Bei Nacherhebung von Abwassergebühren pauschaler Mengenansatz zulässig


Die Gemeinde zog den klagenden Grundstückseigentümer in den Jahren von 2013 bis 2016 jeweils zu Benutzungsgebühren für ihre Entwässerungseinrichtung heran, schreibt der VGH zum Sachverhalt. Grundlage dieser Kanalgebühren war dabei die bezogene Frischwassermenge. Im Mai 2015 beantragte der Eigentümer die Einzelveranlagung für Niederschlagswasser, wobei er auf einem Formblatt für das Wohnhaus, das sich auf dem Grundstück befindet, eine tatsächlich bebaute und befestigte Fläche von 93 m² und für die Garage von 43 m² angab. Des Weiteren gab er an, dass auf dem Grundstück eine Zisterne für Brauchwasser vorhanden sei, die mit 120 m² mit einzuberechnen sei. Die Summe der tatsächlich bebauten und befestigten Flächen, von denen aus Niederschlagswasser in die öffentliche Entwässerungsanlage eingeleitet werde oder abfließe, betrage damit nur 16 m².


Im Juli 2016 wies die Gemeinde den Eigentümer darauf hin, dass bisher keine Schmutzwassergebühren für Wasser, das der Entwässerungseinrichtung aus privaten Regenwassersammelanlagen zugeführt worden sei, erhoben worden seien. Anfang August 2016 setzte die Gemeinde deshalb Benutzungsgebühren für den Kanal für die Jahre 2012 bis 2015 über insgesamt 1.275 Euro fest, wobei ein Mindestverbrauch von 35 m³ pro Person und Jahre angesetzt wurde. Bei fünf in dem Anwesen gemeldeten Personen führte das zum Ansatz eines Mindestverbrauchs von 175 m³ pro Jahr.


Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den Antrag des Eigentümers, die aufschiebende Wirkung seiner Widersprüche gegen die entsprechenden Bescheide anzuordnen, ab (Az.: RN 11 S. 16.1977 vom 06.02.2017). Bei der streitigen Schmutzwassergebühr gelten nach der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) der Gemeinde  grundsätzlich als Abwassermenge die Wassermengen, die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführt werden, abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen. Zudem sei in der BGS/EWS geregelt, dass Wassermengen, die nicht vollständig über Wasserzähler erfasst würden, als dem Grundstück aus der Eigengewinnungsanlage zugeführte Wassermenge mit pauschal 15 m³ pro Jahr und Einwohner neben der tatsächlich aus der öffentlichen Wasserversorgung abgenommenen Wassermenge angesetzt würden, insgesamt aber nicht weniger als 35 m³ pro Jahr und Einwohner. Diese Satzungsbestimmungen begegneten keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere greife der Einwand, die pauschale Regelung verstoße gegen das Äquivalenzprinzip, wonach Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen, nicht. Dies sei schon deshalb nicht der Fall, weil es dem Gebührenpflichtigen frei stehe, den Nachweis eines niedrigeren Wasserverbrauchs zu führen, was er durch den Einbau geeichter und verplombter Wasserzähler tun könne.


Es handele sich insoweit um ein typisches abgabenrechtliches Gefüge, wonach zunächst zur Vereinfachung eine typisierende Regelung greife, aber eine konkrete Ermittlung im Einzelfall ermöglicht werde, heißt es im Beschluss des Verwaltungsgerichts. Vor diesem Hintergrund komme es auch nicht auf die von der Antragstellerseite angesprochenen Wetteraufzeichnungen ankommen: Könne aufgrund der Lage des Grundstücks oder ungewöhnlicher Trockenperioden nicht ausreichend Wasser aus der Zisterne entnommen werden, so könne der Gebührenschuldner, wenn er den pauschalen Ansatz nicht hinzunehmen bereit sei, mit dem Einbau von Wasserzählern eine Behandlung nach den konkreten Mengen erreichen.


Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legte der Eigentümer Anfang 2017 Beschwerde ein. Das Gericht verkenne, dass es für eine Beitragserhebung für die Jahre 2012 bis 2014 im Zeitpunkt des Bescheiderlasses im August 2016 an einer Satzungsgrundlage fehle, weil die BGS-EWS 2010 mit Inkrafttreten der Satzung vom 11. März 2015 außer Kraft getreten sei, brachte der Eigentümer unter anderem vor.


