OVG Bremen betont positive Wirkung der Regenwasserversickerung


Die Kläger, Eigentümer von Grundstücken in Bremen-Walle, wandten sich gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, der in ihrer unmittelbarer Nachbarschaft mehrere Grundstücke überplant, so das OVG zum Sachverhalt. Der Bebauungsplan, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, schafft für die Grundstücke, die sich im Eigentum der beigeladenen Wohnbaugesellschaft befinden, erstmals Planungsrecht. Bislang sind die Grundstücke mit drei viergeschossigen Mehrparteienhäusern bebaut, die – wie auch die von den Antragstellern bewohnten Reihenhäuser – Teil einer Siedlung sind, die Anfang der 1950er-Jahre von der amerikanischen Economic Cooperation Administration (ECA) errichtet wurde. Das Plangebiet ist rund 6.000 m² groß. Anlass der Planung war die Absicht der Gesellschaft, auf den Grundstücken drei weitere Mehrparteienhäuser zu errichten.


Bebauungsplan beinhaltet Regenwasserversickerung


Im Juni 2014 teilte der Beirat Walle dem Bremer Senator für Bau, Umwelt und Verkehr mit, dass er das Vorhaben grundsätzlich wohlwollend betrachte. Es dürfe aber nicht zu einer Zunahme der Abwasserprobleme bei Starkregenereignissen kommen.

Im September 2015 fasste die städtische Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft den Beschluss, den Entwurf des Bebauungsplans als Plan der Innenentwicklung aufzustellen. In dem Bebauungsplanentwurf heißt es, dass die Gesellschaft plane, es sei ein Entwässerungskonzept für die Bewirtschaftung des Regenwassers auf den privaten Grundstücksflächen erarbeitet worden, das sowohl die Bestandsgebäude als auch die Neubauten im Plangebiet berücksichtige. Das anfallende Regenwasser werde – auch bei Starkregenereignissen – auf den privaten Grundstücksflächen innerhalb des Plangebiets auf Gründächern zurückgehalten, bzw. es versickere in Sickermulden.

Die Stadtbürgerschaft beschloss den Bebauungsplan, der auch öffentlich ausgelegt wurde,  im Juni 2016.


Eigentümer bestreiten Möglichkeit der Versickerung


Die Eigentümer stellten Anfang 2017 ihren Normenkontrollantrag. Das Entwässerungskonzept überzeuge nicht, denn eine Versickerung des anfallenden Niederschlagswassers sei aufgrund der Bodenbeschaffenheit und des hohen Grundwasserstandes nicht möglich. Zudem seien die Versickerungsmulden nicht ausreichend dimensioniert. Aufgrund des fehlenden Überlaufschutzes werde es bei den in Zukunft immer häufiger auftretenden Starkregenereignissen zu Überschwemmungen kommen.


Umweltsenator erteilt wasserrechtliche Erlaubnis


Die Stadtgemeinde Bremen brachte dagegen vor, das Entwässerungskonzept sei verbindlich vereinbart sei das Ergebnis umfangreicher konkreter Berechnungen eines Planungsbüros. Die Versickerungsfähigkeit des Bodens sei im Rahmen der Baugrunduntersuchung geprüft worden.

Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr als untere Wasserbehörde erteilte der Wohnbaugesellschaft eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Einleitung des auf den Dach- und Verkehrsflächen im Plangebiet anfallenden Niederschlagswassers über Versickerungsmulden und ein Rigolensystem in das Grundwasser.


OVG: Verbesserung der Entwässerungssituation zu erwarten


Dem Oberverwaltungsgericht zufolge ist der Normenkontrollantrag der Eigentümer unbegründet. Das Entwässerungskonzept trage den im Plangebiet zu sichernden Grünfunktionen Rechnung, indem es mit der vorgesehenen Regenwasserversickerung einen Beitrag zur dezentralen Niederschlagswasserbeseitigung leistet, heißt es in dem Urteil. Durch die Umsetzung des Entwässerungskonzepts und die damit einhergehende Entkopplung der Bestandsbauten im Plangebiet von dem Mischwasserkanal wird dem OVG zufolge sogar eine moderate Verbesserung der Entwässerungssituation eintreten, da künftig der auf den Dächern dieser Gebäude anfallende Niederschlag nicht mehr in den Mischwasserkanal eingeleitet werde.


