Die unter der Leitung des Bundesverkehrsministeriums erstellten Ortsdurchfahrtenrichtlinien (ODR) beinhalten den Urteilen zufolge keinen unwirksamen Abgabenverzicht und stehen daher einer Veranlagung des Straßenbaulastträgers zur Entrichtung von Niederschlagswassergebühren entgegen. Damit muss der Bund den Teilbetrag von 7.820 Euro, den der Abwasserzweckverband Eppelborn von verlangt hatte, nicht bezahlen.
Die klagende Bundesrepublik Deutschland wandte sich als Straßenbaulastträgerin für die Bundesstraße B 10 dagegen, dass sie in einem bestimmten Ausmaß zu Niederschlagswassergebühren für die Einleitung des auf den in der Gemeinde Eppelborn gelegenen Ortsdurchfahrten anfallenden Oberflächenwassers in die gemeindliche Kanalisation herangezogen werden sollte, so das Gericht zum Sachverhalt. Die Bundesrepublik beanstandete, ab dem Jahr 2012 auch für die Streckenabschnitte der Ortsdurchfahrten der Bundesstraße B 10 veranlagt zu werden, für die sie in den Jahren 1969, 1970, 1978, 1997, 1998 und 2008 mit der Gemeinde Eppelborn Vereinbarungen über die Unentgeltlichkeit der Einleitung des auf diesen Teilflächen anfallenden Oberflächenwassers nach Maßgabe der Ortsdurchfahrtenrichtlinien abgeschlossen habe.
Der beklagte Abwasserzweckverband, der seit dem 2002 für die Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Eppelborn zuständig ist, kündigte diese Vereinbarungen zum 31.12.2011 auf und erließ den Bescheid erlassen, durch den u.a. Fahrbahnflächen mit einer Größe von 13.539 qm veranlagt wurden. Der Bund erhob dagegen Klage. Die Vereinbarungen begründeten die unwiderrufliche Pflicht der Gemeinde, das auf diesen Flächen anfallende Niederschlagswasser während der Nutzungszeit des Kanals, erfahrungsgemäß ca. 60 Jahre, unentgeltlich über das gemeindliche Abwassersystem abzuführen, argumentierte der Bund.
Das Recht auf eine unentgeltliche Mitbenutzung habe für die Lebensdauer des Kanals begründet werden sollen. Der Gemeinde sei bewusst gewesen, dass sie die laufenden Kosten über Gebühreneinnahmen finanzieren müsse. Hieran habe sich durch die Einführung der Niederschlagswassergebühr nichts geändert. Diese führe auch nicht zu Mehreinnahmen der Gemeinde, da mit der Abwendung von dem bis dahin maßgeblichen Frischwassermaßstab nur der Verteilungsmaßstab geändert worden sei, was zwar zum Hinzutreten neuer Gebührenschuldner geführt habe, aber an der Einnahmesituation oder dem Kostendeckungsprinzip nichts Grundlegendes geändert habe. Die Neuausrichtung ihres Gebührenrechts falle ausschließlich in den Risikobereich der Gemeinde.
Dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zufolge ist der angefochtene Gebührenbescheid rechtswidrig, soweit die Klägerin für Streckenabschnitte der Ortsdurchfahrt der B 10 zur Entrichtung von Niederschlagswassergebühren herangezogen wird, deren Entwässerung Gegenstand der ODR-Vereinbarungen der Jahre 1969, 1970, 1978 und 1979 war. Damit lägen rechtswirksame, den Träger der örtlichen Entwässerungseinrichtung bindende vertragliche Vereinbarungen mit dem Bund als Straßenbaulastträger vor, die die konkret in Rede stehende Niederschlagswassergebührenschuld „sperren“.
Nach saarländischem Straßen- und Kommunalabgabenrecht sind Vereinbarungen, die in Anwendung der unter der Federführung des Bundesministeriums für Verkehr erstellten Ortsdurchfahrtenrichtlinien zwischen den Trägern der Straßenbaulast geschlossen werden und deren Regelungen richtlinienkonform umsetzen, zulässig, stellt das OVG fest. Dass die Gemeinde, die im Regelfall Trägerin der örtlichen Entwässerungseinrichtung ist, sich in letztgenannter Zuständigkeit unwiderruflich bereit erklärt, das Oberflächenwasser der vertragsgegenständlichen Ortsdurchfahrt über den geplanten Kanal unentgeltlich abzuleiten und schadlos zu beseitigen, führt unter der Prämisse, dass der Bund bzw. das Land sich an den Kosten des Kanals beteiligt hat, nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung. Eine solche Vereinbarung beinhaltet keinen mit höherrangigem Recht, insbesondere dem saarländischen Landesrecht, nicht zu vereinbarenden Abgabenverzicht.
