Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach mehr als 30 Jahren rechtswidrig


Zur Begründung gab das Verwaltungsgericht an, dass nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundstückseigentümer klar vorhersehen können muss, ob er für sein Grundstück noch kommunale Abgaben bezahlen muss. Das höchste Verfassungsgericht Deutschlands habe 2013 festgelegt, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und Vorhersehbarkeit Bürger davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden (1 BvR 2457/08 vom 5. März 2013, EUWID 16.2013). Öffentliche Abgaben, etwa für Abwasserkanäle, dürfen daher nicht zeitlich unbegrenzt im Nachhinein festgesetzt werden. Der Gesetzgeber müsse vielmehr für einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und dem Interesse des Beitragsschuldners an Klarheit über seine Inanspruchnahme sorgen, heißt es in dem Beschluss.


Eine solche Vorhersehbarkeit und Klarheit sei in den beiden verhandelten Fällen nicht mehr gegeben, wenn die Stadt mehr als 30 Jahre nach der für den Grundstückseigentümer äußerlich erkennbaren vollständigen technischen Herstellung einer Straße Erschließungsbeiträge erhebt. Die Straße „Am Walde“ in Wuppertal sei bereits im Mai 1984 technisch vollständig hergestellt gewesen. Die Straßenentwässerung war laut Gericht gewährleistet, die Fahrbahn und die Gehwege waren vollständig ausgebaut und die Straßenbeleuchtung installiert. Die Stadt könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass über die technische Herstellung hinaus rechtliche Voraussetzungen für die Beitragserhebung geschaffen werden mussten.


Diese Frage habe für eine Vielzahl von Fällen Bedeutung. Denn gerade im Erschließungsbeitragsrecht lägen zwischen der endgültigen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch die Erfüllung weiterer rechtlicher Voraussetzungen oftmals erhebliche Zeiträume. Anlieger könnten nicht über 30 Jahre lang über künftige Belastungen im Unklaren gelassen werden.

Das Gericht hat nach eigenen Angaben wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Berufung zugelassen, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu entscheiden hätte.