„Nachdem Deutschland mit mehrjähriger Verspätung und erst nach Klagedrohung aus Brüssel den Energieausweis für Immobilien eingeführt hat, spiegelt dessen mangelhafte Umsetzung das Desinteresse dieser Bundesregierung an einem wirksamen Klimaschutz wider“, so der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch. Bund und Länder müssten dringend klären, wie sie durch wirksame Kontrollen sicherstellen, dass den Immobilienkunden vor dem Kauf bzw. der Miete die Informationen zum Energieverbrauch vorliegen. Resch fordert die Bundesregierung außerdem dazu auf, im Rahmen der im Jahr 2016 geplanten Überarbeitung der Energieeinsparverordnung (EnEV) Ausnahmeregelungen zum Energieausweis bei der Bewerbung von Immobilien zu streichen und gesetzliche Voraussetzungen für einen erleichterten Vollzug zu schaffen.
Eine Abfrage des Kontrollverhaltens der zuständigen Landesbehörden durch die DUH im Frühjahr 2015 ergab, dass kein Bundesland die Vorlage des Energieausweises kontrolliert und auch keine anlassunabhängigen Stichprobenkontrollen durchführt. Nur die vier Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen erklärten, dass sie bei ausdrücklichen Bürgerbeschwerden hin tätig werden. Mit Blick auf das Wohnungsgrundrecht wird von Bremen der Standpunkt vertreten, dass ein behördliches Betretungsrecht nur bei konkretem Verdacht einer Rechtsverletzung bestehe.
Dass der Energieausweis von Immobilienanbietern nur selten vorgelegt wird, bestätigt auch der DMB. Der Energieausweis bleibe ein Papiertiger. Die seit einem Jahr bestehende Vorlagepflicht bei der Vermietung von Wohnungen werde von Vermietern und Maklern nicht ernst genommen, meint DMB-Geschäftsführer Ulrich Ropertz.
Nach einer Stichprobe der DMB-Mietervereine Berlin, München, Hannover und Stuttgart haben 75 Prozent der Anbieter bei Wohnungsbesichtigungen den DMB-Testpersonen den Energieausweis nicht wie gesetzlich vorgeschrieben unaufgefordert vorgelegt. Erst auf Nachfrage legte ein Viertel der Vermieter bzw. Makler einen Energieausweis vor. Insgesamt machten 50 Prozent der Vermieter selbst auf Nachfrage keine Angaben zur Energieeffizienz der Wohnobjekte. Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes ist das ein „katastrophales Ergebnis“. Viele Wohnungssuchende erhielten keine Informationen zum energetischen Zustand des Gebäudes. Die Wohnungsanbieter verweigerten sich dem Transparenzinstrument Energieausweis.
„Diese Verweigerungshaltung scheint bei professionellen Vermietern besonders groß zu sein. Bei 80 Prozent der von Maklern bzw. bei 75 Prozent der von Wohnungsunternehmen angebotenen Wohnungen wird der Energieausweis nicht unaufgefordert vorgelegt. Hier werden die gesetzlichen Bestimmungen bewusst missachtet. Kontrollen und Sanktionen sind deshalb dringend notwendig“, so Ropertz.
In einer aktuellen Untersuchung von insgesamt 3.532 Immobilienanzeigen stellte die DUH eine „alarmierend schlechte Umsetzung der Kennzeichnungsvorschrift“ fest. Nur bei 1.056 von 1.600 untersuchten Vermietungs- und Verkaufsangeboten gewerblicher Anbieter wurde der Endenergiekennwert angegeben, dies entspricht 66 Prozent. Bei den 1.932 geprüften Angeboten privater Vermieter bzw. Verkäufer war die Quote noch deutlich schlechter. Ganze 279 Angebote (14 Prozent) der privaten Immobilienangebote, enthielten die erforderlichen Informationen. Damit liegt die Gesamtquote vorbildlich gekennzeichneter Werbeanzeigen bei nur 38 Prozent.
Der Gesetzgeber erlaubt bislang, dass Immobilien auch ohne Angaben zum Energiebedarf bzw. -verbrauch beworben werden dürfen, wenn der Energieausweis zum Zeitpunkt der Anzeigenschaltung noch nicht vorlag. Viele Immobilienanbieter verweigern den Angaben zufolge die Angaben mit Hinweis auf diese Ausnahmeregelung.
Es sei sehr ärgerlich, dass dieses Schlupfloch von vielen gewerblichen Anbietern ausgenutzt wird, meint die Leiterin Verbraucherschutz bei der DUH, Agnes Sauter. Spätestens zum Zeitpunkt der meist wenige Tage später stattfindenden Besichtigung müsse ja der Energieausweis vorliegen. Stichprobenhafte Kontrollen der Besichtigungstermine hätten aber gezeigt, dass dann der Energieausweis ebenfalls nicht vorgelegt werde.
Die Abfrage des Kontrollverhaltens der Landesbehörden bzgl. der Einhaltung der Informationspflichten bei der Bewerbung von Immobilien in Zeitungen und kommerziellen Medien ergab den Verbänden zufolge ein „ebenfalls erschreckendes Bild“. Die Pflichten würden bisher praktisch in keinem Bundesland überwacht. Verstöße gegen die Informationspflichten können zudem erst ab dem 1. Mai 2015 mit einem Bußgeld geahndet werden. Rheinland-Pfalz verweigere die Marktüberwachung beispielsweise mit dem Argument, dass nach eigener Auffassung die Verpflichtung zur Angabe der Energiekennwerte „weitgehend eingehalten“ werde. Sachsen vertrete den Standpunkt, anlassunabhängige Kontrollen von Werbeanzeigen seien gesetzlich nicht vorgesehen. Hessen wiederum fühle sich nicht verantwortlich, die Pflichtangaben zum Energieausweis in Immobilienanzeigen zu kontrollieren.