OVG: Schärfere Überwachungswerte bedürfen eines Sanierungskonzepts


Das OVG in Lüneburg hat damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg (Az.: 5 A 2793/11 vom 03.07.2013) geändert, dem zufolge die Überwachungswerte der Abwasserverordnung von der Unteren Wasserbehörde verschärft werden können, auch wenn der Einleiter die Überwachungswerte seit Jahren unterschreitet.

Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOMV) wandte sich dem OVG zufolge gegen drei Bescheide des beklagten Landkreises Vechta vom August 2011, mit denen dieser Überwachungswerte für die vom OOMV betriebenen Kläranlagen Bakum, Lohne/Rießel und Lohne-Nordlohne geändert und neu festgesetzt hatte.  Wie das OVG ausführt, hatte der Kreis als Untere Wasserbehörde für die Kläranlage Bakum die Überwachungswerte für den Chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) auf 70 Milligramm pro Liter (zuvor 90 Milligramm pro Liter), für Stickstoff (Nges) auf zehn Milligramm pro Liter (zuvor 18 Milligramm pro Liter) und für Phosphor (Pges) auf 1,5 Milligramm pro Liter (zuvor zwei Milligramm pro Liter) neu festgelegt. Für die beiden anderen Kläranlagen setzte die Behörde die Überwachungswerte für CSB auf 60 Milligramm pro Liter (zuvor 90 Milligramm pro Liter)  und für Nges auf 14 Milligramm pro Liter (zuvor 18 Milligramm pro Liter) fest.

Der Landkreis verwies darauf, dass die Anlagen die gesetzlich vorgesehenen und zuvor festgesetzten Mindestanforderungen nach Anhang 1 der Abwasserverordnung seit 1992 unterschreiten würden. Damit sei es dem Betreiber möglich gewesen, die Abwasserabgabe zu reduzieren. Die jetzt erfolgte Herabsetzung diene der Sicherstellung einer besseren Wassergüte und -qualität in der Zukunft.

Der OOMV legte Widerspruch ein, die der  Landkreis mit der Begründung zurückwies, eine Herabsetzung der Überwachungswerte sei sowohl zulässig als auch verhältnismäßig. Mit ihr könne die Gewässerqualität des Bakumer Bachs, des Hopener Mühlenbachs und der Schellohne nachhaltig verbessert und die verbesserte Qualität auch aufrechterhalten werden. Dem Kläger bliebe nach den vorliegenden Messwerten ein hinreichender Puffer von 20 Prozent. Die wirtschaftlichen Interessen des Verbandes hätten gegenüber einer dauerhaften Gewässerverbesserung zurückzustehen.

Das Verwaltungsgericht hielt diese Argumentation für schlüssig. Das OVG kommt demgegenüber zu dem Schluss, dass das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Bescheide zu Unrecht abgewiesen hat. Zwar habe die zuständige Behörde nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) durchaus das Recht, auch nachträglich durch Inhalts- und Nebenbestimmungen zu einer wasserrechtlichen Erlaubnis Anforderungen an die Beschaffenheit einzubringender oder einzuleitender Stoffe zu stellen. Der Landkreis Vechta habe es aber aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht hinreichend belegt, dass eine Verschärfung der Überwachungswerte der drei betroffenen Kläranlagen über den Stand der Technik hinaus notwendig sei.

Der Kreis habe erklärt, für die Gewässer Bakumer Bach, Hopener Mühlenbach und die Schellohne bestünden keine Maßnahmenprogramme beziehungsweise Bewirtschaftungspläne, führt das Gericht aus. Für den Bakumer Bach werde zurzeit mit Förderung des Landes ein Gewässerentwicklungsprogramm zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erarbeitet. Es bestünden damit bislang keine konkreten Vorgaben für die Bewirtschaftung der betroffenen Gewässer, an die die verschärften Überwachungswerte anknüpfen könnten, stellt das OVG fest. Der schlichte Hinweis auf die Wasserrahmenrichtlinie und die Bewirtschaftungsziele des WHG reichten nicht aus.

Die Zielbestimmungen des § 27 WHG bedürfen dem Urteil zufolge darüber hinaus zunächst der Umsetzung durch Bewirtschaftungsprogramme und Maßnahmenpläne, die den Zustand der Gewässer und die Quellen etwaiger Belastungen insgesamt in den Blick nehmen und auf die einzelnen Gewässer bezogene Ziele definieren. Erst aus diesen heraus ließen sich dann im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens konkrete Maßnahmen ableiten. Nur eine derart konzeptionelle Herangehensweise rechtfertige es auf der Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie und der Bewirtschaftungsziele des WHG, die Überwachungswerte über den Stand der Technik hinaus zu verschärfen.

Auch der Zustand der betroffenen Gewässer rechtfertigt es dem Urteil zufolge aus sich heraus nicht die von dem Landkreis vorgenommene Verschärfung. Der Kreis habe vorgetragen, der Bakumer Bach sei in die Gewässergüteklasse II-III einzuordnen und damit als kritisch einzustufen. Der Hopener Mühlenbach sei in die Gewässergüteklasse III einzuordnen; es handele sich also um ein stark verschmutztes Gewässer. Im Berufungsverfahren habe er den Gewässerzustand des Bakumer Bachs mit schlecht (5) und den des Hopener Bachs mit unbefriedigend (4) bezeichnet.

Das OVG stellt fest, dass der Gewässerzustand des Bakumer Bachs und des Hopener Mühlenbachs aufgrund der Einstufung ihrer Gewässergüte verbesserungsbedürftig sein könnte, diese Erkenntnis aber „keine gleichsam freihändige Festsetzung schärferer Überwachungswerte ohne zugrundeliegendes Sanierungskonzept“ rechtfertige. Will die zuständige Wasserbehörde an die Einleitung von Abwasser zur Sanierung eines Gewässers über den Stand der Technik hinausgehende Anforderungen stellen, so muss sie sich zuvor Klarheit über die Ursachen des schlechten Gewässerzustandes sowie die zu ergreifenden Maßnahmen und deren Wirkung verschaffen, heißt es in dem Urteil. Ein derartiges Sanierungskonzept sei im vorliegenden Fall erkennbar nicht erstellt worden, und eine Bestandsaufnahme der konkreten Beeinträchtigungen der betroffenen Gewässer habe nicht stattgefunden.