Urteil: Fremdwasseranteil darf bei den Kosten einer Anlage berücksichtigt werden


Die klagende Grundstückseigentümerin wandte sich gegen ihre Heranziehung zu Abwasserbeseitigungsgebühren für das Jahr 2014, so das Gericht. Mit einem Gebührenbescheid setzte die Gemeinde Anfang 2015 die für das Grundstück zu entrichtenden Schmutzwassergebühren für das Kalenderjahr 2014 nach einer bezogenen Frischwassermenge von 25.887 m³ und einem Gebührensatz von 2,52 Euro pro m³ auf 65.235,24 Euro fest und forderte abzüglich geleisteter Vorauszahlungen in Höhe von 63.304 Euro den Betrag von 1.931,24 Euro an. Außerdem setzte die Gemeinde eine Niederschlagswassergebühr in Höhe von 3.908,31 Euro nach einer abflusswirksamen Fläche von 10.563 m² und einem Gebührensatz von 0,37 Euro/m² fest und forderte, abzüglich geleisteter Vorauszahlungen in Höhe von 3.880 Euro, den Betrag von 28,31 Euro an.


Ihre dagegen gerichtete Klage begründete die Eigentümerin im Wesentlichen damit, dass die Gemeinde die gebührenfähigen Kosten nicht für jede öffentliche Kläranlage separat ermittelt habe. Vielmehr seien die Verteilungsschlüssel der Kosten auf die öffentlichen Einrichtungen willkürlich gegriffen. Auch seien die öffentlichen Verkehrsflächen nicht in die Kostenträgermenge einbezogen worden. Der Fremdwasseranteil im Schmutzwasser sei zu hoch. Dasselbe gelte für den kalkulatorischen Mischzinssatz von 4,4 Prozent.


Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid für rechtmäßig erklärt; er beruhe auf einer rechtmäßigen Satzung und wirksamen Kalkulation. Die Abwassergebührensatzung (AGS) der Gemeinde gebe keinen Hinweis darauf, dass die Einrichtung zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung neben der Grundstücks- auch der Straßenoberflächenentwässerung zu dienen habe. Daher sei es folgerichtig, in der Gebührenkalkulation die auf die Entwässerung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze entfallenden Kosten aus dem Aufwand der Einrichtung herauszurechnen und die Flächen ebenfalls nicht mit einzubeziehen.


Dabei begegne es nach den Vorgaben des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) auch keinen grundsätzlichen Bedenken, die nicht zur Grundstücksentwässerung erforderlichen Einrichtungskosten zu schätzen, solange die Gesamtfläche der öffentlichen Verkehrsflächen nicht ermittelt wurde und soweit die Schätzung nicht zu einer unzulässigen Quersubventionierung zu Lasten der gebührenpflichtigen Eigentümer der Anliegergrundstücke gehe. Die Gemeinde habe hinreichend belegt, dass letzteres nicht der Fall ist, indem sie während und unmittelbar nach der laufenden zweijährigen Kalkulationsperiode 2014/15 die öffentlichen Verkehrsflächen mit ca. 1,761 Mio. m² ermittelt habe, was einem Verhältnis der zu entwässernden privaten Flächen mit ca. 2.135.000 m² von ungefähr 45 Prozent zu 55 Prozent entspreche. Von daher bestehe kein Anlass zu Zweifeln, dass der für die Entwässerung der öffentlichen Verkehrsflächen heraus gerechnete Anteil von 50 Prozent der wesentlichen Kostenpositionen nicht ausreichend geschätzt worden wäre. Soweit in der Gebührenkalkulation teilweise geringere Prozentsätze abgezogen wurden, habe die Gemeinde dieses Vorgehen mit den höheren Kosten der Grundstücksentwässerung im Vergleich zu den Kosten der Verkehrsflächen plausibel erklärt.


Zwar steht dem Gericht zufolge fest, dass Leitungen der öffentlichen Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung auch zur Beseitigung von Oberflächenwasser aus dem Außenbereich und damit für einrichtungsfremde Zwecke genutzt würden - insbesondere zur Ableitung des Quellwassers vom Hainbuchenbrunnen. Das Gericht schätzt die heraus zu rechnenden Kosten aber allenfalls auf einen mittleren dreistelligen Eurobetrag im Jahr. Es handle sich nicht um einen methodischen Fehler der Kalkulation, so dass die Grenze der Unbeachtlichkeit nach dem NKAG bei weitem nicht erreicht werde. Die betreffenden Beträge hätten auch keinen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der einbezogenen Unterdeckungen aus Vorjahren, so dass sie in der nächstfolgenden Kalkulationsperiode ausgeglichen werden könnten.