Das OVG des Saarlandes schließt sich damit nach eigenen Angaben nicht der vom OVG Nordrhein-Westfalen praktizierten rechtlichen Einordnung von ODR-Vereinbarungen an, die die Annahme eines nichtigen Abgabenverzichts im Ergebnis allein damit begründe, dass ein Gebührenverzicht, der sich nicht auf einen begrenzten Zeitraum beschränke, schon deshalb nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sein könne (Az.: 9 A 1661/08 vom 10.08.2009). Diese Argumentation lässt dem OVG des Saarlandes zufolge außer Acht, dass ODR-Vereinbarungen von Straßenbaulastträgern geschlossen werden, um ihnen aus der Straßenbaulast erwachsenen Aufgaben gemeinschaftlich zu erfüllen. In diesen Vereinbarungen werden die Ortsdurchfahrtenrichtlinien umgesetzt, deren Eckpunkte unter der Federführung des Bundesministeriums für Verkehr zwischen den Interessenvertretern der Straßenbaulastträger und den kommunalen Spitzenverbänden als angemessener Ausgleich der beiderseitigen Interessen ausgehandelt worden seien. Sie sehen eine pauschale Kostenbeteiligung des Bundes an den Herstellungskosten gemeindlicher Entwässerungsanlagen vor, deren Höhe sich an den Kosten für die Herstellung und Unterhaltung einer eigenen Oberflächenentwässerung der Bundesstraße orientiert und regelmäßig an die Baupreisentwicklung angepasst wird, so das OVG.
Die nordrhein-westfälische Rechtsprechung setze sich inhaltlich auch nicht damit auseinander, dass es in einer beachtlichen Zahl von Bundesländern gesetzliche Vorgaben gibt, kraft derer die Heranziehung des Straßenbaulastträgers zu Niederschlagswassergebühren untersagt ist, wenn dieser einen Kostenbeitrag zu dem Herstellungsaufwand des mitbenutzten gemeindlichen Abwasserkanals in Höhe der ersparten Aufwendungen für eine eigene Entwässerungseinrichtung geleistet hat. Das OVG nennt hier Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Den ODR-Vereinbarungen zufolge beteiligt sich der Bund an den Baukosten des Kanals mit dem Betrag, den er bei der Durchführung einer eigenen Oberflächenentwässerung aufwenden müsste. Der konkrete Kostenbeitrag bestimme sich anhand einer Vermessung der Kanallänge und dem Betrag pro laufenden Meter Kanal, den die Spitzenverbände unter Berücksichtigung der Baupreisentwicklung als angemessene Pauschalierung der durch die Entbehrlichkeit einer eigenen Entwässerungsanlage bewirkten Ersparnis festgelegt haben. Veranlassung zu Zweifeln an der so bestimmten Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung drängen sich dem OVG zufolge nicht auf.
An diese Vereinbarungen sei auch der Zweckverband gebunden, der seit 2002 die Aufgaben der örtlichen Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Eppelborn wahrnimmt, stellt das OVG fest. Denn die vertraglich begründeten Rechte und Pflichten, die dem Zuständigkeitsbereich der örtlichen Abwasserbeseitigung zuzuordnen sind, wirkten nach dem Wechsel auch gegenüber dem neuen Einrichtungsträger. Damit sei der Verband zur Entrichtung von Niederschlagswassergebühren für die Entwässerung der Ortsdurchfahrten der B 10 insoweit gebunden, als dem Bund bezüglich bestimmter Streckenabschnitte kraft ODR-Vereinbarungen die Unentgeltlichkeit der Ableitung des Oberflächenwassers zugesagt sei.
Die seitens des Zweckverbandes vor Beginn des Veranlagungszeitraums erklärte Kündigung der verfahrensgegenständlichen ODR-Vereinbarungen ist dem OVG zufolge nicht wirksam. Das Recht, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu kündigen bzw. Vertragsanpassung zu verlangen, setze voraus, dass sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, im Nachhinein so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Dafür gebe es keine durchgreifenden Anhaltspunkte.