BVerwG: „Geruchspotenzial“ der Einsatzstoffe bei Bewertung von Geruchsemissionen relevant


Die Klägerin wendet sich gegen eine nachträgliche Anordnung zur Einhausung einer Kompostierungsanlage, in der kommunaler Klärschlamm einerseits und geschredderte Holz- und Grünabfälle andererseits verwendet werden. Nach der zugrunde liegenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. Oktober 1995 wird das Verfahren der offenen Mietenkompostierung mit anschließender Nachrotte angewandt, wie das BVerwG zum Sachverhalt mitteilt. Die bei einer jährlichen Durchsatzleistung von 80.000 t zur Herstellung zu verwendenden Ausgangsstoffe  werden vor dem Kompostierungsprozess im Verhältnis 1 zu 2 gemischt.

Gegen den angefochtenen Bescheid wandte die Klägerin u. a. ein, dass eine atypische Sachverhaltskonstellation vorliege. Nachdem das Verwaltungsgericht Halle die Klage abgewiesen hatte, verzichtete die Klägerin im Berufungsverfahren auf 50 Prozent der ursprünglich genehmigten Durchsatzleistung und auf die Annahme von Abfällen bestimmter Abfallschlüsselnummern. Die Klägerin verpflichtete sich ferner, bei Schlämmen aus der Behandlung von kommunalem Abwasser und bei den biologisch abbaubaren Abfällen ausschließlich geruchsarme Stoffe anzunehmen, so insbesondere „Klärschlamm, aerob oder anaerob behandelt, stabilisiert und entwässert“.

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Anordnung sei zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG weiterhin erforderlich. Auch nach Abgabe der Verzichtserklärung liege keine atypische Fallgestaltung vor, die trotz Überschreitung einer Durchsatzleistung von 10.000 t/a bei Würdigung der für die Geruchsemissionen bedeutsamen Umstände eine Abweichung rechtfertige. Das OVG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Die hiergegen eingereichte Beschwerde hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Erfolg. Aus ihrem Beschwerdevorbringen folge nicht, dass das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer atypischen Situation bei der Bewertung der Einsatzstoffe ein Sachverständigengutachten zu der Frage hätte einholen müssen, ob ein Einsatz anderer Abfälle zu einer weiteren – über die Behandlung des Klärschlamms hinausgehenden – Reduzierung der Geruchsemissionen führt.

Denn laut dem BVerwG kam es für das OVG nicht auf die Geruchsemissionen an, die nach der Beimischung anderer Abfälle entstehen. Das OVG sei vielmehr von einer typisierenden Betrachtungsweise ausgegangen und habe dabei allein darauf abgestellt, ob die verschiedenen Einsatzstoffe jeweils für sich genommen typischerweise keine oder nur unerhebliche Geruchsemissionen verursachen. Aus der materiell-rechtlichen Sicht des OVG ist nur das „Geruchspotenzial“ der Einsatzstoffe, nicht dasjenige des – aus der Vermengung mit anderen Stoffen, namentlich Holz- und Grünschnittabfällen entstehenden – Abfallgemisches maßgeblich. Daher bedurfte es für das OVG auch nicht der von der Beschwerde vermissten weiteren Sachverhaltsaufklärung.

Das Vorbringen der Beschwerde, es fehle in dem Berufungsurteil an einer nachvollziehbaren Darlegung zur Art und Beschaffenheit von in Vergleichsanlagen üblicherweise zum Einsatz kommenden Stoffen, führt dem Beschluss des BVerwG zufolge ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler. Zwar habe das Oberverwaltungsgericht die Voraussetzungen einer atypischen Situation zunächst dahingehend umschrieben, dass die Stoffe, die in der Anlage der Klägerin zum Einsatz kommen, im Vergleich zu üblicherweise zum Einsatz kommenden Stoffen besonders geruchsarm sein müssten. Wie sich aber aus den unmittelbar anschließenden Ausführungen in dem Berufungsurteil ergebe, liegt der Entscheidung insoweit die bereits dargestellte typisierende Betrachtungsweise zugrunde.

In diesem Rahmen habe das OVG allein die „aerob oder anaerob behandelten, stabilisierten und entwässerten Klärschlämme“, die nach der Verzichterklärung vom 22. September 2014 von der der Klägerin erteilten Genehmigung erfasst werden, in den Blick genommen. Es sei zu der Auffassung gelangt, dass dieser Genehmigungsinhalt nicht den Schluss zulasse, in der Anlage der Klägerin würden nur besonders geruchsarme Einsatzstoffe verwendet. Maßgeblich für das Oberverwaltungsgericht sei im Rahmen seiner typisierenden Betrachtungsweise daher nur der Regelungsgehalt der der Klägerin erteilten Genehmigung unter Berücksichtigung der Verzichterklärung gewesen. Von diesem materiell-rechtlichen Ausgangspunkt aus habe es keiner näheren Aufklärung der konkreten Geruchsemissionen der in anderen Anlagen verarbeiteten Abfälle bedurft.