OVG: Beitragspflichtige Mitgliedschaft in Wasserverband muss Vorteile bieten


Die Klägerin betreibt unterhalb der Talsperre, die von dem beklagten Wasserverband bewirtschaftet wird, eine Forellenzucht, so das OVG zum Sachverhalt. Als sie im Juni 2007 erstmals zu einem Wasserverbandsbeitrag für das Veranlagungsjahr 2006 in Höhe von 35.280 Euro herangezogen werden sollte, erhob sie Klage. Da sie aus der Tätigkeit des Wasserverbandes keinen individuellen Vorteil ziehe, sei sie gar kein Mitglied des Verbandes. Im Rahmen ihrer ausführlichen Klagebegründung setzte sich die Klägerin mit den Vor- und Nachteilen, die der Betrieb der Talsperre für ihren Betrieb hat, auseinander und regte ergänzend an, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das Verwaltungsgericht Aachen wies die Klage mit einem Urteil ab (Az.: 7 K 657/08 vom 29.05.2009). Auf die Berufung der Klägerin hob das Oberverwaltungsgericht den Beitragsbescheid durch Urteil (Az.: 15 A 1919/09 vom 24.06.2014) wegen eines rechtlichen Mangels der Veranlagungsregeln auf.


Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Klägerin Zwangs-Mitglied des beklagten Wasserverbands sei, blieb dabei aber ausdrücklich offen. Dem damaligen Urteil des OVG zufolge ließe sich die Frage, ob die mit der Mitgliedschaft im Verband die für die Klägerin verbundenen „Rohvorteile“ die Kosten und Beiträge überstiegen, ob also ein sogenannter Nettovorteil vorliege, nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantworten.

Daraufhin beantragte die Klägerin einen Anspruch gegen den Verband, ihr die insgesamt verauslagten Gerichtskosten sowie ihrer außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen zu erstatten. Nachdem die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten in Höhen von 9.507 Euro als erstattungsfähig anerkannt worden waren, machte sie weitere außergerichtliche Kosten in Höhe von 41.385 Euro geltend, die durch die von ihr vorgelegten Privatgutachten, die Teilnahme von zwei Gutachtern an Verhandlungen und durch Kosten für die Übermittlung von Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG NRW) durch den Verband verursacht worden waren.


Vor dem OVG hat die Klägerin zum Teil Erfolg. Dem Beschluss zufolge hat sie einen weiteren Anspruch auf Erstattung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von insgesamt 26.373 Euro. Damit seien die Kosten, die der Verband an die Klägerin zu erstatten hat, unter Berücksichtigung der bereits vom Verwaltungsgericht festgesetzten Kosten von 9.507 Euro nun auf insgesamt 35.880 Euro festzusetzen. Die übrigen von der Klägerin in Ansatz gebrachten außergerichtlichen Kosten sind dem Beschluss zufolge nicht erstattungsfähig.


Bei Privatgutachten spielt dem OVG zufolge der Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ eine Rolle: Behörden könnten in Fachfragen regelmäßig auf entsprechend ausgebildete eigene Bedienstete zurückgreifen, um dem Vortrag der Gegenseite fundiert entgegenzutreten. Eine Privatperson sei hingegen in der Regel auf externen Sachverstand angewiesen, um fachspezifische Aussagen der Behörde zu widerlegen. Die Kosten eines Privatgutachtens, das zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist, seien vor diesem Hintergrund der siegreichen Partei grundsätzlich in voller Höhe zu ersetzen, stellt das OVG fest. „Es wäre nämlich in aller Regel unbillig, eine Prozesspartei trotz ihres Obsiegens mit für sie unvermeidbaren Kosten zu belasten“, heißt es in dem Beschluss.


In dem Verfahren wäre nach Auffassung des OVG in einem ersten Schritt festzustellen gewesen, ob und in welchem Umfang sich der im Jahr 1983 durch den Beklagten aufgenommene Betrieb der Talsperre für die von der Klägerin seit 1970 unterhalb der Talsperre betriebene Forellenzucht, für die sie aufgrund einer wasserrechtlichen Erlaubnis Wasser aus dem Fließgewässer entnimmt und nach Gebrauch wieder einleitet, überhaupt wirtschaftlich vorteilhaft auswirkt, also ein sogenannter Rohvorteil besteht. So habe es die Prozesslage herausgefordert, die Stellungnahme einzuholen, da sich die Klägerin insoweit in einer „prozessualen Notlage“ befunden habe.


