In dem behandelten Fall betreibt ein Abwasserzweckverband als Auftraggeber im Sinne des Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) den Ausbau der Abwasserreinigungsanlagen auf dem Gebiet einer Verbandsgemeinde, die zu seinen Mitgliedern zählt, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Anfang Juni 2017 machte der Verband in den EU-Ausschreibungen TED die beabsichtige Vergabe eines in mehrere Funktionsabschnitte bzw. Titel untergliederten Teilbauauftrags bekannt. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis.
Zu den vier Bietern gehört die Antragstellerin, deren im Gesamtpreis völlig unauffälliges Angebot das niedrigste ist. Allerdings gibt es dem OLG zufolge Auffälligkeiten bei Einzelpreisen. So verlangte das Unternehmen für die Position „Lagerplatz für die Sortierung und getrennte Lagerung von Baustellenabfällen“ eine Pauschale von 140.663 Euro, während die Pauschalen der drei Konkurrenten teils deutlich unter 4.000 Euro lagen. Für die Dichtigkeitsprobe des Vorlageschachtes trug die Antragstellerin eine Pauschale von 43.972 Euro ein, während die Pauschalen der drei Konkurrenten um mehr als 40.000 € niedriger waren.
Da aus den daraufhin von dem Unternehmen auf Aufforderung des Verbandes vorgelegten Unterlagen nicht die Informationen hervorgingen, die aus Sicht des Verbandes zur Beurteilung des Angebotes notwendig gewesen wären, stellte der Verband drei konkrete Fragen: Er wollte wissen, welche Tätigkeiten in welchem Umfang den angegeben Lohnkosten in den genannten Positionen zu Grunde liegen, welche Materialien den angegebenen Materialkosten zuzuordnen sind und welche Geräte mit welchen Einsatzzeiten den angegebenen Gerätekosten zu Grunde liegen.
Mit den daraufhin von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen im Umfang von insgesamt sieben Aktenordnern sei keine einzige der drei Fragen aus dem Schreiben des Auftraggebers beantwortet worden, stellt das Oberlandesgericht fest. So sei es beispielsweise „weiterhin ein Geheimnis der Antragstellerin geblieben“, weshalb die Dichtigkeitsprobe eines Anlageteils mit einem Fassungsvermögen von 55 Kubikmetern rund 5.000 Prozent mehr kosten solle als eine vergleichbare Leistung bei einem Becken mit 250 Kubikmetern oder warum die angesetzten Arbeitsstunden für eine Dichtigkeitsprobe die Summe der Arbeitsstunden für alle anderen 14 Dichtigkeitsproben um den Faktor 7,8 übersteigen.
Im August 2017 teilte der Verband der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen worden sei und ein anderes Unternehmen beauftragt werde solle. Den dagegen gerichteten Nachprüfungsantrag wies die Vergabekammer Rheinland-Pfalz als unbegründet zurück.
Den Antrag des Unternehmens auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung hat das OLG in Koblenz abgelehnt, weil die sofortige Beschwerde keine Erfolgsaussichten habe und kein Grund ersichtlich sei, dem Wasserverband weiterhin den Abschluss des Vergabeverfahrens durch Erteilung des Zuschlags zu versagen. Das Angebot der Antragstellerin wurde zu Recht ausgeschlossen, stellt das OLG unmissverständlich fest. Ohne Zweifel sei der Auftraggeber berechtigt gewesen, von der Antragstellerin nach der der VOB/A Aufklärung zu den von ihr angesetzten Preisen zu verlangen. „Die Antragstellerin ist Bestbieterin. Wenn mit ihrem Angebot alles in Ordnung gewesen wäre, aber auch nur dann, hätte sie beauftragt werden müssen“, stellt das OLG fest. Ob aber alles in Ordnung war, habe der Auftraggeber zu Recht in Frage gestellt.
Die exorbitanten Abweichungen von den eigenen Preisen der Antragstellerin bei ähnlichen Positionen sowie von den Preisen der Konkurrenten seien weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder -besonderheiten zu erklären, weshalb sie vom Auftraggeber auch nicht ignoriert werden konnten, heißt es in dem Beschluss weiter. Der Verdacht einer unzulässigen Mischkalkulation, bei der die Preise so festgesetzt werden, dass alle Kosten gedeckt werden, habe sich dem OLG zufolge geradezu aufgedrängt.
Die Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sei aber eine Angelegenheit allein zwischen dem Auftraggeber und dem Unternehmen, und zwar innerhalb der vom Auftraggeber festgesetzten Frist. Deshalb sind dem Beschluss zufolge „alle Erklärungsversuche, die sich erstmals in den Schriftsätzen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an die Vergabekammer oder das OLG finden, von vorn herein unbeachtlich“.
Da das Unternehmen keine einzige der ihm gestellten Fragen innerhalb der am 15. August 2017 abgelaufenen Frist beantwortet habe, sei es zwingend von dem Angebot auszuschließen.
Die Behauptung des Unternehmens, es hätte dem Auftraggeber nicht mehr mitteilen können, hält das OLG für abwegig. Zum einen habe es in den Schriftsätzen mehr mitgeteilt - dies allerdings zu spät; im Vergabeverfahren habe es aber „offensichtlich nur gemauert“. Zum anderen sei davon auszugehen, „dass auch bei der Antragstellerin nicht mit dem Würfelbecher kalkuliert wird und deshalb zumindest die für die Erstellung des Angebots verantwortliche Person in der Lage gewesen sein müsste z.B. darzulegen, welche Tätigkeiten sich auf circa 740 Arbeitsstunden für rund 50.000 Euro summieren oder welche Geräte mit welchen Einsatzzeiten knapp 55.000 Euro kosten sollen“. Das Oberlandesgericht merkt an, dass das gesamte Verhalten der Antragstellerin den Verdacht einer unzulässigen „Mischkalkulation“ nahezu zur Gewissheit verstärkt habe.