Gemeindefinanzreform noch zu retten?


Der Gesetzentwurf zur Gewerbesteuer ist korrekturbedürftig; er bietet so keine geeignete Beratungsgrundlage, auch der Entwurf zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe muss deutlich korrigiert werden.

Das machten die Vorsitzenden des Gemeinde- und Städtebundes, des Landkreistages und des Städtetages Rheinland-Pfalz, Ortsbürgermeister Manfred Seefeldt, Offenbach a. d. Queich, Dr. Christoph Wolff, Landau, und Landrat Hans Jörg Duppré, Südwestpfalz, in einer gemeinsamen Erklärung deutlich. Sie erinnerten an die Zusage des Bundesfinanzministers, keine Reform gegen die Kommunen zu beschließen. „Die schwere Finanzkrise der Kommunen lässt sich nur mit einer Lösung, wie von den kommunalen Spitzenverbänden vorgeschlagen, bewältigen.

Wir appellieren deshalb eindringlich an Bundestag und Bundesrat und an die rheinland-pfälzische Landesregierung, alles zu tun, um ein auch für die Kommunen akzeptables Ergebnis bei der Gemeindefinanzreform zu finden. Die Koalitionsfraktionen auf Bundesebene sollten ihre Anfang Juli beschlossenen Eckpunkte verwirklichen und die Zusagen ihrer beiden Sonderparteitage gegenüber den Kommunen einlösen,“ fordern die obersten Vertreter der rheinland-pfälzischen Kommunen.

„ Die Situation ist inzwischen so verfahren, dass ein Konsensgespräch von Bund, Ländern und Kommunen dringend erforderlich ist; die Gemeindefinanzreform darf nicht scheitern“, so die Vorsitzenden der drei Spitzenverbände. Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Wirtschaft erwarteten, dass die Kommunen wieder mehr investieren, dass genügend soziale und kulturelle Angebote zur Verfügung stehen, dass Schulen und Straßen endlich saniert werden.

Ihre inhaltliche Kritik an den Gesetzentwürfen fassen die Vorsitzenden wie folgt zusammen:

„ Die Gewerbesteuer wird nicht reformiert und gestärkt, sondern demontiert und weiter geschwächt. Die angekündigte Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben bleibt deutlich hinter der Zusage von mehreren Milliarden Euro zurück und wird wegen des Vorziehens der Steuerreform im Jahr 2004 nicht wirksam. Insgesamt ist außerdem zweifelhaft, ob die genannten Entlastungssummen realistisch sind. Es ist nicht auszuschließen, dass viele Kommunen bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe draufzahlen werden.“

Die kommunalen Spitzenverbände verlangen als Verhandlungsbasis für eine nachhaltige Entlastung der Kommunen 10 Milliarden Euro bundesweit. Diese Summe soll sich aus einer Stärkung der Gewerbesteuer, aus Entlastungen bei der Sozialhilfe und aus dem zugesagten Beitrag des Bundes für die Kinderbetreuung zusammensetzen. Die Kommunen haben Vorschläge auf den Tisch gelegt, wie diese Summe so ausgewogen finanziert werden kann, dass weder Bund und Länder noch die Wirtschaft überfordert würden.

Die einzelnen Einwände der Kommunen zu den Regierungsentwürfen:

1. Zu den Steuergesetzen

  • Die so genannte Reform der Gewerbesteuer ist in Wirklichkeit zu drei Vierteln nur eine Erhöhung des Anteils der Kommunen an der Umsatzsteuer. Diese Maßnahme macht 1,8 von 2,5 Milliarden Euro aus. Die Städte und Gemeinden verlieren so an Einfluss auf ihre Steuereinnahmen und geraten in stärkere Abhängigkeit von Bund und Land.
  • Die Reform ist mittelstandsfeindlich, weil die Kapitalgesellschaften durch die geplante Absenkung der Steuermesszahlen bei der Gewerbesteuer überproportional entlastet werden. Die von den Kommunen geforderte Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch die Einbeziehung von Zinsen, Mieten und Pachten könnte dagegen auch die derzeitige Benachteiligung des Mittelstandes aufheben, indem sie die Steuerschlupflöcher für Großunternehmen schließt.
  • Der Verzicht auf die bereits bestehenden vom Unternehmensertrag unabhängigen Elemente – vor allem auf die Hinzurechnung der Hälfte der Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag – greift die Gewerbesteuer in ihrer Substanz an und setzt sie der Gefahr aus, jetzt rechtlich insgesamt angreifbar zu werden. Dadurch wird die positiv zu beurteilende Einbeziehung der Selbständigen in die Gewerbesteuer zu einem Großteil wieder kompensiert.

2. Zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe

  • Die Summe von 2,5 Milliarden Euro, die den Kommunen ab 2005 als Entlastung angeblich bleiben sollte, ist „schön gerechnet.“ Begründung: Der Bund rechnet eine Entlastung der Kommunen durch den Wegfall der Sozialhilfe für Erwerbsfähige in Höhe von 11,6 Milliarden Euro vor. Er stellt dem 9,1 Milliarden Euro Ausgaben der Kommunen für die Mitfanzierung des neuen Leistungsrechtes gegenüber und errechnet so eine vermeintliche Nettoentlastung für die Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Nach dem Ergebnis der Kommission zur Gemeindefinanzreform beträgt die Entlastung der Kommunen jedoch nicht 11,6 sondern 10,6 Milliarden Euro. Dabei bleibt auch noch unberücksichtigt, dass die Sozialhilfe künftig in erheblichem Umfang Bezieher der bisherigen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe auffangen muss, die künftig nicht mehr als erwerbsfähig eingestuft werden. Hinzu kommt, dass die vorgelegten Entwürfe zur Sozialhilfereform Mehrbelastungen der Kommunen bringen werden.
  • Die fiktive Summe von 2,5 Milliarden Euro Entlastung für die Kommunen bundesweit ist außerdem mit neuen Leistungsverpflichtungen beim Ausbau der Kinderbetreuung befrachtet.
  • Der Bund schafft sich die Möglichkeit, einen neuen Verschiebebahnhof zwischen Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe zu eröffnen. So genannte arbeitsmarktferne Arbeitslose könnten dann zu Lasten der Kommunen wieder in der Sozialhilfe landen. Das von Gemeinden, Städten und Kreisen unterstützte einheitliche Leistungsrecht für alle Langzeitarbeitslosen würde dadurch wieder teilweise aufgegeben.

Pressemitteilung des Gemeinde- und Städtebundes RP vom 15. August 2003