OVG: Kostenersatz bei Anschluss-Erneuerung setzt Sonderinteresse des Eigentümers voraus


Diese Aufgabenverteilung im Kanalbenutzungsverhältnis ergibt sich dem OVG zufolge zum einen aus den Regelungen der Abwassersatzung, zum anderen aus den auf das öffentlich-rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis entsprechend anwendbaren Grundsätzen des bürgerlich-rechtlichen Vertragsrechts.


Mit dem Beschluss hat das OVG den Antrag der beklagten Gemeinde, die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Aktenzeichen: 5 K 3745/14) zuzulassen, abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hatte der Klage mit dem Antrag, einen Bescheid der Gemeinde vom 5. Mai 2014 aufzuheben, im Wesentlichen mit folgender Begründung stattgegeben: Durch die Erneuerung der Grundstücksanschlussleitung habe die Gemeinde keine Maßnahme durchgeführt, die zum Kostenersatz verpflichtet. Die Gemeinde selbst habe die Leitung vor der Erneuerung des Hauptkanals nicht als sanierungsbedürftig eingestuft, und sie habe deren Schadhaftigkeit auch nicht zum Anlass der Erneuerungsmaßnahme genommen. Anlass der Erneuerung sei vielmehr der Umstand gewesen, dass die Grundstücksanschlussleitungen nach der Erneuerung des Hauptkanals nicht mehr mit dem nötigen Gefälle an diesen hätten angeschlossen werden können. Es seien auch keine anderen Gründe gegeben, nach denen die Maßnahme im Sonderinteresse der klagenden Eigentümer gelegen habe, stellte das Verwaltungsgericht Düsseldorf fest.


Dagegen hat sich die Gemeinde ohne Erfolg gewandt. Wie das OVG ausführt, können nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW (siehe Kasten) die Gemeinden bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen ersetzt werden. Dem entsprechend sieht die Entwässerungssatzung der Gemeinde (EWS) vor, dass der Grundstückseigentümer verpflichtet ist, die Kosten zu tragen, soweit die Beklagte erforderliche Arbeiten im Sinne der Satzung durchführt. Die EWS bestimmt, dass die Gemeinde sich alle Arbeiten vorbehält, die dazu erforderlich sind, die Anschlussleitung bis zum Kontrollschacht herzustellen, zu betreiben, zu unterhalten, instand zu halten und gegebenenfalls zu ändern und zu erneuern.


Wie das Verwaltungsgericht – aus Sicht des OVG - zutreffend ausgeführt hat, setzt der Kostenersatzanspruch des § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW - einschränkend - stets das Vorliegen eines Sonderinteresses des Grundstückseigentümers an der von der Gemeinde durchgeführten Maßnahme voraus. Die Vorschrift regle einen besonderen öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatzanspruch zum Ausgleich von Aufwendungen und Kosten, die die Gemeinde für den Pflichtigen erbracht hat. Eine solche Entgeltleistung setzt in Abgrenzung von durch gemeindliche Maßnahmen vermittelten allgemeinen wirtschaftlichen Vorteilen eine vorangegangene spezielle, gerade dem Pflichtigen zugute kommende Leistung voraus.


In wessen Interesse die Durchführung einer Maßnahme liegt, beantwortet sich dem OVG zufolge grundsätzlich nach der durch die Rechtsordnung vorgenommenen Aufgabenverteilung. Diese Aufgabenverteilung im Kanalbenutzungsverhältnis ergebe sich zum einen aus den Regelungen der Abwassersatzung, und zum anderen aus den auf das öffentlich-rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis entsprechend anwendbaren Grundsätzen des bürgerlich-rechtlichen Vertragsrechts.


Soweit die Erfüllung der Benutzungspflicht, die dem Anschlussnehmer nach der Satzung vorgeschrieben ist, eine funktionsfähige Anschlussleitung voraussetze, dienten danach Maßnahmen zur Beseitigung einer Störung der Funktionsfähigkeit des Anschlusskanals grundsätzlich dieser Verpflichtung und stünden damit in seinem Sonder-Interesse. Diese allgemeine Aufgaben- und Verantwortungsabgrenzung kann dem OVG zufolge allerdings im Einzelfall durch von der Rechtsordnung vorgenommene anderweitige Pflichtenzuweisungen überlagert sein, etwa wenn sich aus der Anwendung der Grundsätze des bürgerlich-rechtlichen Vertragshaftungsrechts ergibt, dass die Gemeinde die Maßnahme als Schadensersatz zu leisten habe.


Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung des OVG nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Sonderinteresses im vorliegenden Fall verneint hat. Zwar weise die EWS die Pflicht zur Herstellung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zur Instandhaltung und gegebenenfalls zur Änderung und Erneuerung der Anschlussleitung grundsätzlich dem Grundstückseigentümer zu. Allerdings ergibt sich auch aus dem Zulassungsvortrag der Gemeinde nicht, dass die in Rede stehende Maßnahme im Sonderinteresse der Kläger durchgeführt wurde.


Dass die Sanierung des Mischwasserkanals in der Straße bereits im Abwasserbeseitigungskonzept 2008 geplant war, wie die Gemeinde geltend macht, sagt dem OVG zufolge nichts darüber aus, dass die Erneuerung der Anschlussleitung zum Grundstück der Kläger erforderlich war, weil diese schadhaft und deswegen in einem nicht mehr ordnungsgemäßen, die Funktionsfähigkeit beeinträchtigenden Zustand war.


Das im Rahmen des Zulassungsantrags beauftragte Ingenieurbüro habe einen derartigen Sanierungsbedarf nicht bestätigt und die Mängel der in Rede stehenden Anschlussleitung den Schadensklassen 2 und 3 der DIN EN 13508 bzw. den Schadensklassen B und C nach der DIN 1986-30 zugeordnet. Diese Zuordnungen indizieren jeweils bloß einen mittel- bzw. langfristigen Handlungsbedarf, heißt es dem Beschluss. Zu den Schadensklassen B und C habe die Gemeinde im erstinstanzlichen Verfahren erklärt, in diesen Fällen führe sie keine Sanierungsmaßnahmen durch, sondern spreche lediglich Empfehlungen an die Grundstückseigentümer aus. Die aktuelle Aussage der Gemeinde, diese Verwaltungspraxis gelte erst seit der Umstellung der Schadensklassifizierung, erschließt sich dem OVG zufolge nicht ohne weiteres. Greifbare Belege dafür bringe der Zulassungsantrag nicht vor.


Die Berufung wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist dem OVG zufolge nicht zuzulassen. Die von der Gemeinde aufgeworfene Frage, „wann eine Leitung einen Zustand aufweist, dass sie in absehbarer Zeit untauglich zu werden droht“, führe nicht auf einen grundsätzlichen Klärungsbedarf. Ihre Beantwortung sei vielmehr von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig, die einer verallgemeinernden Klärung nicht zugänglich sind, heißt es in dem Beschluss. Ebenso hänge die Beantwortung der von der Frage, „welche Anforderungen eine Erklärung eines Grundstückseigentümers mindestens erfüllen muss, damit diese Beauftragung für die Beklagte verlässlich einen Kostenersatzanspruch auslöst“, von der konkreten Formulierung der Erklärung und ihrem Kontext im jeweiligen Einzelfall ab.