Niederschlagswassergebühr: VG Köln betont Mitwirkungspflicht der Eigentümer


Obwohl für das Grundstück der klagenden Eigentümer kein Niederschlagswasserkanal der beklagten Gemeinde vorhanden ist, hatte der Voreigentümer im Jahr 2004 angegeben, dass Dachflächen in einer Größenordnung von 135,40 m² an den Kanal angeschlossen seien, so das Gericht zur Ausgangslage. Für die Veranlagungsjahre 2013 bis 2015 erhielten die Eigentümer von der Gemeinde Bescheide für die Regenwassergebühr in einer Höhe von jeweils rund 120 Euro. Nach Erhalt des Bescheids vom 1. Februar 2016 für das Veranlagungsjahr 2015 erfuhren die Kläger, dass ein Niederschlagswasserkanal der Gemeinde gar nicht existiert. Das Regenwasser des Grundstücks gelangt über den Überlauf eines Wassertanks in einen Seitengrabe der angrenzenden Straße.

Die Kläger beantragten die Rücknahme der Bescheide und die Rückerstattung der Gebühren. Das lehnte die Gemeinde mit der Begründung ab, dass die Kläger das Fehlen des Niederschlagswasserkanals und damit die Rechtswidrigkeit dieser Gebühr hätten leicht erkennen können. Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfsverfahrens in den Vorjahren hätten sie ungenutzt gelassen.

In ihrer Klage brachten die Eigentümer dann vor, es sei für sie als Erwerber einer Gebrauchtimmobilie nicht ersichtlich gewesen, dass das Grundstück gerade nicht an einen Niederschlagswasserkanal angeschlossen sei. Außerdem seien Niederschlagswasserkanäle nicht ohne weiteres erkennbar. Ihr Niederschlagswasser von den Dachflächen gelange zunächst in einen Wassertank, dessen Überlauf in einen Seitengraben der Straße münde. Sie seien davon ausgegangen, dass die Gemeinde Gebühren nur für solche Entwässerungskanäle erhebe, die tatsächlich auch existierten. Sie hätten keinerlei Veranlassung gehabt, an der Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung zu zweifeln.

Als fachkundiger technischer Betrieb für Entwässerung habe die Gemeinde erkennen müssen, dass die Angaben Flächenerhebungsbogen aus dem Jahr 2004 falsch waren. Die ablehnende Entscheidung der Gemeinde stelle einen Ermessensfehlgebrauch dar. Mit dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sei es nicht vereinbar, wenn die Gemeindewerke rechtswidrig erhobene Gebühren für eine Einrichtung behalten dürften, die nicht existiere.

Dem  Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zufolge haben die Eigentümer keinen Anspruch auf die Rücknahme der Gebührenbescheide. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage für einen Rücknahmeanspruch nach dem Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) in Verbindung mit der Abgabenordnung (AO) liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Dabei könne offen bleiben, ob die Bescheide überhaupt rechtswidrig seien. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Eigentümer, indem sie den Überlauf ihres Wassertanks in einen Seitengrabe der Straße münden lassen, im Ergebnis doch die kommunale Einrichtung in Anspruch nehmen.

Da die AO der Behörde auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen einräume, bestehe ein Anspruch auf Rücknahme belastender Verwaltungsakte nur für den Fall, dass nur die Rücknahme der Bescheide ermessensfehlerfrei wäre. Eine solche Ermessensreduzierung liegt dem Gericht zufolge nur vor, wenn die Aufrechterhaltung der Bescheide „schlechthin unerträglich“ wäre oder Umstände gegeben seien, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit des Bescheids als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründe keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde sei.

„Schlechthin unerträglich“  ist das Festhalten an einem rechtswidrigen Verwaltungsakt nach Darstellung des Verwaltungsgerichts insbesondere dann, wenn die Behörde gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, indem sie in gleich oder ähnlich gelagerten Fällen in der Regel von ihrer Befugnis zur Rücknahme Gebrauch macht, hiervon jedoch in anderen Fällen ohne rechtfertigenden Grund absieht. Dafür lägen hier aber keine Anhaltspunkte vor.

