BGH erklärt Bestimmung des Wasser-Grundpreises nach Nutzergruppen für zulässig


Dabei kann der Versorger dem Bundesgerichtshof zufolge auch zwischen einem Bedarf für Grundstücke mit Wohnbebauung und einem Bedarf für industriell oder gewerblich genutzte Grundstücke unterscheiden. Ebenso sei es zulässig, dass das Versorgungsunternehmen den Grundpreis bei dem Bedarf für Wohnzwecke nach der Anzahl der vorhandenen Wohneinheiten, bei dem Bedarf für industrielle, gewerbliche oder sonstige Zwecke dagegen weiterhin nach dem Wasserzählermaßstab bemisst. 


Darüber hinaus kann nach dem Urteil ein Wasserversorgungsunternehmen, das in seinem Versorgungsgebiet die Anschlussnehmer auf privatrechtlicher Grundlage versorgt, bei seiner Tarifgestaltung für die Lieferung von Trinkwasser neben verbrauchsabhängigen Entgelten zugleich verbrauchsunabhängige Grundpreise in Ansatz bringen. Mit dem Urteil hat der BGH nach eigenen Angaben seine bisherige Rechtsprechung (Az.: VIII ZR 106/14 vom 8.7.2015 und Az.: VIII ZR 136/14 vom 20.05.2015) bestätigt und fortgeschrieben.


Die klagende Lausitzer Wasser GmbH & Co. KG (LWG), im Gebiet der Stadt Cottbus alleiniger Anbieter für die öffentliche Wasserversorgung, beliefert unter anderem die beklagte Wohnungsbaugenossenschaft, die über einen Bestand von mehr als 10.000 Wohnungen und rund 170 Gewerbeobjekten im Stadtgebiet von Cottbus verfügt, mit Trinkwasser. Dies geschieht auf privatrechtlicher Grundlage nach Maßgabe der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV), so der BGH zum Sachverhalt. Für die Bereitstellung und Lieferung des Trinkwassers verlangt sie nach den von ihr festgesetzten Tarifen einen Grund- und einen Mengenpreis.


Die LWG stellte ihre bis dahin allein nach der Nenngröße der vorhandenen Wasserzähler bemessenen Grundpreise ab dem 1. Juli 2006 so um, dass sie nun bei einer Wohnnutzung die Anzahl der vorhandenen Wohneinheiten zugrunde legte. Pro pro Wohneinheit  waren 6,35 Euro netto angesetzt. Bei industriell, gewerblich oder in sonstiger Weise genutzten Grundstücken blieb hingegen die Größe des eingebauten Wasserzählers für die Bemessung des Grundpreises maßgeblich. Dabei verlangte der Wasserversorger für die kleinste Zählerkategorie mit einer Nennleistung von 2,5 Kubikmeter pro Stunde (m³/h) einen Grundpreis von 16 Euro netto pro Monat, und für die nächst höhere Zählerkategorie mit einer Nennleistung von 6 m³/h einen Grundpreis von 38,40 € netto im Monat. Gleichzeitig senkte die Klägerin mit einheitlicher Wirkung für alle Tarife den Mengenpreis.


Die Wohnungsbaugenossenschaft bezahlte im Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. September 2007 für verschiedene ihrer Wohnanlagen die nach dem neuen Tarif abgerechneten Grundpreise nur zum Teil, weil sie die neue Tarifstruktur für unzulässig hielt, so der BGH weiter. Der Wasserversorger erhob daraufhin zunächst für zehn Verbrauchsstellen eine Zahlungsklage für den vorgenannten Zeitraum in Höhe von 5.414,45 Euro nebst Zinsen. Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage ab.


Mit der Revision vor dem BGH hat die LWG Erfolg. Entgegen der Auffassung des OLG führt der von der Klägerin ab dem 1. Juli 2006 im Rahmen der Grundpreisbemessung ergänzend eingeführte Wohneinheitenmaßstab - auch in Kombination mit dem für gewerbliche und sonstige Nutzung weiterhin verwendeten Zählermaßstab - nicht zur Unbilligkeit der geänderten Tarifstruktur, heißt es in dem Urteil des BGH. Dem Versorger stehe deshalb ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Entgelts – nach Abzug gezahlter Abschläge - in Höhe von 4.436,67 Euro nebst Zinsen für die im streitgegenständlichen Zeitraum erfolgten Wasserlieferungen zu. Darüber hinaus habe er Anspruch auf die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Trinkwasserversorgungsverhältnis auf der Grundlage der von der Klägerin ab dem 1. Juli 2006 geforderten Preise bestehe.


Der BGH geht nach eigenen Angaben davon aus, dass Tarife von Unternehmen, die mit einem privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnis Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen. Den Anforderungen, die sich daraus ergeben, werde die Änderung der Grundpreisbestimmung durch die LWG - entgegen der Auffassung des OLG - gerecht.


Ob die Preisbestimmung in einem Massengeschäft wie der Wasserversorgung der Billigkeit entspricht, hängt dem BGH zufolge insbesondere davon ab, ob die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung eingehalten werden. Daran gemessen entspreche die Erhebung des Grundpreises nach Wohneinheiten - auch in Kombination mit dem für gewerbliche und sonstige Nutzung weiter anwendbaren Zählermaßstab -, wie sie die Klägerin im Rahmen ihres zum 1. Juli 2006 geänderten Tarifsystems vorsieht, der Billigkeit. Rechtlich unzutreffend sei demgegenüber die Annahme des Oberlandesgerichts, die geänderte Grundpreisbemessung benachteilige Mehrfamilienhäuser gegenüber Einfamilienhäusern und Gewerbebetrieben in einer Weise, die mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar sei.


Denn der Gleichheitssatz des Grundgesetzes verbiete es einem Satzungsgeber für die Gebührenbemessung zwar, wesentlich gleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Allerdings sei der Satzungsgeber – und Entsprechendes gelte im Rahmen des § 315 BGB für die privatrechtlich ausgestalteten Tarife der LWG - bei der Bestimmung der Merkmale, nach denen Sachverhalte als im Wesentlichen gleich oder ungleich anzusehen sind, innerhalb der Grenzen der Sachgerechtigkeit frei. Insbesondere könne er je nach den Umständen des Einzelfalls eine Auswahl unter verschiedenen Gebührenmaßstäben treffen. Der Gleichheitssatz bevorzuge keinen bestimmten Maßstab. Die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers ende erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die Differenzierung nicht mehr zu erkennen sei, stellt der BGH fest.


Zugleich sei es im Abgabenrecht anerkannt, dass Typisierungen und Pauschalierungen, insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen im Hinblick auf die Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität, gerechtfertigt sein könnten. Die Grenze des Gestaltungsermessens sei erst dann überschritten, wenn ein sachlich einleuchtender Grund für eine mit der Typisierung getroffene oder unterlassene Differenzierung auch mit Blick auf die Verwaltungsvereinfachung fehlt, heißt es in dem Urteil.  Ein Satzungsgeber sei im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens auch nicht gehalten, den jeweils gewählten Maßstab derart weit auszudifferenzieren, dass möglichst jedem Einzelfall entsprochen werde. Ausreichend sei vielmehr, dass die Höhe der Grundgebühr zu dem möglichen Umfang der Benutzung in eine, wenn auch nur annähernde, Beziehung gesetzt sei.