstverwaltung auch die kommunale Wirtschaftstätigkeit umfasst. In dem Urteil wird herausgestellt, dass die bestehenden wirtschaftlichen Unternehmen nicht zur "Stagnation" verurteilt sind; vielmehr können neue Geschäftsfelder im Sinne einer Weiterentwicklung hinzutreten.
Die Grenze ist dort zu ziehen, wo eine wesentliche Erweiterung des Unternehmens beginnt, etwa wenn ein Unternehmen der Stromversorgung nun auch den Bereich der Gasversorgung übernehmen möchte.
Das Verfassungsgericht gibt in seinen Interpretationen zu der seit 1998 geltenden Neuregelung den Hinweis, dass in den Beurteilungsspielraum der Gemeinde, wenn sie etwa ein neues wirtschaftliches Unternehmen übernehmen möchte, nur darauf abzustellen ist, ob es konkret einen privaten Dritten gibt, der die betreffende Leistung auch in der selben "Güte", wie sie das kommunale Unternehmen erbringen kann, zu leisten imstande ist.
Bei der Auslegung des Merkmals "Güte" kommt es vor allem auf die Nachhaltigkeit an, d.h. Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit der öffentlichen Leistung. Schließlich ist es durch die Neuregelung keinem Unternehmen aufgegeben, rentierliche Betriebszweige an einen privaten Dritten abgeben zu müssen.
Ernst Walter Görisch: "Man darf bei der gesamten Diskussion nicht aus dem ‚Auge verlieren', dass etwaige Überschüsse aus wirtschaftlicher Betätigung im Ergebnis steuersenkende Wirkung haben. Fällt nämliche eine Einnahmequelle der Kommune, z.B. Überschüsse aus einem Unternehmen weg, sind die Einnahmeausfälle zwangsläufig zunächst aus Steuereinnahmen zu decken. So steht es ebenfalls in der Gemeindeordnung."
Reimer Steenbock, Geschäftsführer des GStB: "Beeindruckt hat mich auch der letzte Satz der Urteilsgründe, mit dem das Verfassungsgericht eine zweite wichtige Norm der Neuregelung des Gemeindewirtschaftsrechts als 'zahnlosen Tiger' darstellt. Ziel des Gesetzes war es, durch besondere Beteiligungsberichte Privatisierungspotenziale aufzuzeigen und darüber die Übertragung kommunale Unternehmer an private Dritte ‚zu erzwingen'. Das Verfassungsgericht stellt hierzu fest, dass gerade dieses mit der Neuregelung nicht erreicht werden kann."
Bürgermeister Ernst Walter Görisch fasst abschließend zusammen: "Enttäuschend an dem Urteil ist nur der Tenor. Man muss aber ein Urteil immer bis zum Ende lesen. Spätestens ab den Entscheidungsgründen kommt für die kommunale Selbstverwaltung und die Positionen der Gemeinden und Städte sehr viel Licht zum Vorschein. Die kommunale Familie wird mit diesem Urteil, durch das insgesamt die kommunale Selbstverwaltung gestärkt wird, sehr gut leben können."
Pressemitteilung des Gemeinde- und Städtebundes RP vom 09. Mai 2000