Zwar sei die Klägerin aufgrund des fachlichen Wissens ihrer Gesellschafter grundsätzlich in der Lage gewesen, zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt substantiiert vorzutragen. Das sei aber nicht in sämtlichen, nicht zuletzt für die von dem Verband aufgeworfenen fachlichen Fragen möglich. So hatte der Verband vorgetragen, dass im Zeitraum von November 1979 bis Oktober 2008 ohne den Talsperrenbetrieb an durchschnittlich rund 80 Tagen im Jahr die in der wasserrechtlichen Erlaubnis für die klägerische Forellenzucht festgelegte maximale absolute Wasserentnahmemenge von 50 l/s nicht bereit gestanden hätte. Daher habe sich der Betrieb der Talsperre wirtschaftlich vorteilhaft für die Klägerin ausgewirkt, argumentierte der Verband. Dem OVG zufolge durfte und musste die Klägerin damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht diesem substantiierten Vorbringen ein besonderes Gewicht zumessen würde. Denn der WVER verfüge als nach eigenen Angaben fachlich spezialisierter Großverband mit etwa 560 Beschäftigten, unter anderem aus den Fachrichtungen der Siedlungswasserwirtschaft und des Wasserbaus, im Hinblick auf wasserwirtschaftliche Fragen, die sein Verbandsgebiet betreffen, grundsätzlich über einen besonderen, auf langjährigen Erfahrungen beruhenden Sachverstand.


Angesichts dessen habe es der Klägerin unausweichlich erscheinen müssen, zur Wahrnehmung ihrer Interessen unaufgefordert ein Privatgutachten in Auftrag zu geben, mit dem sie dem fachkundigen substantiierten Vorbringen des Verbandes ebenso fachkundig substantiiert entgegentreten konnte. So habe eines der Privatgutachten die Ausführungen des Verbandes unter anderem deshalb substantiiert in Frage gestellt, weil sie sich auf das Einzugsgebiet der Talsperre und nicht - wie es richtigerweise sein müsste - auf das Einzugsgebiet der Fischzuchtanlage bezögen. Zudem bewegten sich Abflüsse im Einzugsgebiet der Fischzuchtanlage auch zu niederschlagsarmen Zeiten ohne Talsperrenbetrieb überwiegend im Bereich um 67 l/s und unterschritten diesen Wert nur in eng begrenzten Zeiträumen unterschritten, was für den Betrieb der Fischzuchtanlage unbedenklich sei. Die für diese Ausführungen notwendige spezielle hydrogeologische Sachkunde besaßen die beiden Gesellschafter der Klägerin als in der Forellenzucht tätige Fischwirtschaftsmeister nicht selbst, stellt das OVG fest.


Des Weiteren habe die Klägerin auch ein weiteres Gutachten über die aus ihrer Sicht bestehenden Nachteile des Talsperrenbetriebs in Form von zu niedrigen Wassertemperaturen im Frühjahr sowie einer Stickstoff-Übersättigung des Wassers in Auftrag geben müssen. Dabei habe der Gutachter zum einen neue Wassertemperatur-Messergebnisse aus den Monaten April bis August 2009 präsentiert und dahingehend ausgewertet, dass sich aus ihnen die erhebliche Veränderung der Wassertemperatur durch den Talsperrenbetrieb gegenüber natürlichen Verhältnissen entnehmen lasse. Das Wasser unterhalb der Talsperre sei demzufolge vom Frühjahr bis zum Spätsommer eindeutig zu kalt für befriedigenden Forellenzuwachs, insbesondere für die Brutaufzucht, den lukrativsten Teil der Forellenhaltung. Zudem präsentierte der Gutachter dem OVG zufolge auch zum Beleg der Stickstoff-Übersättigung des Fließgewässers.       


Weitere von der Klägerin eingeholte Stellungnahmen sind laut Beschluss des OVG aber nicht erstattungsfähig, da sie zu keinen neuen relevanten fachlichen Erkenntnissen geführt hätten. So habe Klägerin zu den von dem Verband angeführten Vorteilen aus dem Talsperrenbetrieb in Form der besseren Wasserqualität und des Hochwasserschutzes, die in einer fischereifachlichen Stellungnahme behandelt werden, schon in ihren Schriftsätzen vom Mai 2009 Stellung genommen.