Mit dem Urteil hat das OVG den Widerspruchsbescheid des beklagten Landrats des Landkreisres Schmalkalden-Meiningen gegen einen Anschlussbeitrag des klagenden Abwasserzweckverbandes Schmalkalden und Umgebung aufgehoben. Durch Bescheid vom 13. Juli 2006 hatte der Verband Grundstückseigentümer im Wege der Kostenspaltung in Höhe von 555,23 Euro zu einem Teilanschlussbeitrag für die Teileinrichtung Kläranlage für ihr 582 m² großes in der Gemeinde Breitungen gelegenes Grundstück herangezogen, so das OVG zum Sachverhalt. Der Bemessung des Beitrags lag zugrunde, dass das Grundstück mit zwei Vollgeschossen bebaut ist.
Gegen diesen Bescheid legten die beigeladenen Grundstückseigentümer im August 2006 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründeten, dass es sich bei dem errichteten Gebäude um ein eingeschossiges Einfamilienhaus handele. Der Keller dürfe nicht als Vollgeschoss bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden. Aus Gründen des Hochwasserschutzes müsse die Deckenoberkante des Kellergeschosses höher als 1,40 m über der Geländeoberfläche liegen. Es handle sich nicht um Aufenthaltsräume. Im Kellergeschoss befänden sich nur eine Garage, eine Waschküche, ein Heizungskeller und zwei Vorratsräume.
Durch einen Widerspruchsbescheid aus dem August 2007 hob der Landrat des Landkreises Schmalkalden-Meiningen den Bescheid insoweit auf, als dieser einen 308,46 Euro übersteigenden Beitrag festsetzt. Die dagegen gerichtete Klage des Verbandes wies das Verwaltungsgericht Meiningen vor allem mit der Begründung ab, dass eine wirksame Beitrags- und Gebührensatzung fehle (Az.: 8 K 494/07 Me vom 29.10.2009). Da der Verband erst im November 2003 und nicht bereits 1997 entstanden sei, könne der Beitragsbescheid nicht auf die 1997 erlassene Beitrags- und Gebührensatzung gestützt werden. Nach der Entstehung des Verbandes im November 2003 sei weder eine neue Entwässerungs- noch eine neue Beitrags- und Gebührensatzung erlassen worden.
Ein bereits 1992 entstandener Zweckverband mit 20 Mitgliedsgemeinden sei mit dem 2003 entstandenen Zweckverband nicht identisch. Nachdem sich der 1992 entstandene Zweckverband 1994 mit dem Trinkwasser-Zweckverband zusammengeschlossen habe, sei festgestellt worden, dass der Zusammenschluss aufgrund eines Veröffentlichungsmangels nicht wirksam geworden. Dann habe man sich für eine zukünftige getrennte Aufgabenwahrnehmung entschieden und die Verbandssatzung aus dem Jahr 1992 im Jahr 1997 nochmals veröffentlicht. Da die Veröffentlichung der Verbandssatzung im Jahr 1997 unwirksam gewesen sei, sei diese im Jahr 2003 wiederholt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe der Zweckverband wegen der Gebietsreform jedoch zunächst nur noch aus zehn und nach der Aufnahme zweier weiterer Mitgliedsgemeinden aus zwölf Verbandsmitgliedern bestanden.
In der gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichteten Berufung führte der Verband an, er sei entgegen der Auffassung des Gerichts mit dem 1992 entstandenen Zweckverband identisch. Der Mitgliederbestand des 1992 entstandenen Zweckverbandes habe sich lediglich durch Bei- und Austritte sowie Zusammenschlüsse von Verbandsmitgliedern im Rahmen der Gebietsreform verändert. Zu dem Grundstück führte der Verband an, dass es mit zwei Vollgeschossen bebaut sei. Das Untergeschoss sei zu berücksichtigen, da es mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausrage.
Das Thüringer OVG teilt die Auffassung des Verbandes, dass dieser bereits im Jahr 1992 mit der wirksamen Bekanntmachung der Verbandssatzung und der rechtsaufsichtlichen Genehmigung im Amtsblatt des Landkreises Schmalkalden-Meiningen entstanden sei. Der Kläger könne sich zwar als Zweckverband nicht auf die durch das Grundgesetz und die Thüringer Landesverfassung geschützte kommunale Selbstverwaltungsgarantie berufen, er sei aber dessen ungeachtet zumindest befugt, diejenigen kommunalen Selbstverwaltungsrechte wahrzunehmen, die ihm aufgrund einfachgesetzlicher Grundlage als Körperschaft des öffentlichen Rechts von seinen Mitgliedsgemeinden eingeräumt würden. Gegen eine Beeinträchtigung dieser Rechte könne er sich zur Wehr zu setzen.
Der Beitragsbescheid, mit dem gegenüber den Eigentümern im Wege der Kostenspaltung ein Teilbeitrag „Kläranlage“ festgesetzt und gefordert wird, ist dem Urteil zufolge rechtmäßig. Der Verband bemesse den Beitrag in nicht zu beanstandender Weise nach dem Vollgeschossmaßstab, bei dem die beitragspflichtige Grundstücksfläche mit einem nach der Zahl der zulässigen Vollgeschosse differenzierenden Nutzungsfaktor multipliziert wird. Auch sei der Verband nicht an einer eigenständigen Definition des beitragsrechtlichen Vollgeschosses im Sinne seiner Beitragssatzung gehindert. Er sei zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich ausschließlich an dem landesrechtlichen Vollgeschossbegriff zu orientieren.
Dem OVG zufolge bewegt sich der Zweckverband im Rahmen des weiten Ermessens, das dem Satzungsgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsmaßstabes zusteht, wenn er sich dafür entscheidet, bei der Beitragsbemessung auch Geschosse zu berücksichtigen, die die Anforderungen an ein Vollgeschoss im Sinne der Thüringer Bauordnung nicht erfüllen. Allerdings werde dieses weite Ermessen bei der Ausgestaltung der Maßstabsregelung im Allgemeinen und bei der Definition des „beitragsrelevanten Vollgeschosses“ im Besonderen durch das Vorteilsprinzip begrenzt.
In seiner Beitrags- und Gebührensatzung (BGS-EWS) aus dem Jahr 2012 dokumentiere der Verband, dass er nicht nur die Geschosse, die den landesrechtlichen Anforderungen an die lichte Höhe eines Vollgeschoss genügen, sondern darüber hinaus auch solche Geschosse bei der Beitragsbegrenzung berücksichtigen will, die trotz einer geringeren Höhe die landesrechtlichen Anforderungen an Aufenthaltsräume erfüllen. Dies sei im Hinblick auf das Vorteilsprinzip nicht zu beanstanden. Die Bestimmung oder Eignung zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen lässt dem OVG zufolge „im Wege einer typisierenden Betrachtungsweise einen hinreichend sicheren Schluss auf den möglichen Umfang der Inanspruchnahme der von dem Kläger betriebenen öffentlichen Entwässerungseinrichtung zu“.
Der Verband habe zu Recht das Kellergeschoss in dem Gebäude als bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigendes „Vollgeschoss“ eingeordnet. Denn das Kellergeschoss sei im Sinne der BGS-EWS zur Errichtung von Aufenthaltsräumen im Sinne der Thüringer Bauordnung (ThürBO) geeignet. Zwar dürften in dem Kellergeschoss keine Wohnräume, durchaus aber Aufenthaltsräume, deren Benutzung eine Belichtung mit Tageslicht verbietet - z.B. eine Dunkelkammer - sowie Sport- oder Werkräume errichtet werden.