Bundesfinanzhof: Nachträglicher Anschluss ans Abwassernetz ist Erhaltungsaufwand


Die klagende Grundstückseigentümerin unterhielt dem BFH zufolge einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag und beantragte 2010 bei der beklagten Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) der Deutschen Rentenversicherung Bund die Entnahme eines Altersvorsorge-Eigenheimbetrags in Höhe von 3.306 EUR. Sie wollte mit dem Eigenheimbetrag den im Bescheid der Gemeinde festgesetzten Beitrag für den Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserkanalisation bezahlen, der aus dem Anschluss des Grundstücks im Jahr 2009 an das zentrale Schmutzwassersystem herrührte. Das 1998 erworbene Grundstück hatte bis dahin nur über eine Abwassersickergrube verfügt.


Die ZfA lehnte das ab, da die Entrichtung eines Eigenheimbetrags für eine seit langem angeschaffte bzw. hergestellte Immobilie nicht begünstigt sei. Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg statt (Az.: 10 K 14062/11 vom 6.3. 2014). Das Grundstück sei durch den Anschluss an das zentrale Abwassersystem in einen neuen Zustand versetzt worden, weil es über das Jahr 2015 hinaus über eine gesetzeskonforme Abwasserentsorgungsmöglichkeit verfügt und mithin ein gegenüber dem ursprünglichen Zustand wesentlich höheres Nutzungspotential aufweise, argumentierte das Finanzgericht.


Die ZfA brachte dagegen in ihrer Beschwerde gegen das Urteil des FG vor, das Grundstück sei bereits aufgrund der Nutzung seit dem Zeitpunkt der Anschaffung grundsätzlich betriebsbereit gewesen. Auch habe das Gebäude durch die Satzungsänderung, wonach die Nutzung der bisherigen Abwassergrube ab 2015 nicht mehr zulässig gewesen sei, nicht automatisch seine Betriebsbereitschaft verloren. Denn Baumaßnahmen, die notwendig würden, um eine Immobilie wieder in den gesetzeskonformen Zustand zu versetzen, seien Erhaltungsmaßnahmen vergleichbar. Weder die Substanz noch das Wesen des Grundstücks seien durch die Maßnahme berührt gewesen. Es sei lediglich eine Erschließungseinrichtung ersetzt worden.


Auch die vom Gesetzgeber geforderte Anpassung vorhandener Abwasserbeseitigungsanlagen diene ausschließlich dem Gemeinwohlinteresse zur Verbesserung der Wasserqualität und nicht der Erschließung von Grundstücken, brachte die ZfA vor. Die Satzung der Gemeinde sehe auch vor, dass abflusslose Gruben weiterhin betrieben werden dürften. Erst wenn das Grundstück an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen sei, entfalle deren Betriebserlaubnis.


Der Bundesfinanzhof hat das Urteil des Finanzgerichts auf die Beschwerde der ZfA hin aufgehoben. Das Finanzgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass durch den Anschluss des bebauten Wohngrundstücks an die zentrale Abwasserentsorgung trotz der im Jahre 2009 noch bestehenden und nutzbaren Abwassergrube nachträgliche Anschaffungskosten entstanden seien. Es handle sich aber vielmehr um einen Erhaltungsaufwand, und zwar selbst dann, wenn der Anschluss in Erwartung einer fehlenden Nutzungserlaubnis für die Abwassergrube erfolgt ist. Der Anschluss des bebauten Wohngrundstücks an die zentrale Abwasserentsorgung im Jahr 2009 habe nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten für das bereits 1998 von der Klägerin und ihrem Ehemann erworbene Grundstück nebst Gebäude geführt.


Wie der Finanzhof ausführt, kann ein Zulassungsberechtigter nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete in vollem Umfang oder teilweise entnehmen, um es unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens  zu verwenden. Begünstigt ist eine Wohnung in einem eigenen Haus, eine eigene Eigentumswohnung oder eine Genossenschaftswohnung einer eingetragenen Genossenschaft, wenn sie die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Zulageberechtigten darstellt. Der Zulageberechtigte müsse die Verwendung des Kapitals bei der zentralen Stelle beantragen, die ihm durch Bescheid mitteilt, bis zu welcher Höhe eine wohnungswirtschaftliche Verwendung vorliegen kann. Den Erlass eines solchen Bescheids begehrte die Eigentümerin mit ihrer Verpflichtungsklage, erläutert der Finanzhof.


Als nachträgliche Anschaffungskosten des - hier mit der Wohnung verbundenen - Grund und Bodens seien auch grundstücksbezogene Beiträge zur Errichtung erstmaliger Erschließungsanlagen anzusehen. Beiträge für die Zweit-Erschließung eines Grundstücks, etwa durch die erstmalige Herstellung einer weiteren Erschließungsanlage, sind nach der Rechtsprechung des BFH als nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden zu aktivieren, wenn sich der Wert des Grundstücks aufgrund einer Erweiterung der Nutzbarkeit erhöht. Gleiches gelte, wenn das Grundstück durch die weitere Erschließungsanlage eine erweiterte Nutzbarkeit des Grund und Bodens und damit ein höheres Nutzungspotential erfährt.


Dagegen werden die Erschließungsbeiträge grundsätzlich nicht als nachträgliche Anschaffungskosten angesehen, wenn durch die Zweiterschließung die bereits vorhandene Erschließungsanlage nur ersetzt oder modernisiert wird, etwa mit dem Ziel ihrer zeitgerechten technischen Verbesserung. Es handelt sich dann dem Finanzhof zufolge um Erhaltungsaufwand.


Etwas anderes gelte nur, wenn das Grundstück durch die Maßnahme in seiner Substanz oder seinem Wesen verändert wird. Ob dies der Fall ist, werde durch grundstücksbezogene Kriterien bestimmt, insbesondere durch Größe, Lage, Zuschnitt, Erschließung und Grad der Bebaubarkeit. Solange diese unverändert bleiben, handelt es sich dem Urteil zufolge nicht um eine wesentliche Verbesserung oder Veränderung. Nicht entscheidend sei, ob die Maßnahme aus anderen Gründen zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt habe.


In der Rechtsprechung des BFH sei nach diesen Maßstäben geklärt, dass ein bebautes Wohngrundstück mit einer Abwassergrube bereits als „betriebsbereit“ gelte und sich durch den Anschluss an eine neu angelegte Kanalisation nicht wesentlich verändere. Die Ersetzung einer funktionsfähigen Abwassergrube durch den Anschluss an den öffentlichen Abwasserkanal führt nicht zu einer solch wesentlichen Verbesserung der Nutzbarkeit von Grund und Boden, als dass nachträgliche Anschaffungskosten anfielen. Es liegt lediglich eine Modernisierung in zeitgemäßer Form vor.