Bundesumweltministerium plant Halbierung des Formaldehyd-Grenzwerts für Klärgasanlagen


Das teilten die beiden Verbände dem BMUB in Stellungnahmen zur Vollzugsempfehlung Formaldehyd mit. Derzeit dürfen Biogas- und Klärgasanlagen einen Grenzwert von 40 Milligramm je Kubikmeter Abgas nicht überschreiten, die Vollzugsempfehlung sieht jedoch eine Halbierung dieses Wertes vor.

Hintergrund ist, dass nach EU-Recht am 1. Januar 2016 die Neueinstufung von Formaldehyd als „wahrscheinlich beim Menschen karzinogen“ in die Gefahrenkategorie Carc. 1B in Kraft tritt. Folglich muss Formaldehyd im Rahmen des deutschen Immissionsschutzrechts neubewertet werden, zudem sei die Einführung verschärfter Anforderungen an die Qualität von Emissionen erforderlich. Dazu haben Bund und Länder mit Stand vom 29. April 2015 den Entwurf einer „Vollzugsempfehlung Formaldehyd“ vorgelegt.

Die Vollzugsempfehlung Formaldehyd schlägt zur Emissionsminderung grundsätzlich einen Formaldehyd-Grenzwert von 12,5 Gramm je Stunde beziehungsweise fünf Milligramm je Kubikmeter Abgas vor. Allerdings nennt die Anlage 1 der Vollzugsempfehlung zahlreiche Ausnahmen. Dazu zählen Klärgasanlagen mit einer Leistung von mindestens einem Megawatt und Biogasanlagen, die der Anlage zufolge nur einen Grenzwert von 20 Milligramm Formaldehyd je Kubikmeter Abgas einhalten müssen. Speziell für Biogasanlagen wird im Anlage 1 eine Übergangsfrist von vier Jahren nach Inkrafttreten der Vollzugsempfehlung genannt. Zudem seien jährlich wiederkehrende Einzelmessungen von Formaldehyd, Stickoxiden und Kohlenmonoxid erforderlich.

Die beiden Industrieverbände VKU und BDE begrüßen die Ausnahmeregelungen für Biogas- und Klärgasanlagen, äußern sich aber ansonsten kritisch zu den Vorschlägen. Nach Erachten beider Verbände bedarf es einer deutlich längeren Übergangszeit, damit technologisch sinnvolle Lösungen entwickelt, getestet und im großtechnischen Maßstab eingesetzt werden können. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Systeme seien nicht in der Lage, den Formaldehydgrenzwert mit einem für die Bio- und Klärgasverstromung verhältnismäßigen Aufwand sicher unter 20 mg Formaldehyd je Kubikmeter Abgas zu halten.

Nach Angaben des VKU weisen insbesondere Klärgase und Biogase aus Abfällen in Abhängigkeit von den Eigenschaften der verwerteten Abfälle sowohl örtlich als auch zeitlich äußerst unterschiedliche und sich verändernde Zusammensetzungen auf. Mit den derzeit in industrieller Serie am Markt verfügbaren Abgasbehandlungstechnologien für Verbrennungsmotoranlagen sei es für solche Anlagen nicht generell möglich, die geplanten Emissionswerte für Formaldehyd sicher einzuhalten, weder mittels Nachverbrennung noch mittels Oxidationskatalysatoren. Änderungen der Abfalleigenschaften könnten jederzeit auftreten und gravierend sein und lägen außerhalb des Einflussbereichs der Betreiber dieser Anlagen, die ihrer Entsorgungspflicht nachkommen müssen. Auch der zusätzliche Einsatz weiterer Emissionsminderungstechnologien sei dabei nicht erfolgversprechend, da zum Beispiel der Wassergehalt der Gase den effektiven Betrieb von Aktivkohlefiltern beeinträchtige.

Als Konsequenz fordert der VKU, den Formaldehyd-Emissionswert für diese Anlagen nicht unter 40 Milligramm je Kubikmeter abzusenken. Die Übergangszeit für bestehende Anlagen, um diesen Emissionswert sicher einzuhalten, sollte nach Ansicht des Verbands mindestens fünf Jahre betragen. Wenn die praktische, großtechnische Anwendung von Neuentwicklungen ergeben hat, dass niedrigere Formaldehydemissionswerte auch von Verbrennungsmotoranlagen, die mit Klärgas oder Biogas aus Abfällen betrieben werden, unabhängig vom Abfallsubstrat sicher eingehalten werden können, sei die weitere Absenkung der Emissionswerte für diese Anlagenarten zu prüfen.

Der BDE spricht sich zudem dafür aus, dass die Übergangszeit, in der 40 Milligramm Formaldehyd je Kubikmeter Abgas eingehalten werden müssen, auch für Neuanlagen gilt. Denn diese ständen vor dem gleichen technologischen Problem. Als redaktionellen Fehler wertet der BDE, dass für die Klärgasverstromung keine Übergangsregelung vorgesehen ist und zudem keine jährlich wiederkehrende Einzelmessung zur Emissionsüberwachung ausreicht. Des Weiteren bittet er um eine Klarstellung, wie Klärgas-Verbrennungsmotoren mit einer Leistung unter einem Megawatt zukünftig eingestuft werden. Nicht verhältnismäßig wäre, wenn sie einen Grenzwert von fünf Milligramm Formaldehyd je Kubikmeter Abgas einhalten müssten.