AöW lehnt Mitbenutzung von Abwassernetzen durch Telekommunikationsunternehmen ab


Eine Mitnutzung durch ausbauwillige Telekommunikationsnetzbetreiber sei nicht sinnvoll, heißt es in dem Schreiben an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die AöW verweist auf die europäische Kostensenkungs-Richtlinie (2014/61/EU). Diese sehe vor, dass die Mitgliedstaaten für bestimmte Infrastrukturen, die als technisch ungeeignet für den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation oder für nationale kritische Infrastrukturen befunden werden, begründete Ausnahmen vorsehen können. „Wir fordern daher, den Gestaltungsspielraum dieser Richtlinie zu nutzen und keine Verpflichtung für die Betreiber von Abwassernetzen und Kanalisationssystemen zur Mitnutzung von physischen Infrastrukturen zur Abwasserbehandlung und -entsorgung sowie der Kanalisationssysteme vorzusehen“, so der Verband.


Die öffentlichen Abwasserleitungen und Kanalisationssysteme dienen einer hoheitlichen Aufgabe, die für die Volksgesundheit und die Verhinderung von Seuchen unerlässlich ist, unterstreicht die AöW. Demgegenüber werde die elektronische Kommunikation von privaten oder ausnahmsweise in teil-/öffentlichem Eigentum gehaltenen Gesellschaften betrieben, die in einem Markt unter Wettbewerbsbedingungen tätig seien. „Markt und Wettbewerb unterliegen anderen Mechanismen als hoheitliche Aufgaben, und eine Verpflichtung der Betreiber von Abwasserleitungen und Kanalisationssystemen kann zu einer Beeinträchtigung der hoheitlichen Aufgaben führen“, warnt die AöW. Es sei nicht Aufgabe der öffentlichen Träger der Abwasserreinigung und Stadtentwässerung, für die in einem Wettbewerb betriebenen Telekommunikationsnetze in Abwasserleitungen Verantwortung zu übernehmen.


Des Weiteren führt die AöW technische Aspekte als Hindernis für die Mitbenutzung an. Abwasserleitungen seien geschlossene Systeme, die unterschiedlichsten geologischen und räumlichen Bedingungen unterlägen und deren Nutzung über Jahrzehnte gesichert sein müsse. Bei einer Mitnutzung könne das auf Dauer nicht gewährleistet werden. Eine Mitnutzung der Kanäle und Abwassernetze für Telekommunikationsnetze werde zwangsläufig Wirkungen auf die Abwasserableitung haben. Dies betreffe beispielsweise Wartungs- und Sanierungsintervalle, unterschiedliche Geschwindigkeit der technischen Entwicklung und unterschiedliche Anpassungszeiträume.


Zudem könnten unvorhersehbare Ereignisse und Entwicklungen in den Abwassernetzen, wie zum Beispiel vermehrt auftretender Starkregen, Hochwasser sowie das Nutzungsverhalten der Menschen, auf die Telekommunikationsleitungen Auswirkungen haben, macht die AöW deutlich. Beispielsweise müssen in bestimmten Regionen Deutschlands aufgrund des demografischen Wandels oder des durch Wassersparmaßnahmen immer geringer werdenden Durchflusses die Abwasserleitungen mit hohem Druck gespült und gereinigt werden. Ob und wie Telekommunikationsleitungen solchen Belastungen standhalten oder davor geschützt werden können, sei bisher nicht geklärt.


Die AöW erwähnt in ihrem Schreiben Berichte von Mitgliedern die, bereits Erfahrungen mit der Mitnutzung haben. So könnten sich Telekommunikationsleitungen im Kanal lösen, was zu langsam sich aufbauenden Verstopfungen führen könne. Eine unerkannte Verstopfung könne zu einem Rückstau im Kanal und einem Einstau von tiefer liegenden Räumen führen. Bei einem Abriss der Leitung komme es zum Ausfall des Netzes. In beiden Fällen entstünden hohe Folgekosten und Haftungsstreitigkeiten, skizziert der Verband die Problematik.


Darüber hinaus weist die AöW darauf hin, dass eine Mitbenutzung Einschränkungen bei der Sanierung von Kanalsystemen und bei der Wahl der Sanierungsmöglichkeiten nach sich ziehen könnte. Gerade im Zeitalter hoher Sanierungserfordernisse würde der Einbau einer Telekommunikationsleitung in ein schadhaftes Abwassernetz Randbedingungen erzeugen, die die Wahl des wirtschaftlichsten Sanierungsverfahrens stark einschränken oder die einige Verfahren unmöglich machen, warnt der Verband. Alle Innensanierungstechniken wären für den Kanalnetzbetreiber bei einer montierten Telekommunikationsleitung nahezu ausgeschlossen, und kurzfristige Reparaturen an Kanälen wären massiv erschwert. Der Telekommunikationsnetzbetreiber müsse berücksichtigen, dass bei Berst-, Inliner- oder Montageverfahren das montierte Kabel zerstört wird oder der Betreiber der Kabels seine Leitung nie mehr ziehen oder austauschen kann, betont die AöW.


Es bedürfe zur Zulassung der Mitnutzung zumindest einer den lokalen Bedingungen Rechnung tragenden Einzelfallbetrachtung und demokratisch legitimierter Entscheidungen in den Kommunen, heißt es in der Stellungnahme weiter. Dabei müssten die Folgepflichten, die Unterhaltungspflichten, der zusätzliche Aufwand und die Bedeutung als kritische Infrastruktur beachtet werden. Auch die für die Abwassergebührenzahler entstehenden Kosten müssten mitberücksichtigt werden. Die Kosten, die mit der Mitnutzung der Infrastruktur durch Telekommunikationsleitungen zusammenhängen, dürften jedenfalls nicht bei den Zahlern der Abwasser- und Entwässerungsgebühren hängen bleiben, fordert der Verband. Die zusätzlichen Kosten stünden im Widerspruch zu den kommunalabgabenrechtlichen Grundsätzen zur Entgelterhebung für die öffentliche Abwasserbeseitigung. Dies gelte insbesondere, wenn aufgrund der Mitnutzung eine Veränderung der Abschreibungszeiten und höhere Aufwendungen für den Betrieb erforderlich seien, unterstreicht die AöW.