Die Antragsteller wandten sich gegen den Bebauungsplan „Oberhalb Freiäcker“ der Stadt Taunusstein, der im Stadtteil Wehen ein Neubaugebiet mit voraussichtlich 32 Bauplätzen ausweist und der den Bau von Regenrückhaltebecken vorsieht, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Die Antragsteller sind Eigentümer von drei Grundstücken, die an der Straße gelegen sind, die als Zubringerstraße für das Neubaugebiet dienen soll.
Eigentümer: Becken stellen starke Beeinträchtigung dar
Im April 2016 stellten die Grundstückseigentümer einen Normenkontrollantrag, mit dem sie beantragten, den Bebauungsplan „Oberhalb Freiäcker“ für unwirksam zu erklären. Sie brachten unter anderem vor, die vorgesehenen Regenrückhaltebecken stellten einen Eingriff in Natur und Landschaft dar und führten zu einer starken Beeinträchtigung der angrenzenden Wohngebiete durch Geruchs- und Ungezieferbelästigungen.
Zudem kritisierten die Eigentümer, dass eine ca. 1,5 km lange Ausgleichsfläche entlang des Gewässerabschnitts der Aar geplant sei. Die Ausgleichsfläche an der Aar stünde in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem Eingriff, so dass rechtlich gesehen eine Eingriffskompensation nicht erfolge. Die Grundstückseigentümer bestritten zudem, dass die beabsichtigte Ausgleichsmaßnahme tatsächlich zu einer Kompensation führe.
Stadt: Bei Versickerung werden Schadstoffe zurückgehalten
Die Stadt Taunusstein verteidigte den Plan. Regenrückhalteanlagen seien Maßnahmen zum Schutz von Boden und Natur im Sinne des Baugesetzbuchs, da das Muldensystem den Oberflächenabfluss des Regenwassers erheblich reduziere und damit zur Neubildung von Grundwasser beitrage. Es würden im Oberflächenwasser enthaltene Schadstoffe bei der Versickerung durch die belebte Bodenzone zurückgehalten. Regenwasser entfalte auch keine Gerüche und es gebe auch keine Erkenntnisse dazu, dass Regenrückhalteanlagen zu unzumutbaren „Ungeziefer“-Belastungen führten, so die Stadt.
Anlagen sind kein weiterer Eingriff in Natur
Der VGH Hessen vertritt in dem Urteil die Auffassung, dass die naturnah zu gestaltenden Regenrückhalteanlagen entgegen der Auffassung der Grundstückseigentümer keinen weiteren Eingriff in Natur und Landschaft darstellen. Vielmehr seien die Regenrückhalteanlagen wegen ihrer Ausgestaltung Maßnahmen, die in die Eingriffsbilanz als ausgleichend einzustellen sind, heißt es in dem Urteil. Der VGH verweist darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass die Anlage privater und straßenbegleitender Mulden zur Regenversickerung eine Maßnahme zum Schutz von Boden und Natur im Sinne des Baugesetzbuches (BauGB) darstellen könne (Urteil 4 CN 9.00 vom 30.8.2001). Voraussetzung dafür sei es, dass ‑ wie in dem behandelten Fall - die Anlagen den Oberflächenabfluss des Regenwassers wesentlich reduzieren, zur Neubildung von Grundwasser beitragen und im Oberflächenwasser enthaltende Schadstoffe bei der Versickerung durch die belebte Bodenzone zurückgehalten werden. Dies erfolge im Bebauungsplan „Oberhalb Freiäcker“ durch die Bepflanzung der Regenrückhalteanlagen. Die für die Becken vorgesehenen kleinräumigen Dauerstaubereiche sollten sich perspektivisch zu einem Feuchtbiotop entwickeln, führt der VGH aus.
Für die von den Grundstückseigentümern beanstandeten Geruchs- und Ungezieferbelastungen, die von den Regenrückhalteanlagen ausgehen würden, gibt es dem VVGH zufolge keine Anhaltspunkte.
Vernetzungswirkung von Fließgewässern entfaltet Wirkung
Auch die weiteren von den Grundstückseigentümern beanstandeten Maßnahmen sind nach Auffassung des VGH trotz ihrer räumlichen Entfernung zum Ausgleich geeignet. Die Größe der Ausgleichsfläche betrage nicht nur - wovon die Antragsteller irrtümlich ausgehen - 15.000 m², sondern 20.500 m², weil auch der Uferbereich der Aar in die Maßnahmen einbezogen sei. Auf dieser Fläche werde eine überdurchschnittlich hohe Aufwertung für die Schutzgüter Boden, Wasser, Natur und Landschaft erzielt, da diese durch die Vernetzungswirkung von Fließgewässern und die Fernwirkung von Ufergehölzen eine über die eigentliche Grundfläche weit hinausgehende Wirkung entfalten. Insgesamt sei sogar von einer Steigerung der Artenvielfalt auszugehen.