VGH Hessen: Transport zur Kläranlage Voraussetzung für Integration eines Gewässers in Abwassernetz


Der klagende Grundstückseigentümer wandte sich dagegen, dass er von der Gemeinde Diemelsee zu Niederschlagswassergebühren für eine Teilfläche seines Grundstücks, die das Niederschlagswasser in ein offenes Gewässer III. Ordnung entwässert, herangezogen werden sollte. Das Verwaltungsgericht Kassel gab der Klage statt, weil der Eigentümer mit diesem Teil seines Grundstücks nicht in die Entwässerungseinrichtung der Gemeinde entwässere (Az: 6 K 304/13.KS vom 28.05.2015).

Der Antrag der Gemeinde vor dem VGH Hessen mit dem Ziel, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen, ist ohne Erfolg geblieben. Gemäß der Zwei-Naturen-Theorie oder Zwei-Funktionen-Theorie könne ein Gewässer dann zu einem Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung werden, wenn es entweder durch bauliche Veränderungen, die die vollständige Lösung vom natürlichen Wasserkreislauf bewirken, seine Gewässereigenschaft insgesamt verliert und damit Teil der Entwässerungseinrichtung ist, oder dadurch, dass es bei fortbestehender Gewässereigenschaft aufgrund wasserbehördlich erlaubter Abwassereinleitung in das öffentliche Abwassernetz integriert wird und ihm so neben seiner „Gewässerfunktion“ als weitere Funktion die „Entwässerungsfunktion“ zuwächst. Ob eine Einbeziehung in die öffentliche Entwässerungseinrichtung erfolgt ist, hängt dem VGH zufolge aber von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

Von einem Verlust der Gewässereigenschaft gehe hier auch die Gemeinde nicht aus. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und dem Vorbringen der Gemeinde liege im vorliegenden Fall aber auch keine Integrierung in das Abwassernetz der beklagten Gemeinde nach Maßgabe der „Zwei-Naturen-Theorie“ vor. Das Gewässer Bicke verläuft durch den Ortsteil Rhenegge von West nach Ost weitgehend offen, so der VGH. Es sei aus zwingenden verkehrstechnischen Gründen an mehreren Stellen, an denen Straßen gekreuzt werden, verrohrt. Außerdem finden sich einige Stellen, insbesondere auf Privatgrundstücken, an denen das Gewässer verrohrt ist, etwa um eine Überbauung eines Grundstücks zu ermöglichen. Es finde allerdings weder ein Weitertransport des in das Gewässer eingeleiteten Wassers durch einen kommunalen Sammelkanal noch eine Abwasserbehandlung in einer Kläranlage statt, stellt der Verwaltungsgerichtshof fest. Insofern fehlt es dem VGH zufolge an den Kriterien, aus denen auf die erforderliche technische Integration eines Gewässers in das öffentliche Entwässerungssystem geschlossen werden könne.

Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Gemeinde sei das Verwaltungsgericht auch nicht davon ausgegangen, dass ein Gewässer weitgehend verrohrt sein müsse, um in eine kommunale Entwässerungseinrichtung integriert werden zu können. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht diese Frage unter dem Gesichtspunkt einer technischen Integration des Gewässers in die Entwässerungseinrichtung der Gemeinde geprüft. Insofern nehme die Bicke lediglich die Funktion eines Vorfluters wahr, durch die das Niederschlagswasser in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgelangt.