Denn die Erschließungssituation eines Nachbargrundstücks kann nicht nur bei einer Überlastung einer Erschließungsstraße, sondern auch bei Überlastung einer Abwasserbeseitigungsanlage verschlechtert werden. Grundsätzlich liegt dem Beschluss zufolge ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aber erst dann vor, wenn die Belastung, die dadurch für das Nachbargrundstück entsteht, bei Abwägung aller Umstände unzumutbar ist. Das sei dann der Fall, wenn die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung für das Nachbargrundstück für einen erheblichen Zeitraum nicht mehr gesichert ist.
Mit der angefochtenen Baugenehmigung vom aus dem Mai 2017 genehmigte das Landratsamt Ostalbkreis dem Beigeladenen nachträglich den Einbau einer Wohnung in das Obergeschoss und die Erstellung eines Kiosks im Erdgeschoss eines im Außenbereich gelegenen Stall- und Scheunengebäudes, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Dort betreibt der Beigeladene einen bereits anderweit genehmigten Fischereibetrieb. Die Beseitigung des bei der Fischschlachtung anfallenden Abwassers erfolgt durch eine gemeinsam mit den Nachbarn - u. a. den Antragstellern - auf dem Baugrundstück betriebene Kleinkläranlage.
Den Antragstellern zielten mit ihrem Antrag darauf ab, die weitere bauliche Nutzung auf dem Nachbargrundstück zu verhindern. Die Kleinkläranlage sei für den durch die Erschließung des Bauvorhabens zukünftig veränderten Abwasseranfall erforderlich. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies den Antrag ab (Az.: 6 K 10755/17 vom 15.08.2017). Der VGH hat die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurück gewiesen.
Bei der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglich und geboten sei, deutet dem VGH zufolge nichts auf einen Verstoß gegen Vorschriften des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts hin, die die Antragsteller als Nachbarn schützten. Soweit die Antragsteller rügen, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Nutzung der gemeinschaftlichen Kläranlage nicht nur eine privatrechtliche Angelegenheit sei, da bei einer zu hohen Belastung das in ihrem Miteigentum stehende Hausgrundstück die erforderliche ausreichende Erschließung verlöre, trifft dies dem VGH zufolge zwar zu, rechtfertigt jedoch keine andere Abwägungsentscheidung.
Eine erhebliche Verschlechterung der bauplanungsrechtlichen Erschließungssituation eines Nachbargrundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer Erschließungsanlage könne zwar auf einen Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme führen, wenn die dadurch für das Nachbargrundstück entstehende Belastung bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sei. Dies sei für die wegemäßige Erschließung anerkannt, komme aber auch in Betracht, wenn - wie hier - die Überlastung einer Abwasserbeseitigungsanlage in Rede stehe. Darauf, ob es sich um eine öffentliche oder private Anlage handelt und ob diese öffentlich-rechtlich oder nur privatrechtlich gesichert sei, kommt es dabei dem VGH zufolge nicht an.
Das Gebot der Rücksichtnahme finde auch dann Anwendung, wenn es um die für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich erforderliche „ausreichende Erschließung“ im Sinne des Baugesetzbuches (BauGB) gehe. Denn ungeachtet seiner besonderen gesetzlichen Ausformung mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im BauGB betreffe das Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Außenbereich gelte, auch Fälle, in denen es nicht um schädliche Umwelteinwirkungen, sondern um sonstige nachteilige Wirkungen geht.
Das Rücksichtnahmegebot schützt die Nachbarschaft dem VGH zufolge aber lediglich vor unzumutbaren Einwirkungen bzw. Verschlechterungen. Ein Verstoß bei einer vorhabenbedingten Überlastung einer gemeinsamen Kleinkläranlage liege erst dann vor, wenn die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung für das Nachbargrundstück für einen erheblichen Zeitraum nicht mehr gesichert ist und das Grundstück dadurch nicht mehr zweckentsprechend genutzt werden könne. Für einen so begründeten Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme genüge es allerdings nicht, dass die ausreichende Erschließung des neu genehmigten Bauvorhabens aufgrund des ihm zur Verfügung stehenden Anteils an der Kapazität der Gemeinschaftskläranlage nicht im Sinne des BauGB ausreichend gesichert sein könnte.
In dem behandelten Fall ließen sich hinreichende Anhaltspunkte für eine unzumutbare Verschlechterung der bauplanungsrechtlichen Erschließungssituation des Hausgrundstücks der Antragsteller aber nicht feststellen, heißt es in dem Beschluss. Zwar sollten vorhabenbedingt von der 2007 auf eine Kapazität von 28,4 Einwohnergleichwerten (EW) erweiterten Gemeinschaftskläranlage nunmehr 2 EW für den Kiosk, 1,5 EW für Toiletten und 4 EW für die Wohnung im Obergeschoss des Gebäudes in Anspruch genommen werden, sodass der dem Beigeladenen zuletzt nach der Vereinbarung vom 10.07.2007 zustehende Anteil von 12 EW weit überschritten wäre, sollte er tatsächlich in nahezu vollem Umfang für die Fischschlachtung benötigt werden. Es spricht dem VGH zufolge aber derzeit mehr dafür, dass für dafür tatsächlich nicht - wie bisher angenommen - 11,6 EW, sondern deutlich weniger EW in Anspruch genommen werden, und zwar in etwa die vom Beigeladenen bzw. der Eigentümerin des Baugrundstücks angeführten 3,5 EW. Denn nach deren - gemessen an dem Fischbesatz von durchschnittlich 3.000 kg/Jahr - durchaus plausiblen Angaben würden statt der bislang zugrunde gelegten maximal 100 Fische am Tag allenfalls noch 200 bzw. 210 Fische in der Woche geschlachtet, was maximal 30 Fischen am Tag entspreche. Insofern erscheint die daraus von 700 g auf 210 g heruntergerechnete BSB5-Belastung des Abwassers (Biochemischer Sauerstoffbedarf nach 5 Tagen), die 3,5 EW entspricht, durchaus plausibel. Danach verbliebe immer noch 1 EW als Reserve.
Soweit die Beschwerde eine erhebliche Betriebsstörung der Kleinkläranlage daraus herzuleiten suche, dass es tageweise zu einer Überlastung der Kläranlage komme, sodass nicht nur deren Funktion, sondern auch die Erschließung des Hausgrundstücks der Antragsteller vorübergehend verloren gehe, erscheint diese Argumentation dem VGH zufolge zweifelhaft. Zu einer unzumutbaren Verschlechterung der Erschließungssituation dürfte das nicht führen, heißt es in dem Beschluss.
Auch ist dem VGH zufolge nicht zu erkennen. warum eine allenfalls an einzelnen Tagen des Jahres eintretende Spitzenbelastung nicht nur zu einer vorübergehenden erheblichen Betriebsstörung der Kläranlage, sondern darüber hinaus dazu führen sollte, dass das Hausgrundstück der Antragsteller für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum nicht mehr zweckentsprechend, also insbesondere zum Wohnen, genutzt werden könnte.