Dem Urteil zufolge verstoßen die Bescheide auch nicht gegen Treu und Glauben. Zwar habe die Behörde Kenntnis darüber besessen, dass das klägerische Grundstück über keinen Anschluss an einen Niederschlagswasserkanal verfüge, da bis zum heutigen Tag gar kein Niederschlagswasserkanal in der Straße verlegt worden sei. Es sei aber trotzdem nicht ersichtlich, dass die Gemeinde gleichsam „sehenden Auges“, d.h. wissentlich falsch oder in bewusster Außerachtlassung der Kenntnis über das Fehlen des Niederschlagswasserkanals, rechtswidrige Gebührenbescheide mit fehlerhafter Bemessungsgrundlage erlassen hätte. Entscheidend sei dabei, dass nicht allein die Kenntnis von den Umständen, die die Rechtswidrigkeit begründen, ausreiche. Die notwendige Wertung „schlechthin unerträglich“ folge erst aus einem bewussten Verstoß der Behörde gegen die Rechtsordnung, der es ausschließen würde, dass sie sich auf die aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgende Bestandskraft berufen könne.

Ein derartiges Vorgehen sei der Gemeinde bei der Niederschlagswassergebührenerhebung nicht vorzuwerfen. Zwar müsse die Gemeinde ihr eigenes Kanalsystem kennen. Gleichzeitig begründeten die entsprechenden Satzungsregelungen der Gemeinde aber auch Mitwirkungspflichten der Grundstückseigentümer: So müssten die Eigentümer nach der Beitrags- und Gebührensatzung (BGS) auf Befragen die bebauten und befestigten Flächen der Gemeinde mitteilen. Dementsprechend teilte der Voreigentümer 2004 mit, dass die Dachflächen in den Kanal einleiten. Diese Angaben wurden dann in das System der Gebührenerhebung übernommen. Der Gemeinde sei in diesem Zusammenhang vorzuwerfen, bei Einpflege der Daten die Fehlerhaftigkeit der Angaben nicht erkannt zu haben. Der Voreigentümer habe – ebenso wie die Kläger bis 2015 – vorbehaltlos die festgesetzten Gebühren bezahlt. In Anbetracht dieser Gesamtumstände habe die Gemeinde die Gebührenbescheide nicht in bewusster Kenntnis von der Rechtswidrigkeit erlassen, um nach deren Unanfechtbarkeit die Gebührensumme durchzusetzen, heißt es in dem Urteil.

Der Annahme eines unerträglichen Festhaltens an einem rechtswidrigen Verwaltungsakt steht nach Einschätzung des Gerichts schließlich entgegen, dass es den Eigentümern zumutbar und möglich gewesen sei, ihren Einwand, dass den Gebührenfestsetzungen ein nicht vorhandener Niederschlagswasserkanal zugrunde gelegt worden ist, auch vorher innerhalb der Rechtsbehelfsfrist in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen die Gebührenbescheide überprüfen zu lassen. Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht als Gebührenschuldner und im eigenen Interesse seien die Eigentümer gehalten gewesen, die Bemessungsgrundlagen der Gebührenfestsetzung zu überprüfen und Bedenken gegen die Höhe der Festsetzung innerhalb der jeweiligen Rechtsbehelfsfrist geltend zu machen.

Eine erhöhte Überprüfungspflicht grundsätzlicher Angaben treffe gerade die Käufer von Gebrauchtimmobilien, die sich nicht darauf verlassen dürften, dass alle Angaben der Voreigentümer richtig seien, heißt es in dem Urteil. So wäre nach Auffassung des Gerichts spätestens bei der der Errichtung eines Wassertanks mit entsprechendem Überlauf Gelegenheit gewesen, der tatsächlichen Niederschlagswasserbeseitigung nachzugehen.

Wie das VG Köln des Weiteren ausführt, ist die gerichtliche Kontrolle der getroffenen Entscheidung nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Überprüfung beschränkt, ob die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens gewahrt und das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt hat. Zweck der Ermessensermächtigung sei es, zwischen der materiellen Gerechtigkeit einerseits und dem durch die Bestandskraft eingetretenen Rechtsfrieden andererseits eine Abwägung zu treffen. Bei der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit, der für eine Korrektur unrichtiger Bescheide spricht, prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der das Festhalten an der Bestandskraft des Bescheides begründen kann.

Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu beanstanden, wenn die Behörde, wie hier, der Rechtssicherheit den Vorrang einräume und sich darauf berufe, dass die materielle Gerechtigkeit im gesetzlich zugelassenen Rechtsmittelverfahren zu verwirklichen gewesen wäre. Die objektiven Gründe der Rechtswidrigkeit hätten bereits beim Erlass der jeweiligen Gebührenbescheide vorgelegen und in einem Rechtsbehelfsverfahren zur Aufhebung geführt, stellt das Gericht fest. Dass die Eigentümer erst nach Ablauf der jeweiligen Rechtsbehelfsfristen positive Kenntnis von den Rechtswidrigkeitsgründen gehabt hätten, ändere an der zulässigen Ermessenserwägung der Gemeinde nichts.