BGH: Kleinkläranlage ohne Bestandsschutz stellt keine gesicherte Erschließung dar


Der BGH hat damit der von der Erstinstanz geäußerten Auffassung widersprochen, die beklagte Gemeinde habe - in zulässiger Nutzung ihres  Auslegungsspielraum – diese Art der Abwasserentsorgung sowie die ungenügende Erreichbarkeit des Grundstücks über teilweise unbefestigte und zu schmale Straßen ohne Ausweichstellen, Fußwege und Randstreifen als „gesicherte Erschließung“ nach dem Baugesetzbuch (BauGB) ansehen dürfen.


In der Sache ging es um den Kauf eines Grundstücks durch den Kläger zu einem Preis in Höhe von 85.000 Euro, den die beklagte Gemeinde genehmigt hatte. Das darauf stehende, seit langem unbewohnte und stark sanierungsbedürftige Einfamilienhaus wollte er für eigene Wohnzwecke herzurichten. Die Gemeinde genehmigte das Vorhaben mit einem Vorbescheid und führte aus, das Vorhaben gelte derzeit als erschlossen. Eine Verlängerung des Bescheids lehnte die Gemeinde aber 2012 ab. Zur Begründung verwies sie auf den unzureichenden Ausbauzustand der das Plangebiet und das Grundstück erschließenden Straßen sowie darauf, dass sie von einer den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechenden Erschließung wegen fehlender finanzieller Mittel „noch entfernt“ sei.


Der Kläger verlangte daraufhin von der Gemeinde die Zahlung von 85.000 Euro nebst Zinsen gegen die Übertragung des Grundstücks. Außerdem forderte er, ihm die weitere im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb stehenden Aufwendungen in Höhe 14.169,80 Euro zu erstatten. Während das Landgericht Gera die Klage abwies (Az.: 4 O 1502/12 vom 30.04.2015), gab ihr das Thüringer Oberlandesgericht mit seiner Entscheidung statt (Az.: 4 U 358/15 vom 22.12.2015).


Auch der BGH hat die Position des Klägers bestätigt. Ein positiver Vorbescheid hätte nicht ergehen dürfen, weil das im Geltungsbereich des Bebauungsplans beabsichtigte Bauvorhaben des Klägers nach dem Baugesetzbuch mangels gesicherter Erschließung bauplanungsrechtlich unzulässig war. Die Gemeinde hatte unstreitig bis zum Erlass des Vorbescheids keine Erschließung des Plangebiets bewerkstelligt, die den Vorgaben des zehn Jahre zuvor beschlossenen Bebauungsplans entsprochen hätte, stellt der BGH fest. Auch hatte sie ausweislich ihres Bescheids vom 20. September 2012 mangels finanzieller Mittel keine Aussicht, eine solche Erschließung in absehbarer Zeit vorzunehmen, heißt es in dem Urteil weiter. Der BGH teilt die Auffassung der Gemeinde nicht, sie habe in zulässiger Nutzung ihres Auslegungsspielraums bei Erlass des Vorbescheids die den Planvorgaben nicht genügende Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks über teilweise unbefestigte und zu schmale Straßen ohne Ausweichstellen, Fußwege und Randstreifen und dessen abwassertechnische Erschließung über eine - keinen Bestandsschutz genießende - Kleinkläranlage als „gesicherte Erschließung“ im Sinne des BauGB ansehen dürfen.


Entgegen der Ansicht der Gemeinde sei es auch unerheblich für das Bestehen des Amtshaftungsanspruchs, dass der Kläger es in Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Vorbescheids unterlassen habe, während dessen dreijähriger Geltungsdauer einen Bauantrag zu stellen. Nutze der Bauherr einen ihm erteilten positiven Bauvorbescheid nicht rechtzeitig aus, übernimmt er dem Urteil zufolge damit nicht wirtschaftlich das Risiko, dass dieser rechtswidrig ist und deshalb auch bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach Ablauf seiner Geltungsdauer von der Behörde nicht verlängert werden wird. Vielmehr darf er nach Auffassung des BGH im Hinblick auf die verfassungsmäßige Bindung der Behörde an Gesetz und Recht grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Bescheid rechtmäßig erlassen worden und damit verlängerungsfähig sei, solange ihm dessen Fehlerhaftigkeit unbekannt sei.