Dabei wurde die Nidda in Hessen untersucht. Um die Auswirkungen des hohen Anteils an gereinigtem Abwasser in den Flüssen des Nidda-Einzugsgebiets für Wasserorganismen abzumildern, fordern die NiddaMan-Ingenieure Ertüchtigungsmaßnahmen von Kläranlagen in Abhängigkeit von gewässerspezifischen Indikatoren, wie zum Beispiel dem Abwasseranteil oder ökologischen und ökotoxikologischen Parametern.
Wie die Hochschule erklärte, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt über drei Jahre mit 2,4 Millionen Euro gefördert. Die Nidda sei für die Gewässerforscher ein ideales Untersuchungsobjekt gewesen. Neben naturnahen Bereichen im Oberlauf sei der Mittellauf in der Wetterau durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung gekennzeichnet. Am Unterlauf nahe der Metropole Frankfurt fließe der Fluss durch dicht besiedelte, urbane Gebiete. Stoffeinträge erfolgen zudem durch Einleitungen aus Kläranlagen und sonstigen Entwässerungssystemen.
„Insbesondere in den niederschlagsarmen Sommermonaten ist der Anteil an gereinigtem Abwasser im Einzugsgebiet der Nidda hoch. Auch deshalb werden, allen wasserbehördlichen Bemühungen zum Trotz, die Qualitätskriterien der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie nicht eingehalten“, sagte Prof. Jörg Oehlmann, Leiter von NiddaMan und der Abteilung Aquatische Ökotoxikologie der Goethe-Universität. Die Nidda sei kein Einzelfall: Bei Projektstart im Jahr 2015 erreichten weniger als zehn Prozent der Gewässer in Deutschland den geforderten guten bis sehr guten ökologischen Zustand.
Dauerhafte Belastung mit Spurenstoffen
Neben stofflichen Einflüssen aus der Landwirtschaft wird die Nidda dauerhaft mit Spurenstoffen aus Kläranlagen belastet, berichtete die Goethe-Universität weiter. Mancherorts seien sogar gesetzlich vorgeschriebene Umweltqualitätsnormen für einzelne Schadstoffe überschritten. „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass bestehende Grenzwerte aquatische Lebensgemeinschaften nur unzureichend schützen“, so Oehlmann. Bereits ab einem Anteil von circa zwölf Prozent an konventionell gereinigtem Abwasser ändere sich die Zusammensetzung der Arten im Fließgewässer. Hinzu kämen die Einleitungen aus Mischwasserentlastungen, die dazu führten, dass bei starken Niederschlägen nicht gereinigtes Abwasser in die Gewässer gelangt. Deren Auswirkungen seien bisher noch wenig untersucht.
Obwohl Fische, im Gegensatz zu vielen Kleinstlebewesen wie Krebse und Schnecken, mobil sind und im Prinzip stark verunreinigte Gewässerabschnitte meiden können, leiden auch sie unter der schlechten Wasserqualität, lautet ein weiteres Ergebnis des Forschungsprojekts. So konnten Gewebeuntersuchungen der NiddaMan-Experten krankhafte Veränderungen der Leber nachweisen, die zwar nicht direkt zum Tod der Fische führen, aber ihre Fitness und damit die Fortpflanzung beeinträchtigen. Das Fehlen gewässertypischer Fischarten, das bereits im Oberlauf der Nidda zu beobachten sei, sehen die Forscher als Indiz dafür, dass es den Fischen an „Kraftreserven“ für die Fortpflanzung fehlt.
Eintrag von Feinsedimenten führt zu verfestigtem Sohlenmaterial
Der Eintrag von Feinsedimenten in die Fließgewässersysteme, wie im Nidda-Einzugsgebiet vor allem an der Horloff beobachtet, stellt ein weiteres Problem für die nachhaltige Bewirtschaftung von Flusslandschaften dar, haben die Forscher festgestellt. Der Feinsedimenteintrag führe dazu, dass sich das Sohlenmaterial verfestigt und verschlammt. Beides beeinträchtige die Gewässersohle als Lebensraum, speziell für Arten, die in grobmaterialreichen Gewässern wie der Horloff vorkommen.
Das Forscherteam fand darüber hinaus frühere Beobachtungen bestätigt, dass von Gewässerrenaturierungen, die bisher als der Königsweg zum guten ökologischen Zustand galten, oft nur im Uferbereich lebende Organismen und der Auenbewuchs profitieren. Die im Gewässer lebenden Wasserpflanzen, Fische und vor allem Wirbellose, hätten jedoch kaum einen Nutzen. Als mögliche Ursachen sehen die Forscher fehlende Schlüsselhabitate wie Totholz oder eine zu große Entfernung von Quellpopulationen.
„Der Wille zur Veränderung ist da, doch häufig fehlt es bei den verantwortlichen Stellen wie Wasserbehörden und Kommunen an finanziellen und personellen Ressourcen, um Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität schnell und zielgerichtet umzusetzen“, fasste Oliver Schulz die Recherchen des Institut für sozialökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt zusammen. Oftmals gebe es zudem Akzeptanzprobleme bei den Betroffenen, besonders dann, wenn Maßnahmen bestehende Nutzungsansprüche einschränken, zum Beispiel von Flächen am Gewässer. Offene Gespräche und die Beteiligung von Akteuren und der Bevölkerung hätten während des Projekts vielerorts erst das Verständnis für Lösungen geschaffen, die alle gemeinsam tragen müssten.