„Der Ukraine-Krieg, die Klimakrise und die Corona-Pandemie bedeuten eine Zäsur in der europäischen und der deutschen Politik und betreffen die Kommunen unmittelbar. Gestörte Lieferketten, massiv steigende Energiepreise, die Unterbringung und Versorgung von Kriegsflüchtlingen und eine Neuausrichtung der Bundeswehr zur Stärkung der Bündnisverteidigung kennzeichnen die aktuelle Debatte. Aber auch die Corona-Pandemie, der Klimawandel sowie die Stärkung des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes sind Themen, die uns alle fordern. Ein „Weiter so“ kann und wird es angesichts dieser Herausforderungen nicht geben können“, betonten Oberbürgermeister Jörg Aumann, Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages und Bürgermeister Ralph Spiegler, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz anlässlich der gemeinsamen, länderübergreifenden Sitzung der beiden kommunalen Spitzenverbände in Saarlouis.
Sowohl im Saarland, als auch in Rheinland-Pfalz leisten die Gemeinden und Städte bei der Aufnahme der Kriegsvertriebenen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Enormes, so die Verbandsspitzen weiter. In Rheinland-Pfalz wurden knapp 35.000 Personen aufgenommen, davon über 40 Prozent Kinder und Jugendliche. Im Saarland konnten rund 7000 Menschen eine Zuflucht finden. „Unser Dank gilt dem Verwaltungspersonal, aber auch den zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Zeit zum Durchatmen gibt es aktuell leider wenig. Wenn die Menschen länger bleiben, brauchen wir entsprechenden Wohnraum. Dieser ist aber in den letzten Jahren immer knapper geworden. In den Kitas fehlt es an ausreichenden Fachkräften. Den Herausforderungen werden wir nur mit weniger Bürokratie, Flexibilisierung von Standards und finanziell handlungsfähigen Städten und Gemeinden begegnen können, um vor Ort realisierbare Lösungen zu ermöglichen. Wir brauchen flexible Lösungen, um mehr Kitas und mehr Kitaplätze zu schaffen. Da Personal nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht, müssen wir verstärkt auf Hilfskräfte, aber auch auf Personen setzen, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind und häufig eine entsprechende Aus- und Vorbildung haben.“
Die Ukraine-Krise bietet auch die Chance, die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik neu aufzustellen. Die beiden kommunalen Spitzenverbände begrüßten ausdrücklich die von Bund und Ländern beschlossenen Finanzhilfen und bestärkten ihre Forderung, die Mittel zeitnah an die Kommunen weiterzuleiten: „Niemand weiß, wie sich der Krieg weiterentwickelt. Es kann sein, dass die Zahl der Vertriebenen weiter deutlich zunimmt und die bisher eingeleiteten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen. Darauf müssen sich Bund und Länder vorbereiten und die entsprechenden auch finanziellen Instrumente den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen.“
Gleichzeitig arbeiten die Kommunen in diesen bewegten Zeiten mit Hochdruck weiter an der Digitalisierung der Verwaltung – ein Mammut- und Milliardenprojekt. Dabei wird die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes nur gelingen, wenn Bund, Länder und Kommunen hier an einem Strang ziehen und Schwerpunkte entsprechend der Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger sowie Wirtschaft gesetzt werden.
„Die Kommunen sind bei der Krisenbewältigung systemrelevant. Gerade die rheinland-pfälzischen und saarländischen Kommunen sind mit Spitzenreiter bei der kommunalen Verschuldung. Gerade im Hinblick auf das steigende Zinsniveau besteht damit Gefahr für die Handlungsfähigkeit vor Ort. Nur starke und handlungsfähige Kommunen sind in der Lage, sich resilient aufzustellen“, so Aumann und Spiegler. Vor diesem Hintergrund haben der Saarländische Städte- und Gemeindetag und der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz eine Resolution zur Stärkung der Kommunalfinanzen durch Übernahme der Liquiditätskredite verabschiedet. Die Altschuldenfrage ist einer der am dringendsten zu lösenden Fragen für die Städte und Gemeinden in beiden Bundesländern. „Die Verbände haben die Äußerung des Bundesfinanzministers, dass die Altschuldenproblematik endlich angegangen werden soll, positiv aufgenommen. Dies ist auch ohne Grundgesetzänderung möglich. Den Ankündigungen müssen jetzt aber auch die Taten folgen“, fordern die Verbände.
Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen politisch auf die Zeitenwende und die anstehenden Veränderungen vorbereitet werden. „Die Krisen können wir nur gemeinsam meistern. So kann der weitere Ausbau erneuerbarer Energien nur gelingen, wenn die Menschen auch bereit sind, die notwendigen Schritte mitzugehen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Staat nicht alles und immer mehr leisten kann. Damit wir auch zukünftig in einer freiheitlichen und zukunftsfähigen Demokratie leben können, sind wir alle gefragt. Wir dürfen nicht ständig diskutieren, was alles nicht geht, sondern wie wir das mit den jetzt verfügbaren Ressourcen meisten können. Dazu gehört auch, dass viele der erreichten Standards auf den Prüfstand gestellt werden und gegebenenfalls in Planung befindliche Vorhaben wie der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule nach den derzeitig vorgegebenen Rahmenbedingungen verschoben werden müssen. Das muss mit den Menschen offen diskutiert werden“, so Aumann und Spiegler abschließend.
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