Hansewasser und Stadtentwässerung empfehlen Dachbegrünung


Im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange seien von der Wohnbaugesellschaft Stellungnahmen der für die Abwasserentsorgung im Gebiet der Stadtgemeinde Bremen zuständigen Hansewasser Bremen GmbH und des Umweltbetriebs Bremen – Stadtentwässerung – eingeholt worden. Hansewasser habe dazu geraten, die Wassermengen, die in den öffentlichen Mischwasserkanal entwässern, gegenüber dem Ist-Zustand nicht zu erhöhen. Dies könne durch eine Dachbegrünung und eine Versickerung der bisher an das Kanalnetz angeschlossenen Parkplätze erfolgen. Auch der Umweltbetrieb Bremen sprach sich dem OVG zufolge für eine Dachbegrünung und eine Prüfung, ob eine dezentrale Niederschlagswasserbeseitigung im Plangebiet möglich sei, aus. Zudem hätten auch einzelne der Antragsteller und der Beirat Walle frühzeitig auf die so genannte „Badewannenlage“ der ECA-Siedlung und die sich hieraus ergebende problematische Entwässerungssituation bei Starkregenereignissen hingewiesen.


Abwägung knüpft an Konzept der dezentralen Niederschlagswasserbeseitigung an


Diese Stellungnahmen hätten die Wohnbaugesellschaft dazu veranlasst, ein Entwässerungskonzept zur dezentralen Niederschlagswasserbeseitigung im Plangebiet zu entwickeln, das Gegenstand des Planaufstellungsverfahrens war und zu dessen Umsetzung sich die Gesellschaft im Durchführungsvertrag bis zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Wohngebäude verpflichtet habe. Abwägungsfehler seien insoweit nicht ersichtlich. Die Abwägung der Stadtgemeinde Bremen knüpfe an das Konzept der dezentralen Niederschlagswasserbeseitigung an.


Nach dem Bremischen Wassergesetz liege eine dezentrale Niederschlagswasserbeseitigung unter bestimmten Umständen vor. So müsse Niederschlagswasser weitestgehend dem natürlichen Wasserkreislauf zugeführt werden. Die Zuführung des Niederschlagswassers könne zum natürlichen Wasserkreislauf im Wege der Versickerung, Verrieselung, ortsnahen direkten Einleitung in ein Gewässer oder Einleitung über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer erfolgen.


Regelung im Durchführungsvertrag zulässig


Dem OVG zufolge ist es nicht abwägungsfehlerhaft, dass nicht der Bebauungsplan, sondern der Durchführungsvertrag die maßgeblichen Regelungen im Hinblick auf die Beseitigung des im Plangebiet anfallenden Niederschlagswasser trifft. Darüber hinaus hat das OVG auch keine Bedenken im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Konzepts.


Auch stellt es nach Auffassung des OVG keine unzulässige Konfliktverlagerung dar, dass der Bebauungsplan bis auf die textliche Festsetzung  zur Dachbegrünung keine weiteren Festsetzungen im Hinblick auf die Beseitigung des im Plangebiet anfallenden Niederschlagswassers enthält. Es sei ausreichend, dass sich die Wohnbaugesellschaft in dem Durchführungsvertrag zur Umsetzung des Entwässerungskonzepts verpflichtet habe.


Entwässerung über Mischwasserkanal auch nicht ausgeschlossen


Der Bebauungsplan schließe die Entwässerung des Plangebiets über den Mischwasserkanal aber auch nicht aus. Gleichwohl erweise es sich nicht als abwägungsfehlerhaft, dass sich die Antragsgegnerin zur Umsetzung des Planungsziels, der Entkopplung des Plangebiets von dem Mischwasserkanal Arndtstraße im Hinblick auf das anfallende Niederschlagswasser, des Durchführungsvertrages bedient.