Kreis der Abgabenpflichtigen darf nicht rückwirkend erweitert werden


Die Klägerin, eine sich in Liquidation befindende GmbH, wandte dagegen, für das Jahr 2008 zu Abwassergebühren herangezogen zu werden. Zudem verlangte sie die Rückzahlung bereits geleisteter Abwassergebühren, so der VGH zum Sachverhalt. Bis zu ihrer Auflösung, die am 15.07.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde, stellte sie auf dem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück Fruchtsaftgetränke her.

Nach ihrer 2002 in Kraft getretenen Abwassersatzung (AbwS) betrieb die Gemeinde die Abwasserbeseitigung als öffentliche Einrichtung. Bei Grundstücken, die an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, wurde die Gebühr einheitlich nach der auf dem Grundstück anfallenden Abwassermenge bemessen. Als angefallene Abwassermenge galt die dem Grundstück in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge. Die Gebühr betrug zunächst 3,04 Euro je Kubikmeter Abwasser. Die Gebühr wurde mit Änderungssatzung ab 2005 auf 3,54 Euro je Kubikmeter Abwasser erhöht.

Die Gemeinde beschloss am im September 2014 rückwirkend eine neue Abwassersatzung für die Jahre 2008 und 2009. Mit Bescheiden vom 31.12.2008 zog die Gemeinde die GmbH auf der Grundlage ihrer Satzung von 2001/2005 zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 in Höhe von 26.008 Euro und 10.152 Euro heran. Dabei legte sie einen Frischwasserverbrauch von 7.347 Kubikmeter beziehungsweise 2.868 Kubikmeter zu Grunde.

Gegen die Bescheide legte die GmbH Anfang 2009 Widerspruch ein und beantragte, das von ihr im Jahr 2008 nicht eingeleitete Abwasser bei der Bemessung der Abwassergebühren abzusetzen. Zur Begründung führte sie aus, von der an der Entnahmestelle „Keller“ entnommenen Trinkwassermenge von 7.347 Kubikmeter seien mindestens 3.294 Kubikmeter, von den an der Entnahmestelle „Abfüllerei“ entnommenen Trinkwassermenge von 2.868 Kubikmeter mindestens 1.281 Kubikmeter nicht in die gemeindliche Kanalisation eingeleitet, sondern zur Herstellung von Fruchtsäften verwendet worden.

Das Landratsamt Schwäbisch Hall wies den Widerspruch im April 2010 zurück und führte zur Begründung aus: Nach der AbwS würden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet worden seien, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühren abgesetzt. Der Nachweis könne auf verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte oder, wenn solche Werte fehlten, durch ein Einzelgutachten geführt werden. Bei Fruchtsaftbetrieben fehle es wegen der unterschiedlichen Produktionsweisen an allgemeinen Erfahrungswerten. Die nicht eingeleiteten Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die GmbH bisher aber nicht erbracht.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob die Abwassergebührenbescheide vom 31.12.2008 auf und verpflichtete die Gemeinde dazu, die entrichteten Abwassergebühren in Höhe von 18.080 EUR an die GmbH zurückzuzahlen (Az.: 1 K 1568/10 vom 17.02.2011). In seinem Urteil betonte das Gericht unter anderem, die Abwassersatzung der Gemeinde von 2001/2005 sei nichtig, da sie keine gültige Maßstabsregelung enthalte. Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den einheitlichen Frischwassermaßstab vor, der gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.

Dagegen legte die Gemeinde Berufung ein, die nach Auffassung des VGH nur zum Teil begründet ist. Die Aufhebung der Gebührenbescheide der Gemeinde hat der VGH bestätigt.  

Die Klage sei schon deshalb begründet, weil die GmbH nicht Gebührenschuldnerin ist. Maßgeblich für die Beurteilung sei dabei nicht die Abwassersatzung von 2001/2005, da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte. Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit frühestens durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt - entstehen, beurteile sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen, führt der VGH aus. Danach ist der Grundstückseigentümer beziehungsweise der Erbbauberechtigte Schuldner der Abwassergebühren. Beides treffe auf die GmbH nicht zu. Im Hinblick auf eine mögliche rückwirkende Änderung dieses Sachverhalts stellt der VGH fest, dass die rückwirkende Ersetzung einer Satzung, die wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksam ist, durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes zulässig sei. Das gelte aber nicht für abgeschlossene Tatbestände. Die neue Regelung stelle sich dann als rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar, die mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbaren sei. „Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist“, so der VGH.