Wie es in dem Urteil weiter heißt, wurden die Kalkulationen der Gebührensätze für die drei öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zur Abwasserbeseitigung dem Gemeinderat zwar in einem einheitlichen Schriftstück vorgelegt; daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass die Gemeinde die gebührenfähigen Kosten nicht für jede öffentliche Einrichtung separat ermittelt habe. Der angesetzte kalkulatorische Mischzinssatz von 4,4 Prozent sei ordnungsgemäß berechnet worden. Der erfolgte Aufschlag von 0,13 Prozentpunkten auf den rechnerischen Satz von 4,27 Prozent sei zulässig, weil er die zum Jahresende 2013 erkennbare Tendenz der Zinsentwicklung und die beabsichtigte weitere Kreditaufnahme prognostisch berücksichtige.


Für die Beantwortung der Frage, bis zu welcher Höhe ein Fremdwasseranteil in der öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung noch als betriebsbedingte Erschwernis bzw. als systemimmanent zu charakterisieren sei, kommt dem Gericht zufolge dem Fremdwasseranteil, der in den jeweiligen Anlagentypen „üblicherweise“ anfällt, eine große Bedeutung zu. Liegt er nicht oder nur unwesentlich über dem durchschnittlichen Anteil bei Anlagen ähnlicher Größe in Niedersachsen, so werde damit festgestellt, dass die Fremdwasserkosten als Kosten für betriebliche Erschwernisse im Zusammenhang mit dem Betrieb der jeweiligen Abwasserbeseitigungseinrichtung stehen und daher noch als betriebsbedingte und damit gebührenfähige Kosten angesehen werden können. In diesem Fall müsse der Gebührenschuldner konkret darlegen, warum der Fremdwasseranteil auf einer unwirtschaftlichen Betriebsführung der Gemeinde beruht und deshalb bei den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermittelnden Kosten der Anlage nicht berücksichtigt werden soll. Ein deutliches Überschreiten des „üblicherweise“ bei Anlagen vergleichbarer Art anfallenden Fremdwasseranteils deute auf systemimmanente Gründe hin. Dann sei es Sache des Anlagenbetreibers, im Einzelnen konkret auszuführen und zu belegen, dass die Ursache des „unüblich“ hohen Fremdwasseranteils nicht auf einer unwirtschaftlichen Betriebsführung beruht.


Die Gemeinde habe ihre vier technisch selbständigen Kläranlagen, die alle über eine mechanische, biologische und chemische Reinigungsstufe verfügten, die von ihrer Art und Wirkungsweise vergleichbar sind, zulässigerweise zu einer einzigen öffentlichen Einrichtung zusammengefasst, stellt das Gericht fest.


Damit komme es ausschließlich auf die addierten Gesamtabwassermengen an, die 1.674.521 m³ für 2014 und 1.810.519 m³ für 2015, durchschnittlich also 1.742.520 m³, betragen haben. Tatsächlich abgerechnet wurden 1.099.587 m³ für 2014 bzw. 1.123.866 m³ für 2015. Dies decke sich im Wesentlichen mit dem kalkulierten Frischwasserbezug von ca. 1,07 Mio. m³ jährlich. Von dem Wasserverband seien aus dem Gebiet 260.816 m³ für 2014 bzw. 278.468 m³ für 2015 Schmutzwasser zugeleitet worden. Für den Kalkulationszeitraum ergebe sich aus diesen Zahlen eine durchschnittliche Jahresschmutzwassermenge einschließlich des Mischwassers von 1.381.368,5 m³, woraus sich eine durchschnittliche Fremdwassermenge von 361.151,5 m³ jährlich errechne. Der Fremdwasseranteil an der Jahresschmutzwassermenge im Kalkulationszeitraum betrage in der Gemeinde damit ca. 20,73 Prozent und liege so nicht deutlich über dem Mittelwert vergleichbarer Anlagen.