Bei Erneuerungen von Kanalsanschlüssen hat eine Gemeinde Einschätzungsspielräume


Der besagte Anschlusskanal wurde den Angaben des Gerichts zufolge 2014 im Rahmen eines Straßenausbaus erneuerte. Dieser Anschlusskanal habe sich schon bei einer Kamera-Befahrung des Kanalsystems im September 2009 als defekt erwiesen. Außerdem seien bei der Freilegung zwei Rohrbrüche festgestellt worden. Die Gemeindeverwaltung forderte die Grundstückseigentümerin im Anschluss dazu auf für den Ersatz der Aufwendungen für die Erneuerung dieses Grundstücksanschlusses im öffentlichen Verkehrsraum in einer Höhe von insgesamt 2.945,15 Euro aufzukommen. Dies tat die Eigentümerin nicht und reichte nach längeren Auseinandersetzungen mit der Verwaltung Klage vor dem VG Neustadt ein.


Zur Begründung ihre Klage führte die Grundstückseigentümerin an, dass die erstmalige Herstellung des Grundstücksanschlusses nicht durch die Gemeinde erfolgte; vielmehr sei die Leitung bis zum Straßenkanal in den 1970ern im Auftrag und auf Kosten der Grundstückseigentümer verlegt worden. Weiter argumentierte die Klägerin, dass sie fast 40 Jahre Gebühren für die Unterhaltung und Erneuerung der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung bezahlt habe, die Gemeinde habe sich im Gegenzug die Aufwendungen für einen Erstanschluss erspart und die Baukosten nicht erstattet. Es sei daher grob unbillig, wenn die Gemeinde nun verlangt, dass die Eigentümerin für die streitgegenständliche Erneuerung des Hausanschlusses, bei der es sich letztendlich um einen Erstanschluss handele, erstattet.


Die Kostenanforderung in Höhe von 2.945,15 Euro sei überraschend gekommen, weil der Hausanschluss mit knapp 40 Jahren noch relativ neu gewesen sei und die Grundstückseigentümer nicht um eine Erneuerung gebeten hätten. Es werde bestritten, dass der Hausanschluss irreparabel defekt gewesen sei. Außerdem habe es die Gemeinde nicht für notwendig erachtet, sie von der Erneuerung im Vorhinein zu verständigen. Eine Reparatur der Leitung hätte aus ihrer Sicht ausgereicht.


Die Gemeindeverwaltung erwiderte diesen Ausführungen der Klägerin, dass der Umstand, dass die Grundstückseigentümer den ursprünglichen Hausanschluss auf eigene Kosten verlegt hätten, für die Pflicht der Eigentümerin, die Aufwendungen für dessen Erneuerung zu übernehmen, ebenso unerheblich wie die Zahlung von Abwassergebühren sei. Die Erneuerung des Hausanschlusses sei geboten gewesen, weil die 1974 hergestellte Leitung vor ihrer Erneuerung eine Gefahr für Boden und Grundwasser dargestellt habe, da durch die Rohrbrüche Abwasser in das Erdreich gelangt sei. Eine Reparatur sei im Hinblick auf den Zustand der Leitung nicht sinnvoll gewesen.


Dieser Argumentation folgte das Verwaltungsgericht Neustadt und entschied, dass der Bescheid der Gemeinde, der die Grundstückseigentümerin zur Übernahme der Kosten aufforderte, rechtmäßig sei und damit Bestand habe. Die Entscheidung der Gemeinde, eine 40 Jahre alte Hausanschlussleitung im öffentlichen Verkehrsraum, die schadhaft war, im Zuge von Straßenarbeiten zu erneuern, sei nicht zu beanstanden. Das Gericht erklärte, dass gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) kommunale Gebietskörperschaften bestimmen können, dass ihnen die Aufwendungen für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen und die Erneuerung von Grundstücksanschlüssen an leitungsgebundene Anlagen sowie Aufwendungen für Änderungs- und Unterhaltungsmaßnahmen, die von den Erstattungspflichtigen verursacht wurden, in der tatsächlich entstandenen Höhe erstattet werden. Erstattungspflichtig ist dabei, wer bei Fertigstellung der Maßnahme Eigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks ist.


Die Einwände der Klägerin gegen diese Erstattungspflicht hätten das Gericht hingegen nicht überzeugt. Dass die ursprüngliche Hausanschlussleitung im Jahr 1974 nicht von der Gemeinde, sondern von den Grundstückseigentümern auf deren Kosten verlegt wurde, sei im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Erstattungspflicht unerheblich. Auch die Begründung, dass es auf Grund des geringen Alters ihres Grundstücksanschlusses keiner Erneuerung bedurft habe, greife nicht durch. Die Gemeinde sei vielmehr in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von der Erneuerungsbedürftigkeit der Hausanschlussleitung im öffentlichen Verkehrsraum ausgegangen.


Jeder Anschlussberechtigte – wie hier die Klägerin – ist gemäß § 6 Abs. 1 Allgemeine Entwässerungssatzung verpflichtet, sein Grundstück an die Abwasseranlage anzuschließen, wenn für das Grundstück eine betriebsfertige öffentliche Abwasseranlage hergestellt wurde und vorgehalten wird, erklärte das Gericht. Die Befolgung dieses Anschluss- und Benutzungszwangs setze das Vorhandensein funktionstüchtiger Grundstücksanschlüsse voraus. Wenn nun so ein Anschluss untauglich ist und von einer Gemeinde erneuert wird, so nimmt die Kommune Handlungen vor, die der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anschlusspflicht an die gemeindliche Abwasseranlage dienen, und damit zum Pflichtenkreis des Grundstückseigentümers gehören und die ihn von der diesbezüglichen Last befreien.


Dabei habe die Gemeinde bei der Frage, ob eine Grundstücksanschlussleitung erneuerungsbedürftig ist, einen Einschätzungsspielraum. Als Folge ihrer kraft Gesetzes vorgegebenen Pflicht zur unschädlichen Beseitigung der im Gemeindegebiet anfallenden Abwässer (vgl. § 56 WHG i.V.m. § 57 Abs. 1 LWG) muss die Gemeinde die Abwasseranlage und die Grundstücksanschlussleitungen in einem technisch einwandfreien Zustand halten, um eine Störung der Ortsentwässerung möglichst zu vermeiden. Diese gesetzgeberische Zielsetzung gebiete es, dass eine Gemeinde Grundstücksanschlussleitungen nicht erst bei Eintreten eines Schadens erneuert, sondern bereits dann, wenn deren Zustand in absehbarer Zeit nach den Regeln der Entsorgungstechnik – etwa verschleißbedingte – Störungen erwarten lässt.