Gegen das entsprechende Urteil des Verwaltungsgericht Kassel (Az: 6 K 1682/08.KS vom 17.12.2009) wandte sich die beklagte Stadt in der Berufung vor dem VGH. Die Bescheide seien rechtswidrig, weil zum Zeitpunkt der endgültigen Fertigstellung des Bauprogramms zur Umstellung von Teil- auf Vollkanalisation am 25. März 2003 kein gültiges Satzungsrecht bestanden habe, so das Verwaltungsgericht. Die von der Beklagten der Beitragserhebung zugrunde gelegte Entwässerungssatzung vom 20. März 2006 bestimme, dass die Satzung am 1. April 2006 in Kraft trete und gleichzeitig die bisherige Entwässerungssatzung außer Kraft trete. Dementsprechend habe zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht im Frühjahr 2003 kein Satzungsrecht bestanden, so das Urteil des Verwaltungsgerichts.
Die Stadtverordnetenversammlung beschloss am 26. Januar 2010 die Entwässerungssatzung EWS 2010, die Anfang Februar 2010 in der Frankenberger Zeitung und in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen veröffentlicht wurde. Gemäß der EWS 2010 kommt der Satzung eine Rückwirkung zum 1. Januar 2003 zu.
Die Stadt bekräftigte in ihrer Berufung vor dem VGH Hessen ihre Auffassung, dass die angefochtenen Bescheide vom 6. Juni 2006 rechtmäßig seien. Bereits das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass den streitgegenständlichen Abwasserbeitragsbescheiden nicht die Festsetzungsverjährung entgegenstehe, weil die letzte Unternehmerrechnung am 25. März 2003 bei der Stadt eingegangen sei. Mit der Änderungssatzung vom 26. Januar 2010 verfüge die Stadt darüber hinaus auch über eine wirksame Entwässerungssatzung für das am 25. März 2003 fertig gestellte Bauprogramm. Diese Satzungsänderung sei auch rechtmäßig.
Das Urteil des VGH Hessen folgt der Argumentation der Stadt weitgehend. Das Verwaltungsgericht habe die Abwasserbeitragsbescheide der Stadt zu Unrecht aufgehoben, so der VGH. Zweifel daran, dass die der Regelung zur Rückwirkung im Kommunalabgabengesetz verfassungsgemäß ist, bestehen nicht, heißt es in dem Urteil. Zwar habe der der Anwalt des Klägers in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend ausgeführt, dass eine echte Rückwirkung als nachträglich ändernder Eingriff in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig sei, während eine Einwirkung des Gesetzgebers auf bereits begründete, aber noch nicht abgewickelte Sachverhalte als unechte Rückwirkung grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sei (Az.: 1 BvR 2384/08 vom 03.09.2009).
Hat eine Stadt ihre Absicht, eine bestimmte Abgabe zu erheben, durch den förmlichen Erlass einer entsprechenden Satzung kundgetan, könne der Bürger, auch wenn er sie für rechtswidrig hält, kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, auf Dauer von dieser Abgabe verschont zu bleiben. Sofern diese Gründe für die Rechtswidrigkeit der Satzung in einer Weise behoben werden könnten, die den Charakter und die wesentliche Struktur der von Anfang an beabsichtigten Abgabe unberührt ließen, stehe das durch das Grundgesetz geschützte Vertrauen des Bürgers der rückwirkenden „Reparatur“ einer solchen Satzung nicht entgegen, so das Bundesverfassungsgericht.