Urteil: Anschlussbeitragspflicht entsteht erst mit dem dauerhaften Vorteil


Voraussetzung für eine Anschlussbeitragspflicht ist ein dauerhafter Vorteil, der durch den Anschluss geboten wird. Die Anschlussbeitragspflicht entsteht deshalb noch nicht, wenn Grundstücke in ein Bodenordnungsverfahren einbezogen worden sind, das noch nicht abgeschlossen, heißt es in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin (Az.: 4 A 2084/16 SN vom 20.02.2017). Mit dem Urteil hat das Gericht den Bescheid einer Gemeinde über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag für Schmutzwasser aufgehoben. Die sachliche Anschlussbeitragspflicht entstehe für diese Grundstücke erst, wenn der neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen getreten ist, also wenn das neu gebildete Grundstück dem Eigentümer zugeordnet wird.


Die Kläger sind Miteigentümer eines Hausgrundstücks, das 2004 aus der Verschmelzung von zwei früher eigenständigen Grundstücken entstanden war, so das Gericht zum Sachverhalt. Dieses neu entstandene Grundstück von 703 m² Größe ging schließlich im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens unter; im Miteigentum der Kläger wurde stattdessen ein 752 m² großes Flurstück gebildet. Als Zeitpunkt des Eintritts des  neuen Rechtszustands und damit der rechtlichen Wirkungen des Teilbodenordnungsverfahrens setzte das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg mit einer Ausführungsanordnung den 1. Oktober 2014 fest. In den Gründen dafür wird u. a. ausgeführt, dass der Teilbodenordnungsplan vom 3. Februar 2012 unanfechtbar sei. Das Grundbuchblatt wurde im Bestandsverzeichnis dem entsprechend im September 2015 berichtigt.


Mit einem sogenannten endgültigen Beitragsbescheid vom 29. November 2002 für den Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigung erhob die Gemeinde von den klagenden Eigentümern für das damals noch aus zwei Flurstücken bestehende Grundstück einen Beitrag in Höhe von 3.135 Euro, von dem nach Abzug bereits geleisteter Zahlung gemäß eines Vorauszahlungsbescheids vom 28. März 1996 in Höhe von 1.757 Euro noch 1.377 Euro zu zahlen waren. Auf den von den Klägern erhobenen Widerspruch teilte die Gemeinde ihnen u. a. mit, es sei nicht richtig, dass der Anschlussbeitrag in voller Höhe durch die Erschließungsträgerin gezahlt worden sei. Im Jahr 1996 sei von ihr ein Vorauszahlungsbescheid über 80 Prozent des zu erwartenden Anschlussbeitrags für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgung und Schmutzwasserbeseitigung zugesandt worden. Von diesen erhobenen 80 Prozent sei nur ein Teil durch die Erschließungsträgerin gezahlt worden. Ein endgültiger Beitragsbescheid für die Baugrundstücke der Erschließungsträgerin, die anstelle der Gemeinde die  Baumaßnahmen getätigt hatte, sei nicht erstellt worden, sodass der volle Anschlussbeitrag auch nicht gezahlt worden sein könne.

Die Eigentümer erhoben gegen den damaligen Beitragsbescheid Klage. Dieses Verfahren stellte das Verwaltungsgericht im Juni 2004 nach behördlicher Aufhebung des angefochtenen Beitragsbescheids ein.


Etwa zehn Jahre später erhob die Gemeinde – ohne die Kläger zuvor anzuhören – mit einem Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser vom 10. Juli 2013 von den Klägern für das nunmehr vermeintlich aus dem Flurstück c bestehende Grundstück erneut einen Beitrag, diesmal in Höhe von 2.179 Euro. Angerechnet aus einem „Erschließungsvertrag“ wurden dabei 1.082 Euro, sodass noch ein Zahlungsgebot in Höhe von 1.096 Euro festgesetzt wurde. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger im gleichen Monat Widerspruch ein, den die Gemeinde zurückwies.


