Diese und andere Grundsätze hat das Verwaltungsgericht (VG) Regensburg getroffen (Urteil vom 14.07.2014, Aktenzeichen: RN 3 K 13.1812). Es hob einen anderslautenden Bescheid des Landratsamts Kelheim vom September 2013 auf. Das Urteil sei vorläufig vollstreckbar, und die Beklagte habe die Kosten des Verfahrens zu tragen, heißt es in dem Urteil.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung, erklärte das VG zum Sachverhalt. Sie sei seit Februar 2012 Eigentümerin zweier nebeneinander liegender Grundstücke, die nicht bebaut waren. Die Grundstücke waren ursprünglich Teile anderer Grundstücke und hatten von 1959 bis 2012 unterschiedliche Eigentümer.
Laut einem Bebauungsplan aus dem Jahr 1961 sollte auf den Grundstücken ein Wohnhaus errichtet werden, heißt es in dem Urteil. Hierzu wurde im Jahr 1962 eine entsprechende Baugenehmigung erteilt. Der Bau wurde allerdings nicht ausgeführt, da das Vorhaben zurückgestellt worden war. Der Finanz- und Verwaltungsausschuss der beklagten Kommune setzte im Jahr 1965 „Anschlussgebühren“ für den Wasseranschluss und den Kanalanschluss in Höhe von jeweils 630 D-Mark fest, wenngleich die Kommune diesen Betrag nicht einziehen konnte. Darüber hinaus erhob die Kommune im gleichen Jahr für die beiden Grundstücke einen Erschließungsbeitrag von 3.948,81 D-Mark.
Im November 2012 erhob die Kommune einen Herstellungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung in Höhe von 2.537,50 Euro, den das Gericht nun als Streitwert des Verfahrens festsetzte. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den das Landratsamt Kelheim mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2013 zurückwies. Daraufhin erhob die Klägerin im November 2013 beim VG Regensburg Klage.
Zur Begründung führte sie an, dass die Beitragsforderung verjährt sei. Beide Grundstücke bildeten keine wirtschaftliche Einheit. Für die Bebaubarkeit komme es nicht auf die eigentumsrechtliche Situation an. Der maßgebliche Bebauungsplan habe bereits seit 1961 bestanden. Zudem sei die Klägerin nicht Beitragsschuldnerin. Ein Recht zum Anschluss habe der Voreigentümer gehabt, sobald dieser Eigentümer der beiden Grundstücke geworden sei, so dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht entstanden sei. Eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben sei verfassungswidrig. Darüber hinaus liege auch eine Verwirkung einer Beitragsforderung vor.
Die Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Ansicht sei die Beitragsforderung nicht verjährt. Da die Entwässerungssatzung vom 31. März 1965 nur solche unbebauten Grundstücke als beitragspflichtig bestimmt habe, auf denen außer Niederschlagswasser weiteres Abwasser anfalle, hätten die zunächst avisierten „Kanal- und Wasseranschlussgebühren“ mangels Bebauung nicht erhoben werden können. Ein Beitragstatbestand für beide Grundstücke sei nicht entstanden. Da die beiden aneinander angrenzenden Grundstücke im Bebauungsplan einer gemeinsamen baulichen Nutzung mit einheitlicher Zweckbestimmung zugeführt seien, seien sie jeweils für sich genommen nicht bebaubar, führte die Beklagte zu ihrer Verteidigung weiter aus.
Die Festsetzungsverjährungsfrist beginne mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Berechnung möglich sei. Da die beitragsveranlagende Stelle der Beklagten erst im Oktober 2012 Kenntnis von der Eigentümeridentität erlangt habe, sei der Verjährungsbeginn bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt gewesen. Als Eigentümerin sei die Klägerin zur Tragung der entsprechenden Herstellungsbeiträge verpflichtet.
Die dreißigjährige Höchstfrist zur Festsetzung des Beitrags sei daher nicht abgelaufen. Man müsse bezüglich der Vorteilslage auf das einzelne Grundstück abstellen. Dieses genieße die Vorteilslage erst, wenn es sowohl durch eine im Wesentlichen betriebsfertige Einrichtung erschlossen sowie entweder bebaubar oder tatsächlich bebaut und angeschlossen sei. Die beiden Grundstücke seien nur gemeinsam bebaubar. Die Vorteilslage sei frühestens in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem beide Grundstücke demselben Eigentümer gehörten. Dies sei nach dem Vortrag der Klägerin erstmals zum 3. März 2000 geschehen.
Das VG Regensburg entschied, dass die zulässige Klage begründet sei. Der Beitragsbescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Festsetzung des Herstellungsbeitrags im Jahr 2012 sei nicht mehr zulässig gewesen, da die Vorteilslage für die beiden veranlagten Grundstücke bereits im Jahr 1962 eingetreten sei.
Gemäß Kommunalabgabengesetz ist § 169 der Abgabenordnung mit der Maßgabe anwendbar, dass die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, erklärte das Gericht. Kann der Beitrag aufgrund eines Verstoßes der Mitwirkungspflicht nicht festgesetzt werden, betrage die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, betrage die Frist einheitlich 30 Jahre. Mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans aus dem Jahr 1961 waren die Grundstücke bebaubar.
Der Begriff der Vorteilslage knüpfe an das Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung an, erklärte das Gericht. Bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung der Beitragspflicht auch nach der Rechtsprechung unter anderem das Erschlossensein des Grundstücks durch eine betriebsfertige Einrichtung voraus. Erschlossen sei ein Grundstück durch eine leitungsgebundene Einrichtung in der Regel dann, wenn die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Inanspruchnahme gegeben sei. Das sei anzunehmen, wenn der in der öffentlichen Straße verlegte Kanal bis zur Höhe der Grundstücksgrenze heranreicht. Der gemeindliche Kanal wurde im vorliegenden Fall bereits im Jahr 1962 verlegt. Eine betriebsfertige Einrichtung war damals nach dem Vorbringen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung bereits vorhanden. Die streitgegenständlichen Grundstücke seien seit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans bebaubar, entschied das Gericht. Für eine Bebaubarkeit komme es nicht darauf an, dass das Eigentum beim selben Rechtsinhaber zusammenfällt.
Schließlich komme es auch nicht darauf an, ob das in den 1960er Jahren gültige Satzungsrecht eine Beitragspflicht für unbebaute Grundstücke nur vorsah, wenn außer Niederschlagswasser auch „weiteres Abwasser“ anfiel, führte das VG in seinem Urteil weiter aus. Der Begriff der Vorteilslage solle nämlich an für den Bürger ohne weiteres bestimmbare, rein tatsächliche Gegebenheiten anknüpfen und rechtliche Entstehensvoraussetzungen für die Beitragsschuld außer Acht lassen. Die Ausschlussfrist begann am 1. Januar 1963 zu laufen, unterstreicht das Gericht. Sie endete am 31. Dezember 1992. Der Herstellungsbeitrag durfte daher im Jahr 2012 nicht mehr erhoben werden.