VGH: Vorläufiger Betrieb einer Kleinkläranlage ist Beseitigung ohne Vorreinigung überlegen


Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Befreiung von dem Verbot, eine Abwasserbehandlungsanlage und eine Anlage zur Versickerung von Abwasser im Wasserschutzgebiet zu errichten, so der VGH zum Sachverhalt. Das Landratsamt hatte einem landwirtschaftlichen Betrieb die Erlaubnis für den Bau einer vollbiologischen einer Scheibentauchkörper-Kleinkläranlage mit zusätzlicher Hygienisierung und anschließender Einleitung in das Grundwasser über eine Versickerungsmulde erteilt. Dagegen wandte sich die Gemeinde‚ die die Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung betreibt. Das landwirtschaftlich genutzte Anwesen liegt in der weiteren Schutzzone (Zone III) des für die Trinkwassergewinnungsanlage der Gemeinde ausgewiesenen Wasserschutzgebiets‚ in dem die Errichtung einer Abwasserbehandlungsanlage oder einer Anlage zur Versickerung von Abwasser nach der Schutzgebietsverordnung verboten ist.

Bislang verfügte der etwa 500 bis 600 Meter von einem Brunnen entfernte Hof lediglich über eine abflusslose Gülle- und Abwassergrube‚ deren Inhalt ohne Vorbehandlung auf umliegende Felder ausgebracht wurde. Im Mai 2014 erteilte das Landratsamt dem Landwirt nach Anhörung des Gesundheitsamts und des Wasserwirtschaftsamts die Befreiung von dem Verbot der Schutzgebietsverordnung, eine Abwasserbehandlungsanlage im Schutzgebiet zu errichten.

Das Verwaltungsgericht Würzburg lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Stadt gegen die erteilte Befreiung ab. Die Klage sei voraussichtlich unbegründet, weil sich der Bescheid vom Mai 2014 nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen werde, argumentierte das Verwaltungsgericht, das über die Klage selbst noch nicht entschieden hat.

Das Landratsamt habe nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Errichtung der neuen Kleinkläranlage eine Verbesserung gegenüber dem bisher bestehenden Zustand eintrete. Nach der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts und dem Schreiben des Gesundheitsamts bestünden keine Bedenken dagegen, die Befreiung zu erteilen. Diese Einschätzung werde auch durch eine von der Stadt vorgelegte Stellungnahme des Technologiezentrums Wasser (TZW) vom Oktober 2014 nicht infrage gestellt, so das Verwaltungsgericht.

Die Beschwerde dagegen vor dem BayVGH war nicht erfolgreich. Die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren betrachtet der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss als offen, es sprächen aber gewichtige Gründe dafür, die erteilte beschränkte wasserrechtlichen Erlaubnis sofort zu vollziehen. Grundsätzlich stellt der Baerische Verwaltungsgerichthof  fest, dass erst im Rahmen des Klageverfahrens abschließend geklärt werden könne, ob die Erteilung einer Befreiung erfolgen durfte, oder ob die Errichtung der Kleinkläranlage mit Versickerungsmulde auf dem Hof des Beigeladenen den Schutzzweck des Schutzgebietsverordnung gefährde, da eine Verunreinigung des Grundwassers zu befürchten sei.

Für beide Möglichkeiten sieht der Verwaltungsgerichtshof Argumente. So fehle im Hinblick auf die Kleinkläranlage eine fachbehördliche Äußerung zu nicht abbaubaren Stoffen, die etwa auch als Korrosionsschutzmittel in Geschirrspülmitteln oder in Haushaltschemikalien vorkommen. Zwar dürften nach den Vorgaben zum ordnungsgemäßen Betrieb der vollbiologischen Kleinkläranlage keine Stoffe in das Abwasser eingebracht werden, die die biologische Reinigungsleistung der Abwasserbakterien beeinträchtigen. Ob damit die Einleitung sämtlicher nicht abbaubarer wassergefährdender Stoffe ausgeschlossen werden könne, sei im Rahmen der summarischen Prüfung aber nicht überschaubar. Ebenso sei ist offen‚ weshalb von der Forderung einer vierten Reinigungsstufe in Form eines Aktivkohleeinsatzes‚ der nach der Stellungnahme des TZW vom Januar 2015 geeignet wäre‚ gegebenenfalls bestehende Restrisiken für das Grundwasser durch nicht abbaubare gewässergefährdende Stoffe aus den häuslichen Abwässern des Beigeladenen auszuschließen‚ abgesehen wurde.

Es sei aber auch nicht eindeutig geklärt‚ ob der Anschluss des Anwesens an die öffentliche Kanalisation mit zumutbarem Aufwand möglich ist oder nicht. In diesem Zusammenhang werde möglicherweise auch aufzuklären sein, inwiefern damit auch die Abwasserentsorgung der Hof- und Dachflächen sowie der Viehhaltung auf dem Anwesen des Beigeladenen geregelt werden könnte, die von der Kleinkläranlage des Beigeladenen, die nur für die Reinigung von häuslichen Abwässern konzipiert ist, nicht aufgenommen werden können.

Im Rahmen Abwägung der widerstreitenden Interessen, die danach vorzunehmen sei,  überwiege das öffentliche Interesse daran, dass der angeordnete Sofortvollzug bestehen bleibt. Nach Überzeugung des VGH stellt die Entsorgung des häuslichen Abwassers seit der Errichtung der Kleinkläranlage auf dem Hof eine Verbesserung zu der früheren Situation dar. Der VGH hat, da die Erfolgsaussichten in der Hauptsache im Verfahren nach offen seien‚ nach eigenen Angaben aufgrund einer reinen Interessenabwägung zu entscheiden.

Zwar sei nicht gänzlich auszuschließen, dass das Einleiten des in der Kleinkläranlage behandelten Abwassers gegebenenfalls nicht unerhebliche Folgen für die Trinkwassergewinnung nach sich ziehen könnte. Dessen ungeachtet sprächen aber gewichtigere Gründe für den vorläufigen Betrieb der mittlerweile bereits errichteten Kleinkläranlage. Denn eine Versickerung des in dieser Anlage behandelten häuslichen Abwassers sei gerade mit Blick auf den hohen Stellenwert des Grundwasserschutzes der sonst bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung nur möglichen Abwasserbeseitigung vorzuziehen, die – wie vor Errichtung der Kleinkläranlage – ohne Vorbehandlung über eine abflusslose Grube mit anschließender Ausbringung des Abwassers auf umliegenden Feldern erfolgen würde.

Dabei ist dem Verwaltungsgerichtshof zufolge weder die Dichtigkeit der seit Jahren nicht mehr geprüften Abwasser- und Güllegrube geklärt, noch sei auszuschließen, dass die betreffenden Felder innerhalb des Wasserschutzgebiets liegen. Es sei daher zu befürchten, dass bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage das häusliche Abwasser auf nicht absehbare Zeit ohne jegliche Vorreinigung in das Grundwasser eingeleitet und in den Grundwasserzustrom der Trinkwassergewinnungsanlage der Stadt gelangen würde. Die Versickerung des in der Kleinkläranlage behandelten häuslichen Abwassers erfolge dagegen über eine 20 Zentimeter tiefe belebte Oberschicht‚ welche die Schwebstoffe‚ Mikroverunreinigungen und hygienische Belastungen durch Abbau beziehungsweise Adsorption verringere.