Im September 2013 erhoben die Eigentümer daraufhin Klage, mit der sie beantragten, den Bescheid aus dem Jahr 2013 aufzuheben. Die Eigentümer trugen vor, der Beitragsbescheid verstoße gegen das Gebot der Einmaligkeit der Beitragspflicht. Über die verlangten Beträge liege ein rechtskräftiger, an die damalige Grundstückseigentümerin Bescheid vom 28. März 1996 vor Tatsächlich könne die Gemeinde nichts mehr von ihnen verlangen. Bereits mit diesem Bescheid habe sie einen Teilbetrag von 80 Prozent bzw. 41.079 DM erhoben. Nachdem die damalige Grundstückseigentümerin dann im April 1996 zunächst lediglich 15.000 DM überwiesen habe, habe die Gemeinde den gesamten noch ausstehenden Beitrag mit Schreiben vom 27. Mai 1996 fällig gestellt, und zwar so, dass als Raten am 15. Juli 1996 und 30. November 1996 sowie abschließend Zinsen am 30. November 1996 hätten gezahlt werden sollen.


Die Gemeinde habe den gesamten noch ausstehenden Beitrag bereits 1996 gegenüber der damaligen Grundstückseigentümerin erhoben, sodass das Verbot der doppelten Beitragserhebung greife. Die Gemeinde dürfe die erfolgte Einigung mit den Voreigentümern nicht nachträglich durch eine neue Satzung einseitig ändern.


Die Gemeinde entgegnete, die früheren Eigentümer hätten zwar einen Teilbetrag entrichtet. Eine sachliche Beitragspflicht sei aber nicht entstanden, da bis zum Verkauf des Grundstücks an die Kläger rechtmäßiges Beitragsrecht nicht zu Gebote gestanden habe. Dieses existiere erst in Form der Schmutzwasserbeitragssatzung vom März 2010. Damit bestehe nun die sachliche Beitragspflicht durch das Satzungsrecht und die persönliche Beitragspflicht durch den Bescheid gegenüber den Klägern. Ihnen gegenüber sei der noch ausstehende Restbetrag geltend zu machen. Bei dem Beitrags- und Gebührenbescheid aus dem Jahr 1996 handle es sich um einen Vorausleistungsbescheid.


Das Verwaltungsgericht ist der Argumentation der Eigentümer gefolgt. Der Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser aus dem Jahr 2013 sei schon deshalb rechtswidrig, da zum Zeitpunkt seines Erlasses die sachliche Anschlussbeitragspflicht im Hinblick auf das Grundstück noch nicht entstanden war, heißt es in dem Urteil. Dem habe das damals bereits eingeleitete, aber noch nicht abgeschlossene Teilbodenordnungsverfahren in der Gemeinde entgegengestanden. Davon betroffene Grundstücke verlieren dem Gericht zufolge zwar nicht von Beginn an ihre rechtliche Existenz, aber die Dauerhaftigkeit ihres Bestands und damit ihrer Größe werde in Frage gestellt. Es handelt sich gleichsam um „sterbende Grundstücke“, denen der „Todesstoß“ mit Abschluss des Bodenordnungsverfahrens bzw. dem Eintritt seiner Rechtswirkungen gesetzt werde. Die sachliche Beitragspflicht entstehe in einem solchen Fall erst, wenn die Dauerhaftigkeit des Vorteils sichergestellt sei. Erst damit trete der neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen und das neu gebildete Grundstück werde dem Eigentümer zugeordnet.


Das betreffende Teilbodenordnungsverfahren war bereits zum Zeitpunkt des Erlasses bzw. Wirksamwerdens des Anschlussbeitragsbescheids vom 10. Juli 2013 eingeleitet worden, stellt das Gericht fest. Dies ergebe sich aus dem Hinweis auf den unanfechtbaren Teilbodenordnungsplan aus dem Februar 2012, der im Amtlichen Bekanntmachungsblatt der Gemeinde vom September 2014 im Rahmen der Ausführungsanordnung des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg veröffentlicht worden war. Dass das vormalige Grundstück der Kläger von diesem Teilbodenordnungsverfahren betroffen war, zeige die später vorgenommene Berichtigung des betreffenden Grundbuchblatts, so das Gericht.