Die Beschwerde des Eigentümers hat vor dem VGH keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht habe den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Gebührenbescheide anzuordnen, zu Recht abgelehnt, heißt es in dem Beschluss des VGH. Ergänzend führt der VGH aus, dass sich die Gebührenbescheide vom August 2016 auch für die Nacherhebung von Gebühren für die Jahre 2012 bis 2014 auf eine wirksame Abgabesatzung im Sinne des Kommunalabgabengesetztes (KAG) stützen.


Dass die frühere Beitrags- und Gebührensatzung für die Entwässerungsanlage 2010 mit dem Inkrafttreten der neueren BGS-EWS vom März 2015 rückwirkend zum 1. Januar 2015 außer Kraft getreten ist, führt dem OVG zufolge nicht dazu, dass es an einer wirksamen Rechtsgrundlage der nachträglichen Gebührenerhebung für die Jahre 2012 bis 2014 fehlte. Denn das „Außerkrafttreten“ einer Rechtsnorm bezeichne nach dem juristischen Sprachgebrauch das Entfallen der Rechtswirksamkeit für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit.


Soll einer Rechtsnorm ihre Wirksamkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens oder einen anderen Zeitpunkt genommen werden, so handle es sich nach juristischem Begriffsverständnis um eine „Aufhebung“. Dass die Antragsgegnerin diesen Begriffen in den vorliegenden Satzungsregelungen eine andere, von dem allgemeinen Verständnis abweichende Bedeutung beilegen wollte, ergibt sich dem VGH-Beschluss zufolge weder direkt aus der BGS-EWS 2015 noch indirekt. Die Nacherhebung der Gebühren für die Jahre 2012 bis 2014 finde daher ihre Rechtsgrundlage in der BGS-EWS 2010, für das Jahr 2015 hingegen in der BGS-EWS 2015.


Nach Auffassung des OVG ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Gemeinde in den BGS-EWS 2010 und 2015 übereinstimmend die Einleitungsgebühr der Höhe nach nicht ausschließlich am Frischwassermaßstab, d.h. an der Menge des entnommenen Frischwassers, sondern anhand der Frischwasserentnahmen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen bemisst.


Auch die Pauschalierungsregelung in BGS-EWS 2010/2015 ist dem VGH zufolge nicht zu beanstanden. Danach werden als dem Grundstück aus der Eigengewinnungsanlage (hier der Zisterne) zugeführte Wassermenge, wenn die Wassermengen nicht vollständig durch Wasserzähler erfasst werden, pauschal 15 m³ pro Jahr und Einwohner neben der tatsächlich aus der öffentlichen Wasserversorgung abgenommenen Wassermenge angesetzt, insgesamt aber nicht weniger als 35 m³ pro Jahr und Einwohner. Eine Pauschalierung bei Eigenwassergewinnungsanlagen, wonach im ländlichen Bereich ein Abwasseranfall von 30 bis 60 m³ pro Person als sachgerecht angesehen werden kann, habe die Rechtsprechung akzeptiert.


Ebenso sei es nicht zu beanstanden, wenn durch Satzungsregelungen der Abzug von auf dem Grundstück verbrauchten Wassermengen dadurch begrenzt wird, dass gleichzeitig ein bestimmter Wasserverbrauch pro Person und Jahr unterstellt wird. Dabei handelt es sich dem VGH zufolge nicht um eine unzulässige Mindestgebühr, „sondern um eine der Lebenserfahrung entsprechende und statistisch untermauerte zulässige Beschränkung nachgewiesener Abzugsmengen“. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Nachweis der der öffentlichen Entwässerungsanlage zugeführten endgültigen Mengen dem Gebührenschuldner auferlegt werden darf. Insoweit genüge es, dass eine Nachweisführung durch den Eigentümer mit Einbau eines Zählers möglich ist. Auf die witterungsabhängige tatsächliche Niederschlagsmenge und den davon abhängigen tatsächlichen Umfang der Inanspruchnahme der Entwässerungsanlage durch verschmutztes Niederschlagswasser aus der Zisterne kommt es dem gegenüber für die Wirksamkeit der Satzungsregelung nicht an, heißt es in dem Beschluss.