Staatsanwaltschaft erhebt Anklage im Essener „Kanalkartell“-Verfahren


Mit der Anklage bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Essen werde den sieben Angeschuldigten vorgeworfen, wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen vorgenommen zu haben. Die Geschäftsführer von Tief-, Straßen- und Rohrleitungsbau-Unternehmen aus Essen und Mülheim/Ruhr sollen sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft in den Jahren 2011 und 2012 abgesprochen haben, wer in welcher Weise auf Ausschreibungen der Stadtwerke Essen AG bieten und den Zuschlag bekommen sollte. Insgesamt waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft 36 Bauvorhaben der Stadtwerke von diesen Manipulationen betroffen, wobei die einzelnen Angeschuldigten dann in jeweils an 30 bis 34 Fällen beteiligt gewesen sein sollen.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben den Angaben zufolge einen Zeitraum von ca. drei Jahren in Anspruch genommen. Das war dem Umstand geschuldet, dass 36 Bauvorhaben der Stadtwerke überprüft werden mussten und die Beteiligung der 30 Beschuldigten jeweils im Einzelnen aufgeklärt werden musste. Dazu sei die Sichtung und Auswertung von mehreren Tausend sichergestellten Asservaten, zumeist Dokumenten, und von insgesamt zwölf Terabyte Datenmaterial erforderlich gewesen. Das Landgericht Essen werde nun prüfen, ob die beiden Anklagen zur Hauptverhandlung zugelassen werden. Die beiden Strafbefehle seien vom Amtsgericht Essen bereits antragsgemäß erlassen worden.

In einer zweiten Anklage, ebenfalls zur Wirtschaftskammer, wirft die Staatsanwaltschaft einem weiteren Geschäftsführer vor, sich an derartigen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen in vier Fällen beteiligt zu haben. Außerdem soll er in den Jahren 2009 und 2010 den Stadtwerken in zwei Fällen überhöhte Rechnungen für tatsächlich nicht in diesem Umfang geleistete Arbeiten vorgelegt haben, wodurch ein Schaden von ca. 70.000 Euro netto entstanden sein soll.

Gegen zwei Angeschuldigte, ebenfalls Geschäftsführer, sind den Angaben zufolge wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen in drei bzw. vier Fällen bei dem Amtsgericht Essen Strafbefehle über Geldstrafen in Höhe von jeweils mehreren Tausend Euro beantragt worden.

Wie die Staatsanwaltschaft des Weiteren mitteilte, ist das Verfahren gegen 13 weitere Beschuldigte, überwiegend Geschäftsführer von Bauunternehmen, aber auch Mitarbeiter der Stadtwerke, jeweils unter Auflagen eingestellt worden. Den Stadtwerke-Mitarbeitern sei der Vorwurf des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zur Last gelegt worden; sie sollen unbefugt Kalkulationen der Stadtwerke offengelegt bzw. unter Benutzung der EDV der Stadtwerke Rechnungen für die Unternehmen erstellt haben. Diesen 13 Beschuldigten sei auferlegt worden, Geldbußen zur Beseitigung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung zu bezahlen, die sich je nach Umfang der Tatbeteiligung und der jeweiligen Vermögensverhältnisse auf Summen von einigen Hundert Euro bis zu fünfstelligen Beträgen belaufen. Erfüllen die Beschuldigten die Zahlungsauflagen, würden die Verfahren dann endgültig eingestellt. Zu dieser Vorgehensweise sei die ausdrückliche Zustimmung des Landgerichts Essen eingeholt worden.

Gegen vier weitere Beschuldigte ist - ebenfalls mit Zustimmung des Landgerichts Essen - das Verfahren gemäß § 153 Strafprozessordnung eingestellt worden, weil die Schuld der Beschuldigten gering wäre und ein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Taten in Anbetracht des vergleichsweise geringen Tatumfangs und des lange zurückliegenden Tatzeitraumes nicht besteht. Zudem dürften diese Beschuldigten, bei denen es sich auch um - teils bereits zum Tatzeitpunkt ehemalige - Mitarbeiter der Stadtwerke Essen GmbH handelt, durch die während des Verfahrens durchgeführten Maßnahmen "genügend beeindruckt und gewarnt worden sein", so die Staatsanwaltschaft.

Bereits im Frühjahr 2015 seien zunächst die Ermittlungen gegen zwei Beschuldigte eingestellt worden, gegen die sich ein Tatverdacht nicht hatte erhärten lassen. Hinsichtlich eines weiteren Beschuldigten sei das Verfahren eingestellt worden, weil er in einem anderen Verfahren eine erhebliche Strafe zu erwarten hatte, gegenüber der eine eventuelle Strafe in diesem Verfahren nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde, so die Behörde. Bei diesen Beschuldigten handelte es sich den Angaben zufolge um Geschäftsführer von Bauunternehmen.

Anfang 2013 hatten Polizei und Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der Untreue und der wettbewerbsbeschränkenden Absprache bei Ausschreibungen 38 Geschäfts- und Privatanschriften im Ruhrgebiet und Münsterland, darunter auch die Büros der Stadtwerke Essen AG, durchsucht. Den Angaben der Stadtwerke zufolge hatte die zuständige Behörde bereits im Sommer 2012 die Stadtwerke Essen um Unterstützung in dieser Angelegenheit gebeten. Die Kooperation zwischen den Stadtwerken und den Ermittlungsbehörden sollte helfen, die vorhandenen Ermittlungsergebnisse richtig einzuordnen, hieß es. Daraufhin seien gemeinsam mit den Beamten Akten von Kanalbaumaßnahmen in Augenschein genommen und verschiedenste Zusammenhänge erläutert worden. Es bestehe der Verdacht, dass einzelne Mitarbeiter der Stadtwerke Essen AG im Zusammenhang mit Kanalbaumaßnahmen beauftragte Unternehmen bei unzulässigen Absprachen unterstützt hätten, hieß es.