Ein an eine ausgebaute Straße grenzendes Grundstück, auf dem eine kommunale Abwassereinigungsanlage betrieben wird, zählt damit zu den von der Straßenausbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke, auf die der umlagefähige Aufwand zu verteilen ist, heißt es in dem Urteil.
Der klagende Grundstückseigentümer wandte sich gegen die Höhe eines Straßenausbaubeitrags. Die Gemeinde ließ ab Herbst 2001 Baumaßnahmen an der Straße durchführen. Im Oktober 2008 setzte sie für das Flurstück des Klägers einen Straßenausbaubeitrag in Höhe von rund 23.000 Euro fest. Ihr an die Straße grenzendes, rund 80.000 Quadratmeter großes Flurstück 2/15 bezog sie nur im Umfang von rund 11.000 Quadratmetern in die Verteilung des umlagefähigen Aufwands ein. Auf der nicht einbezogenen Teilfläche befindet sich die als Eigenbetrieb geführte Abwasserreinigungsanlage der Gemeinde. Auf der einbezogenen Teilfläche befand sich bis 2009 die Kammerfilterpresse des Klärwerks; außerdem liegen dort der Baubetriebshof der Gemeinde und Gebäude ihres Kanalbaubetriebs.
Mit seiner gegen den Bescheid erhobenen Klage hat der Eigentümer die Auffassung vertreten, das Flurstück 2/15 sei insgesamt in die Verteilung einzubeziehen, weil alle Teilflächen von den Baumaßnahmen bevorteilt seien. Mit Urteil vom 10. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht Göttingen den Bescheid aufgehoben, soweit ein Ausbaubeitrag von mehr als rund 14.342 EUR festgesetzt wurde. Die Gemeinde habe zu Unrecht den weit überwiegenden Teil ihres Flurstücks 2/15 nicht in die Aufwandsverteilung einbezogen, argumentierte das Verwaltungsgericht. Dort hätten bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht zahlreiche Bauwerke gestanden, die teils der Abwasserreinigung, teils anderen Zwecken gedient und in erheblichem Umfang Ziel- und Quellverkehr ausgelöst hätten, für dessen Abwicklung das Grundstück ausschließlich auf die Straße angewiesen gewesen sei. Abwasserreinigungsanlagen zählten weder zu den beitragsfähigen Erschließungsanlagen noch könnten sie wegen der fehlenden Bezogenheit auf das konkrete Abrechnungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des Baugesetzbuches (BauGB) sein. Hinzu komme, dass das Flurstück nicht nur für Zwecke des Klärwerks genutzt werde.
Zur Begründung ihrer gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichteten Berufung führte die Gemeinde aus, das Klärwerk sei als Erschließungsanlage bei der Aufwandsverteilung nicht zu berücksichtigen. Flächen, die dauerhaft Erschließungszwecken dienten, bevorteilten selbst andere Grundstücke. Aufgrund der hohen Investitionen für das Klärwerk sei es ausgeschlossen, dass die Fläche künftig einer anderen Nutzung zugeführt werde. Klärwerke seien mit öffentlichen Grün- und Parkanlagen vergleichbar, die anerkannter Maßen als Erschließungsanlagen nicht von einem Straßenausbau bevorteilt seien.
Nach Auffassung des OVG hat das Verwaltungsgericht der Klage des Eigentümers zu Recht stattgegeben. An der Bevorteilung des Grundstücks ändere sich nichts allein dadurch, dass der Betrieb des Klärwerks unzweifelhaft einem öffentlichen Zweck dient, heißt es in dem Urteil des OVG. Dieser Umstand stehe für sich genommen einer Straßenausbaubeitragspflicht nicht entgegen. Im Gegenteil spreche dieser Umstand unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsgerechtigkeit dafür, die Finanzierungsverantwortung für Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Straßenausbau, soweit sie auf den betreffenden Grundstücksteil entfallen, mittelbar allen denjenigen Bürgern aufzuerlegen, die an die Einrichtung „Klärwerk“ angeschlossen sind, und nicht nur den übrigen Anliegern der ausgebauten Straße.
Die Gemeinde kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei ihrem Klärwerk selbst um eine Erschließungsanlage im Sinne des BauGB handle. Nach der Rechtsprechung gelten diejenigen Grundflächen von Erschließungsanlagen als vom Straßenausbau nicht bevorteilt, die kraft einer entsprechenden Festsetzung im Bebauungsplan oder kraft einer Widmung für eine öffentliche Zweckbestimmung nur öffentlich nutzbar sind und insoweit für andere als Erschließungszwecke, insbesondere für private Zwecke, nicht genutzt werden können, heißt es in dem Urteil. Dagegen seien Flächen, auch solche von Erschließungsanlagen, dann als vom Straßenausbau bevorteilt anzusehen, wenn sie ihrer Zweckbestimmung nach für eine - auch öffentlichen Zwecken dienende - betriebliche Nutzung genutzt werden. Eine Einbeziehung in die Aufwandsverteilung sei lediglich dann ausgeschlossen, wenn eine die betriebliche bzw. private Nutzung ausschließende öffentliche vorliege, die dazu führt, dass die Teilfläche der Allgemeinheit zur Verfügung stehe.
Davon ausgehend ist die Teilfläche des Flurstücks 2/15, auf der sich das Klärwerk befindet, dem Urteil zufolge nicht von der Aufwandsverteilung auszunehmen. Zwar handle es sich bei dem Klärwerk durchaus um eine Erschließungsanlage im Sinne des BauGB. Wie sich aus der Begründung des Entwurfs des Bundesbaugesetzes (BBauG) ergebe, hat der Gesetzgeber als Erschließungsanlagen in diesem Sinne auch „Anlagen für die Behandlung, Beseitigung oder Verwertung von Abwasser“ angesehen, führt das OVG aus. Es fehle aber im Hinblick auf die Teilfläche des Flurstücks 2/15, auf der das Klärwerk steht, an einer die betriebliche bzw. private Nutzung ausschließenden öffentlichen Zweckbestimmung, die dazu führe, dass die Teilfläche der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Insoweit unterscheide sich der vorliegende Fall von den in der bisherigen Rechtsprechung anerkannten Fällen, in denen Grundstücke aus dem Kreis der in die Aufwandsverteilung einzubeziehenden Grundstücke auszuschließen sind. Dazu zählten zum Beispiel innerörtliche Grünanlagen, Kinderspielplätze oder öffentliche Parkhäuser.
Im Gegensatz zu Erschließungsanlagen wie etwa Grünanlagen, die gerade der Öffentlichkeit zum allgemeinen Gebrauch zur Verfügung gestellt werden, sei im vorliegenden Fall eine Nutzung der Fläche, auf der das Klärwerk steht, durch die Öffentlichkeit ausgeschlossen, stellt das Oberverwaltungsgericht fest. Die Öffentlichkeit hat keine Teilhabe an der Grundstücksnutzung als solcher. Anders als etwa bei als Biotop geschützten Flächen oder Deichgrundstücken, deren Betreten ausdrücklich verboten ist und denen daher ein über die bloße Besitzerhaltung hinausgehender Gebrauchs- und Nutzungswert nicht zukomme, nehme die Gemeinde mit dem Betrieb des Klärwerks eine weitergehende Grundstücksnutzung vor, die straßenausbaubeitragsrechtlich einer privaten Nutzung gleichkomme.